Jetzt wirds wieder glatteisig - und das im Hochsommer…
Ich versuch mal auszudrücken, wie ichs fühle.
Ich würde es so formulieren: ADHS ist eine Erklärung für vieles.
ADHS kann der Grund sein, warum man den Erwartungshorizont anderer verändern darf.
ADHS sollte jedoch keine Begründung dafür sein, etwas nicht zu tun, was andere erwarten dürfen.
Die Gesellschaft hat nicht die Aufgabe, sich auf ADHS einzustellen. Wir können ihr vermitteln, dass ADHS bei Menschen die Maßstäbe verändert - von dem, was sie können, mögen und ertragen.
Diese geänderten Grenzen zu kommunizieren ist Aufgabe eines Betroffenen. REs ist nicht die Aufgabe der Umwelt, das zu antizipieren, also vorauszuahnen oder sich dem anzupassen.
Wer eine besonderen Umgang benötigt (auch, wenn das einen Grund hat - hier: ADHS), hat die Aufgabe der Umwelt dies zu erklären, damit diese nicht überrascht davor steht, dass die NormalNull-Erwartungen, die in der Gesellschaft zwischen Menschen bestehen, nicht erfüllt werden.
Wer etwas nicht kann oder es anders kann oder auf dem Weg eher links als rechts um den Baum gehen muss, der muss das kommunizieren. De Gesellschaft da draußen muss es nicht ahnen, was mit einem Einzelnen ist. Das ist die Aufgabe des jeweils Betroffenen.
Wer es nicht mitteilt, sollte von der Gesellschaft kein besonderen Umgang erwarten.
ADHS ist keine Rechtfertigung, die Folgen des ADHS anderen, Unbeteiligten, Nichtsahnenden, aufzubürden.
Es ist immer noch das eigene Los, das eigene Schicksal, das jeder zu meistern hat.
Bei vielen reicht schon, zu wissen, wie sie mit ihrem eigenen ADHS umgehen müssen, um mit der Gesellschaft klarzukommen - um der Gesellschaft nicht eine Rücksicht abzuverlangen, die auch ADHSler nicht für andere haben, wenn die nicht kommunizieren, dass sie ASS/Depressiv/Angstpatienten&traimatisiert/narzisstisch/wasauchimmer sind und deshalb diesdasjenesoderselles nicht oder nicht so schaffen.
25 % der Bevölkerung in Deutschland haben eine psychische Diagnose. Pro Jahr.
Da gäbe es viel Rücksicht zu antizipieren.
Ja, etwas mehr Rücksichtnahme untereinander wäre schon schön. Und ich denke, diese Rücksichtnahme wächst auch - mit dem Wissen über psychische Störungsbilder. ADxS arbeitet daran mit.
Vor ein paar Jahrzehnten waren viel mehr Störungsbilder tabuisiert. Heute lernen wir und mit uns die ganze Gesellschaft, was das bedeutet.
Nur hat niemand das Recht, von Dritten zu erwarten, dass die sich mit den Defiziten auskennen, die man selbst so mit sich herumträgt.
Wer ADHS hat, sollte zuallererst mal seine Energie darauf verwenden, es zu verstehen, und zu schauen, wie er besser damit klar kommen kann.
Und viele schaffen es dann ja auch, ein ausgeglicheneres Leben zu führen, ohne die vielen Konflikte aus der Zeit davor. Manche ohne, die meisten mit Medikamenten.
Und es ist auch zuallererst die eigene Aufgabe, sich selbst zu helfen.
Wer nicht geeignet ist für den Marathon, sollte lange Laufwege vermeiden.
Und dafür sollte derjenige sich zuallererst selbst einen Platz suchen, an dem er nicht lange Strecken laufen muss.
Viele schaffen das auch. Bei weitem nicht alle.
Und klar kostet das auch was. Mehr Energie, mehr Ausbalancieren, mehr Ausgleichsaufwand.
Wo das alleine nicht mehr hinhaut, muss derjenige seine Umwelt informieren - und sich gegebenenfalls eine andere, passendere Umgebung suchen.
Problematisch ist es dagegen bei Kindern und Jugendlichen.
ADHS macht sich dort am stärksten spürbar, wo stark externale Anforderungen gestellt werden: gerade in der Schule.
Da ist es sehr wichtig, Lehrer aufzuklären, was ADHS bedeutet - denn nur diese können die Lebensbedingungen ändern.
Ein Kind und seine Eltern können zwar wissen, das ADHS da ist, und versuchen, mit Medikamenten, Sport, genügend Pausen und nicht zu vielen sonstigen Anforderungen das Gleichgewicht zu halten.
Manche schaffen das auch. Doc es sind deutlich weniger als bei den Erwachsenen, weil die eigene Gestaltungshoheit sehr viel kleiner ist.
Daher müssen wir Lehrer besser aufklären.
Und Lehrer haben, anders als die Gesellschaft, eine Fürsorgeverpflichtung. Es ist ihr Job, Kinder zu verstehen, und sie optimal bei ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Das unterscheidet sie von der Gesellschaft.
Daher denke ich, dass es richtig ist, ein Lernen von Lehrern und anderen Bezugspersonen zu fordern, aber dass ein allgemeinen Anspruch an die Gesellschaft, Verständnis zu haben (erst recht, ohne dass man ihnen erklärt, wofür im Einzelfall) nicht gegeben ist.