ADHS und Bewerbungen

Puhhh, a11y… Kann ich verstehen, dass es da zu Konflikten kommt.
Ich hab mal eine Anwendung für den NDR programmiert. Da sind natürlich Konflikte vorprogrammiert (in welcher Sprache programmiert man eigentlich Konflikte?) , wenn eine öffentliche Anstalt zwar verpflichtet ist, sich an a11y Vorgaben zu halten, aber es nicht eine Person mit Sinneseinschränkungen im ganzen Unternehmen gibt. (War meine information, ich weiß jetzt nicht, inwiefern das eine übertreibung war. Zumindest nicht am einsatzort der software). Da kann man sich wahrscheinlich schon zu Tode diskutieren, das wollte ich aber gar nicht weiter ausführen.
Was ich krass fand war, dass ich halt auch einfach wie ein Ochs vorm Berg stand, als es überhaupt nur ums testen mit Tools wie screenreader etc. Ging. Theoretisch sollte man sauber programmieren und auszeichnen und ein großteil der Arbeit ist getan. Ich erinnere mich aber an diverse Probleme, wo ich nicht verstanden habe, warum der Reader nicht das getan hat, was ich wollte, wahrscheinlich auch, weil ich nicht die richtige Software am Start hatte. Das ist schon auch ein commitment, sich ernsthaft der Sache zu widmen, was schwierig ist, wenn man die software explizit für den Einsatz auf Ü-Wägen/ im außeneinsatz trimmt und das A11Y Zertifikat nur pro forma gebraucht wird. Für Menschen kann ich mich motivieren, für Zertifikate nicht. Menschen reden im Zweifel auch mit einem.
Ich sage das, ohne bewerten zu wollen. Es ist einfach ein Konfliktthema, das in der Gesellschaft noch nicht ausdiskutiert wurde und in vielen Fällen Menschen nicht gerecht wird.
Vielleicht geht es auch insgesamt nur, das Thema in der Praxis wichtiger zu machen, wenn man einen Hebel findet, um die etablierten Strukturen/Personen zu motivieren. Maschinenlesbarkeit/Semantik z.b.

Spannende Frage, nach absolut gültig und eingeschränkt gültig zu unterscheiden. Diese Sätze waren glaube ich mehr ein spontaner Dump meiner Wertvorstellungen, also ich würde die wenigsten davon als strikte Richtlinie mit der Brechstange durchsetzen. Wie du sagst, macht es hin und wieder schon Sinn, taktisch Kompromisse einzugehen, wenn es strategisch dem Ziel näher bringt. Altes aufzuräumen kann manchmal zielführender sein als alles neu zu machen. Die Entwicklung an Java (Sprache, jVM, JDK usw.) funktioniert ja so inkrementell und sie fahren damit recht gut. Ist sicher nachhaltiger als die Google-STrategie, ständig wild Sachen aufzukaufen und entweder sterben zu lassen oder den Kurs zu ändern. Wenn es mir jemand so erklärt und mir schlüssig erscheint, dass es langfristig in eine sinnvolle Richtung läuft, wäre das völlig in Ordnung für mich, ich kann mich in Geduld üben. Wie gesagt, das sind Wertvorstellungen, und die sind i.d.R. Ideale. Die Wertvorstellung „Ich will es verstehen“ fehlt noch in der Liste. In dem Sinne sind die meisten dieser Sätze mehr eine Orientierung, aber in der Umsetzung kompromissbehaftet.

Mein Problem liegt sogar eher in der Kommunikation, wenn mir mein kritisches nachbohren nicht als Engagement ausgelegt wird, sondern als Bedrohung der eigenen Position. Ich habe das Gefühl, dass vielen gar nicht klar ist, dass ich diese Werte oben als Orientierung habe. Mich kann man nicht mit ein paar enthusiastischen Bullshit-Phrasen beeindrucken und mitreißen, sondern mit einem schlüssigen Gesamtbild. Mein Denken ist mein Begeisterungsgenerator, nicht das Gehampel anderer Menschen. Manchmal habe ich mir so sehr von einem Gegenüber gewünscht, dass es die Phrasen sein lässt und mich sachlich überzeugt, um mein Commitment zu unterstützen. Stattdessen bin ich dann diejenige, die den schönen Schein stört, den guten Ruf bedroht, illoyal ist, die Autorität untergräbt, was weiß denn ich … Da soll man geschlossen auftreten und fröhlich Werbung für den supertollen HPC machen („macht eure Auswertungen schneller“), dabei war vielen Forschenden nicht klar, dass der Code entsprechend optimiert und ausgelegt sein muss (Parallelisierung), damit er den HPC ausreizen kann. Und ich krieg natürlich dann hinterher die Enttäuschung ab. Bor, meine Wut kommt langsam wieder raus.

In Bewerbungsgesprächen habe ich das Gefühl dass ich suspekt wirke, weil ich mich mehr für die Inhalte interessiere und weniger für die Unternehmensphilosophie, meine Karriere usw. Ich müsste eigentlich herumschleimen, wie traumhaft es wäre, für dieses Unternehmen zu arbeiten und wie sehr mich alles begeistert und was für eine Ehre es doch sei, Teil davon zu sein. Aber gerade über Inhalte wird ja eher ungern gesprochen, man könnte doch Firmengeheimnisse ausspionieren. Ich sollte mich auf diese Art von Rolle und Gespräch noch viel besser vorbereiten, aber es ekelt mich einfach so sehr an. Einmal hatte ich mich auf eine Promotionsstelle in der Psychologie in Mannheim (Abteilung Statistik) beworben. Die wollten von mir wissen, warum ich ausgerechnet nach Mannheim will, und in welchem Journal ich gern publizieren würde. Die Frage nach dem Journal kann man auch umcodieren in eine Einschätzung, welche Fachzeitschrift ich für wie seriös halte. Als ich im Verlauf angab, dass ich in Statistik angewandte Zielsetzungen hätte und mehr technische Hilfsmittel entwickeln will, damit mehr Menschen (Forschende und alle anderen) Statistik auf professionelle Weise anwenden können und nicht nur auf Excel-Niveau, war das Interesse merklich abgeklungen. Man wollte wohl lieber mehr Theoriepapers produzieren. Statistik hat ja das Problem, dass du Profi sein musst um die Profitools richtig zu nutzen. Meine „Begutachter“ sprachen kaum über ihre Inhalte, dabei hatte ich mir deren Papers sogar vorher durchgelesen. Der Behindertenbeauftragte saß noch dabei, was wohl auch eher Sand als Öl im Getriebe war. Und o Wunder, als ich bzgl. Lehre auf meine Blindheit zu sprechen kam, begann der Obermacker zu gendern. Wer Sternchen findet, darf sie gern behalten, die gehen mir am Arsch vorbei.

Normalität geht mir so auf den Sack, dass ich nie wieder irgendwo angestellt sein will.

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Genau, mit Maschinenlesbarkeit, Semantik, sauberen Auszeichnungen machst du schon mal einen sehr guten Anfang. Der Knackpunkt ist aber genau der, dass Unternehmen das alles aus Zwang wegen der Rechtslage und für das Zertifikat tun. Der eigentliche sinn von A11Y ist aber, dass Menschen mit Sinneseinschränkung, aber eigentlich noch viele andere, das Produkt erfolgreich nutzen können und nicht ausgeschlossen werden.

Bei der Testerei würde es deutlich mehr Sinn machen, Betroffene regelmäßig das Produkt ausprobieren zu lassen und Feedback einzuholen. In ganz frühen Stadien auch mal betroffene Mitarbeiter ranlassen, wenn es denn welche gäbe. Die können nämlich den Screen Reader bedienen und finden schnell heraus, falls richtig blöde Probleme im Weg sind. Um solche Testungen möglichst aussagekräftig zu gestalten, käme wiederum die Ingenieurpsychologie ins Spiel. Ich denke, man muss Produkte von Menschen und Workflows aus denken, nicht in erster Linie von Zertifikaten und Richtlinien aus. Validator-Tools haben hohe Raten in False-Positives und False-Negatives. Das heißt, dass sie viele ablenkende Fehlalarme schlagen und gleichzeitig viele echte Probleme nicht entdecken.

Am Ende kann man es nie 100% richtig machen und manchmal kann man es nicht allen recht machen. Daher wäre es viel sinnvoller, inkrementell entdeckte Probleme zu fixen, User-Feedback strukturiert einzuholen bzw. zuzulassen, responsiv zu bleiben. Niemand mit Sinnesbehinderung wird von dir erwarten, dass du alles perfekt machst. Aber viele freuen sich darüber, wenn du eine gemeldete Barriere weggeräumt hast. Ein endgültiges „ausdiskutiert“ wird es da im Grunde nie geben. Entscheidend ist aber immer, ob Leute von der Teilhabe an Berufs- und Alltagsleben ausgeschlossen werden.

Mir ist auch schon aufgefallen, dass bei Business-Produkten deutlich weniger auf A11Y geachtet wird als bei Produkten für den Privatgebrauch. Die UI von Whatsapp habe ich als sehr poliert und flüssig in Erinnerung, da kommt jeder damit zurecht. Ich nutze das nicht aktiv. Hingegen sind viele Produktivitätstools für Projektplanung, oder auch Google Docs und Sheets, sehr schlecht zugänglich. Und nein, der angebliche Screenreader-Modus funktioniert nicht, oder nur unter großen Verränkungen und durch Totkonfigurieren meines Screen Reader. Business wird schließlich von Gesunden gemacht, da gibt es keine Behinderungen. Und es reicht ja, viele Hilfeartikel in der Suchmaschine zu plazieren, damit die Welt beruhigt ist.

Da fallen mir zu Deiner „Träum-weiter-Liste“ :wink: noch einige Punkte ein.

  • Keine Idee ist so gut, daß nicht jemand eine bessere haben kann oder man sie gemeinsam verbessern kann
  • Es ist nicht Defätismus, wenn man - bevor man Aufwand betreibt - genauestens überlegt, was alles schiefgehen kann und ob man etwas dagegen tun kann und wenn ja, was, um unötige Umwege, Verzögerungen oder Mehraufwendungen zu vermeiden (Wenn es keine Gründe dafür gäbe, dann hätte man sich nicht dafür entschieden. Deshalb ist es nun wichtig zu überlegen, was dagegenspricht (anstatt sich weiter zu bestätigen und auf die Schulter zu klopfen) um zu vermeiden, daß man vor lauter Euphorie die Stolperdrähte übersieht und auf die Nase fällt*)
  • Man sollte sich Weichenstellungspunkte suchen, an denen besonders kritisch geprüft wird, ob der Weg noch paßt, ob man ggf. Anpassungen vornehmen muß, denn es wäre sehr ärgerlich und teuer, zwei Wochen Arbeit zurückspulen zu müssen.

Das sind die, die mir jetzt auf die schnelle eingefallen sind. Ja, es fällt einem einiges ein, wenn man sieht, wie eine Firma zwei! Jahre lang eine Prozessumstellung vorsieht und plant und mit dem scharfen Start dann plötzlich nur noch 25% produziert werden, wegen eines schon lange bestehenden Problems, welches man schon lange beheben hätte können und sollen und für welches jetzt Leute eingestellt werden, die natürlich die Prozesse nicht kennen und nach einem halben Jahr hat man den Produktionsrückstand von über einem Monat immernoch nicht aufgeholt und die Kunden fangen langsam an, sich nach Alternativen umzuschauen. Dann wird es nämlich existenzbedrohend. Aber die Leute, die das so stümperhaft angeleiert haben bekommen dick Kohle, da seit Euch mal sicher…

Ich bin es so leid, aber mich schauen die ja mit dem Arsch nicht an…

*Wenn Du herausfinden willst, ob alle Raben schwarz sind, dann kannst Du nach dem ersten schwarzen Raben aufhören weiter schwarze Raben zu suchen, denn Du hast einen Grund für Deine These. Ab jetzt mußt Du überall, wo sich Raben aufhalten könnten nach nichtschwarzen Raben suchen. Denn ein weiterer schwarzer Rabe stärkt deine These nicht mehr oder nur in sehr geringem Maße, aber ein einziger nichtschwarzer macht sie zunichte. Warum können sich die Leute nicht abgewöhnen, weiter schwarze Raben zu suchen und freuen sich auch noch über jeden, den sie finden? Und richtig lächerlich wird es, wenn sie Nicht-Raben sammeln. [ich weiß nicht mehr, von wem das Beispiel ist, hab es von William Poundstone und ich liebe es]

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Volle Zustimmung zu deinen Punkten, das wäre Agilität. :wink:

Genau, im Grunde kann man immer etwas finden, das oberflächlich gegen einen Ansatz spricht. Dennoch muss man handeln und dafür Abwägungen treffen. Keine Situation ist risikofrei oder absolut sicher, auch wenn man das Risiko nicht sehen mag. Trotzdem zu handeln und nicht zu resignieren ist Risikokompetenz.

Das mit den schwarzen Raben ist wahrscheinlich eine Abwandlung von Carl Poppers kritischem Rationalismus und dem Beispiel mit den schwarzen Schwänen. Da gibts viele Varianten.

  • Universalhypothesen (Allaussagen) kannst du höchstens widerlegen, aber nicht beweisen. Ein schwarzer Schwan würde bereits die Allaussage „Alle Schwäne sind weiß“ widerlegen. Du kannst nach schwarzen Schwänen suchen und suchen, aber auch wenn du immer nur weiße findest, hast du die Allaussage nicht bewiesen, sondern nur „nicht kaputt gekriegt“, also untermauert. Der schwarze kann immernoch irgendwo lauern.
  • Existenzhypothesen sind das Gegenstück. Sie kannst du höchstens beweisen, aber nicht widerlegen. Die Aussage „Es gibt schwarze Schwäne“ hast du bereits durch Entdeckung eines schwarzen Schwans bewiesen. Widerlegen könntest du sie nur, wenn du wirklich alle Schwäne dieser Welt geprüft hättest, und das ist praktisch in den meisten Fällen unmöglich.

So, das war der Klugscheißerausflug in die Wissenschaftstheorie. :wink:

Edit: Die empirische Wissenschaft basiert darauf, nichtschwarze Raben zu suchen und nicht immer nur schwarze. Sie versucht, Allaussagen zu widerlegen und behält diese bei, solange sie nicht durch nichtschwarze Raben widerlegt wurden.

Sag mal (auch andere mitlesende Devs): Fallen euch konkrete Fragen ein, die man zuerst googelt, wenn einem „Mach mal A11Y“ aufgetragen wird? Ich bin gerade am Marketingkonzept und will es so auslegen, dass es von Devs gefunden wird. Ich könnte mir z.B. vorstellen, dass man erst mal bei der Rechtsgrundlage landet und gern eine knappe Zusammenfassung hätte, was eine gute Minimalgrundlage wäre um erst mal rechtskonform zu werden und dann in Ruhe vernünftig weitermachen zu können. Wenn ihr da konkrete Einfälle zu Themen habt, würde mir das weiterhelfen.

Ja, schwarze Schwäne gibt es aber, ist damit ein schlechtes Beispiel. :wink: Und was ich „dazuscheißen“ kann: „Jede Verallgemeinerung ist gefährlich, selbst diese!“ Weiß nicht mehr von wem (auch bei Poundstone gefunden) und bin zu faul zum suchen. Das ist halt Erkenntnistheorie. Es ist aber ein Unterschied, das theoretisch herunterbeten zu können, oder es verinnerlicht zu haben und diese Problemkategorien zu erkennen und dann entsprechend zu handeln. Im Grunde wie beim ADHS. Ich merke, wenn es aus dem Ruder gelaufen ist, und was ich hätte tun müssen, aber dann ist es eben zu spät. Was ich wissen und bemerken muß ist, wenn es anfängt aus dem Ruder zu laufen.

Und wie vieles andere ist es eine Mindsetfrage. Bin ich bereit, zum Erreichen des Ziels auf meine Freudentänze und Selbstbeweihräucherung zu verzichten und mein Ego hinten anzustellen? Trifft auf die meisten der Punkte der Liste zu und die meisten sind es nicht.

Ich hab eine ganze Weile als Bauleiter gearbeitet und auf dem Bau gilt: Plan A funktioniert meistens nicht. Deshalb sollte man immer einen Plan B in der Tasche haben. Und weil Plan B oft auch nicht funktioniert, ist es nie verkehrt, sich über Plan C schonmal Gedanken gemacht zu haben.

Risikofrei gibt es nicht oder ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, das ist klar. Man kann aber den Schaden im Eintrittsfalle beschränken - das ist auch Risikomanagement. Und „Risikofrei gibt es nicht“ ist kein guter Grund, einfach mal blauäugig loszurennen. Und in dem beschrieben Falle wäre man auf das Problem gestoßen, wenn man sich entsprechende Gedanken gemacht hätte und die Anforderungen für die Umstellung waren lange vorher klar, bzw. jedem, der da ein bisschen Ahnung hat, bewußt. Man hätte alle Zeit der Welt gehabt, es zu beseitigen (eigentlich ist es auch nur Schlamperei gewesen, daß es das überhaupt gab) - bereits eine einfache Checkliste „Hab ich was ich brauch?“ hätte gereicht, um darauf zu stoßen.

Nachtrag:

Edit: Die empirische Wissenschaft basiert darauf, nichtschwarze Raben zu suchen und nicht immer nur schwarze. Sie versucht, Allaussagen zu widerlegen und behält diese bei, solange sie nicht durch nichtschwarze Raben widerlegt wurden.

Genau und deshalb sind nicht mal die Newtonschen Axiome Gesetze geworden. Denn das beste, worauf man hoffen kann, ist eine oft bestetigte und trotz Versuchen nie widerlegte Theorie. Echte Beweise gibt es nur in der Mathematik…

Wenn ich Mal kurz einhaken darf, ohne eure ‚Popperei‘ (entschuldigt das anstößige Wortspiel) bis jetzt gelesen zu haben. Das liegt aber daran, dass das Leben gefährlich ist, da es ohne Verallgemeinerungen nicht geht. Wenn man sich Mal bewusst wird, wie viele Versllgemeinerungen man in jeder Sekunde seines Lebens trifft, um es zu meistern und sich zurecht zu finden, ist der Satz zwar nicht sinnfrei, aber relativ informationsfrei.
Mein Lieblingsbeispiel ist Newtons Mechanik. Ist eine falsche Verallgemeinerung, funktioniert aber in den allermeisten Fällen des täglichen Lebens und ist, wenn man es sich genau überlegt, lebensnotwendig. Um mich zu bewegen, auf Zebrastreifen vor Autos oder säbelzahntigern flüchte rechne ich zwar keine klassischen Differentialgleichungen in Echtzeit, aber meine internalisierten Modelle der Wirklichkeit funktionieren mit Sicherheit nicht relativistisch und sind (wie selbst Einsteins einfach relativistische Welt) deshalb Verallgemeinerungen, die zwar funktionieren, aber im Endeffekt doch falsch sind.

Edit: Noch eine Verallgemeinerung auf der meta ebene:

Ausnahmslos alles, was wir tun oder denken, beruht auf Verallgemeinerungen. Wir benutzen Konzepte um die Welt zu ordnen und das sind Verallgemeinerungen. Deshalb ist obiges Zitat, wenn man es genau betrachtet frei von Information. Die Welt in der wir leben ist eine Welt der Konzepte und Verallgemeinerungen und diese machen es genauso möglich sicher zu leben wie gefährlich zu leben.

  1. Das Beispiel ist sogar dafür bekannt, nicht optimal zu sein. Im Grunde finde ich aber sowieso, dass Beispiele vom Prinzip ablenken. Da ich blind bin und solche Dinge nur durch andere erfahre, ist es mir sowieso unangenehm, solche Beispiele zu nutzen. Wenn es ganz nach mir ginge, würde ich hauptsächlich in abstrakter Theorie formulieren.
  2. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diese Theoriegrundsätze nicht nur „runterbeten“ kann, sondern auch verinnerlicht habe und mein Leben stark danach ausrichte. Hin und wieder ist es aber gut, sie auszuformulieren. Nervt mich langsam, dass einem das so leicht unterstellt wird, nur weil man sich nah an der Theorie ausdrücken kann.
  3. Dazu gehört auch, dass jede Erkenntnis vorläufig ist. Sich dem aktuellen Kenntnisstand trotzdem zu committen verhindert aber das Abrutschen in Beliebigkeit. Wie @soerenP schon meinte, schon aus Effizienzgründen muss man Entscheidungsmodelle anwenden, die verallgemeinern. Newton wird ja noch benutzt, aber seine Allgemeingültigkeit wurde widerlegt.
  4. Ich plädiere nicht für „blauäugig losrennen“, sondern für informierte Entscheidungen und für das Antizipieren von Risiken, um vorab Strategien für Schadensbegrenzung zu entwickeln.
  5. Genau, das Ego steht meistens hinter all dem zurück, und das ist vielen leider suspekt.
  6. Ja, mathematische Beweise beweisen Existenzhypothesen, wie auch die formale Logik (Aussagenlogik usw.).

Bei dieser ganzen Philosophie geht es weniger um die konkreten Konzepte, sondern ums Tuning der Konzepte. Zu sagen „Weil wir sowieso mit Konzepten arbeiten, ist jedes Konzept gleich gut“, wäre philosophischer Relativismus. Es geht darum, dass das Weltbild und die Konzepte adaptiv bleiben, aber nicht in Relativismus versinken.

Pragmatisch gesehen wird fröhlich alles benutzt an Konzepten, was gute Vorhersagen liefert. Um richtig oder falsch geht es da sogar weniger, sondern um die Gültigkeitsbereiche. Ein Physiker würder eher nicht sagen „Newton ist falsch“, sondern „Seine Allgemeingültigkeit wurde widerlegt“ oder „Die Grenzen seiner Gültigkeit wurden gefunden.“

Nachtrag: Relativismus in der Philosophie meint nicht Einsteins Relativitätstheorie, die war vorhin nicht gemeint. :wink:

Oder eher auf einer kontinuierlichen Skala einzuordnen.
Eine andere, weitestgehend unabhängige Skala wäre dann z.b. ‚wahrscheinlichkeit, dass mein Gegenüber gegenteilig handelt‘.

Oder ‚glaubenssatz würde u.u. mir auch unter gleich denkenden auf die füße fallen‘. 'glaubenssatz fällt mir nur im Umgang mit anders strukturierten Menschen auf die Füße "

Genau, im Prinzip ist es halt immer wieder eine Challenge, sich selber die Frage zu stellen, was am besten zum Ziel führt. Schlimm wird es, wenn man nur eine Strategie kennt. Noch schlimmer, wenn das gegenüber nur die gegenteilige :wink:

Darf ich da herauslesen, dass du der querolierende adhsler in der Firma bist, der im Prinzip die Prozesse besser durchschaut hat als alle anderen, aber eigentlich nur die Server wartet? (Ohne Ironie und mit eingebauten übertreibungen, die eher der Anschaulichkeit dienen sollen als dass ich sarkastisch für die Gegenseite argumentieren würde…)
Die Rolle kennen wir hier scheinbar aus eigener Erfahrung… :slightly_smiling_face:

In dem Zuge kann ich übrigens ‚adhs im beruf‘ von Lachenmeier empfehlen. Da gibt es gute Beispiele, die in die Richtung gehen.

Ja: „was mache ich, wenn mir ‚mach Mal a11y‘ aufgetragen wird“?
Oder : „a11y abkürzung“ :rofl:

Sind zwar Scherze, aber vielleicht ist ein Quäntchen Wahrheit drin.

Es ist wahrscheinlich sehr abhängig davon, auf welcher Ebene du arbeitest. Ich habe beispielsweise einen Prüfbericht bekommen und habe mich auf einer sehr konkreten Umsetzungsebene befassen müssen, dementsprechend mich eher um Tools und die Bedeutung von aria-attributen gekümmert.

Ansonsten wäre natürlich wichtig, wer mich fragt und wofür das gebraucht wird. Wenn rechtliches gefragt ist im allgemeinen, würde ich das googlen. Wenn Probleme von betroffenen Nutzer:innen geschildert werden, das. Ich gehe davon aus, dass man aber schon Recht hoch in der Hierarchie sein wird, wenn man sich mit konkreten rechtlichen Themen beschäftigt. Oder eher im Produkt tätig, also kein umsetzender Dev.

Im allgemeinen ist wahrscheinlich in Scherz No.1 die meiste Wahrheit: ich würde meine Suche sehr konkret mit meinem Auftrag beginnen, dem geschuldet, dass praktisch null Vorwissen herrscht.

Die Frage deinerseits sollte also vielleicht lauten: „welche Aufträge bekommen devs oder deine Zielgruppe“?

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Sehr schöne ergänzung. Beinhaltet die Erkenntnis, dass die Allgemeingültigkeit eh nicht existiert und somit nicht widerlegt werden muss. Ich mag es, wenn Leute diesen Sinn für möglichst präzise Aussagen haben :slightly_smiling_face:

(Sorry, ich springe etwas)
Ich hab das Kit dem theoretischen herunterberen nicht so sehr auf dich bezogen interpretiert, sondern das könnte auch auf die Allgemeinheit und seine praktischen Erfahrungen bezogen sein.

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Stimmt, die Allgemeingültigkeit an sich muss nicht widerlegt werden. Dass die meistens irgendwann endet, ist Teil des Frameworks. Die Widerlegungsversuche für die jeweiligen Theorien oder Konzepte sind aber extrem wichtig und notwendig, eben um gezielt die Grenzen der Gültigkeit bzw. den Gültigkeitsbereich zu finden. Wenn du nur Bestätigungen suchst, wirst du die Grenzen wahrscheinlich nicht finden oder zumindest deutlich langsamer.

Ich bin ebenfalls ein großer Fan präziser Formulierungen. :smile: Denk bei diesem Thema liegen wir hier aber alle gar nicht so weit auseinander von der Grundeinstellung her. Das Risiko für Missverständnisse durch sprachliche Inkompatibilität ist inzwischen bei dieser Diskussion höher als das für einen tatsächlichen Dissens. :wink:

Natürlich hat @Ben.Blake nicht so unrecht, auch wenn man es diplomatischer formulieren könnte. Dass jemand sowohl philosophieren als auch anwenden kann, kommt eher selten vor. Dieses allgemeine „XYZ ist eine Sache, ABC eine ganz andere“ kommt halt schon etwas bräsig mansplainig rüber. :wink: Besser wäre vielleicht „Hab schon oft erlebt, dass Leute nur entweder theoretisieren oder machen können, aber selten beides.“ Dann können angesprochene sich eher aussuchen, ob sie sich gemeint fühlen wollen.

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Nee, halt Missverständnis. Ich bin für ihn in die Bresche gesprungen, weil ich glaube, dass du ihn missverstanden hast!
M.e.n. hat er nicht dich gemeint mit herunterbeten!

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Ja, das ist mir nach einer Weile auch deutlich geworden, dass es diese alternative Interpretation gibt und dass die wahrscheinlicher zutrifft. Inhaltlich stimme ich ihm dann sogar zu. Im Mündlichen würde so was viel weniger passieren, da gibt es genug Signale. Das Schriftliche lässt viel mehr Interpretationsspielraum zu, das macht das Wie in den Formulierungen deutlich wichtiger.

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Hübsches Wortspiel! :joy: :rofl: :joy:
Ich glaube zwar, daß die Aussage ursprünglich rein Argumentativ gemeint ist, aber Du hast da grundsätzlich recht und bist irgendwie doch knapp am Problem vorbei. Das alles sind Gründe, daß man eine Verallgemeinerung nicht ohne weiteres als Freifahrtschein benutzen darf, um den Kopf auszuschalten. Ich vermeide übrigens nach Möglichkeit Wörter wie „alle“ oder „immer“ und sage dann spezifischer „alle, die“, „die meisten“, „immer wenn“, „sehr oft“ und das ist nicht igendein Kniff, um mich durch ein Hintertürchen unangreifbar zu machen (nicht daß es was helfen würde, die Menschen hören, was sie hören wollen und das ist dann eben alle und immer :roll_eyes: ) sondern weil ich es für die richtigere Formulierung halte. Und das wichtigste ist, daß die Worte stimmen (Konfuzius).

Würdest Du bei grün über eine Fußgängerampel gehen, ohne zu gucken, nur weil Du bei Dir abgelegt hast „Immer, wenn ich grün habe, kann ich über die Straße gehen, wel dann alle Autos halten“? Ich nicht. Der Aufwand ist minimal, ich bin ungeschützt, wäre also gegen ein Auto immer zweiter Sieger und Autofahrer pennen auch mal. Ich wär’ ja blöd!

Das könnte jetzt ein bisschen OT werden, aber die Erlaubnis des Erstellers vorausgesetzt… Und am Ende geht dann doch um die eine wichtige Frage „Warum handeln Menschen so, wie sie es tun?“ Deren Beantwortung uns das Leben so viel leichter machen würde.

Newtonsche Mechanik ist ein tolles Beispiel - man könnte meinen, die Physiker hätten es verstanden (hätte Planck 1901 wahrscheinlich anders gesehen :wink: ). Die Newtonsche Mechanik ist ein Modell und Modelle haben Gültigkeitsgrenzen. Dieses gilt, solang der Quantenmechanische und der Relativistische Einfluß klein ist in sehr guter Näherung. Also: wesentlich größer als Elementarteilchen, „kleine“ Entfernungen - alles weiß ich jetzt nicht ohne nachzuschauen, denn es spielt für mich im täglichen Leben keine Rolle. Wenn mir ein Schlüssel runterfällt, könnte ich die Quantenmechanik (oder war’s die Relativitätstheorie, oder beide?) benutzen, um zu bestimmen, wie lange es dauert, bis der aufschlägt, aber warum sollte ich, ich bin im Gültigkeitsbereich der Newtonschen Mechanik und die ist viel handlicher.

Und das sollte eigentlich überall gelten und man muß sich überlegen, wann man den Bereich verläßt, in welchem die Verallgemeinerung gilt, ob es den Aufwand wert ist usw. Und das tun NTs (ich hab noch nicht herausgefunden, ob das auch für ADHSler gilt und bei denen sekundär, also erlernt ist, wenn sie es nicht tun - bei mir könnte es eben auch mein Autismus sein) eben üblicherweise nicht. Mein Vater meint immer mal wieder „Der weiße Geradeauspfeil auf blauem, runden Schild heißt, daß man nur links abbiegen darf, wenn nichts grünes (heute blaues) in der Nähe ist.“ - Das gibt volle Punktzahl. Wenn das alle so machen würden, würde vieles besser funktionieren, es gäbe weniger Mißverständnisse, es gäbe weniger Ressourcenverschwendung usw.

Und deshalb ist dieses Zitat eben nicht frei von Information, man muß eben nur überlegen, wann einem diese Information etwas nutzt und wann man sie einfach in den Skat drückt.

PS: Du wirst ja auch ein bisschen OT, aber es macht Spaß. Und bei solchen Fragen eine Psychologin dabeizuhaben ist äußerst praktisch :wink: