ADHS und Musik :)

Hey du,

danke das du meinen Kommentar gelesen hast :knuddel

Ich war nie beim Arzt deswegen, Ende der 70er / Anfang der 80er gabs das Thema ADHS noch nicht.
Ich bin auch eher der ADS-Typ, der Träumer.
Hyperaktiv bin ich aber bei meinen Tics (früher wie beschrieben das Hin- und Herwälzen im Bett), heute ist von den Tics noch mein Tourette geblieben.
Etwa 500x am Tag muss ich mit den Armen schnicken (sieht aus wie ausschütteln). Das dauert immer nur ein paar Sekunden und ist für mich wie ein Ventil.
In dem Moment fühl ich mich befreit und entspannt. Danach ist aber leider die Anspannung wieder da und 2-3 Minuten später hab ich den Tic wieder.
Ich kann ihn aber auch mehrere Stunden unterdrücken, wenn andere Leute um mich sind.
Denn ich möchte, dass niemand sieht, dass ich an Tics leide. Zum Glück habe ich keine Lautäußerungen dabei.
Ich glaub ich konnte es bis auf meinen Eltern allen verbergen.
Ich habe es schon früh gelernt mich ganz normal zu verhalten, wenn ich unter Menschen bin, aber die innere Nervosität ist immer da.

Dennoch bin ich aber auch ein lustiger Typ, ich hab immer bunte Ideen im Kopf, bin gern kreativ, mag gerne bunte Farben (mein Auto ist türkismetallic) und liebe Wortwitz.
Deshalb habe ich meinen Nick so genannt. Ich habe 1000 Emotionen in mir und irgendwie bin ich auch stolz drauf.
ADHS hat auch Vorteile.
Bei Medis habe ich Angst auf Nebenwirkungen oder das sie mir meine Kreativität oder das kritische vielschichtige Denken nehmen.

Wenn man googled adhd music: <LINK_TEXT text=„Index of Blogs | Psychology Today … -adhd-ears“>Music for Your ADHD Ears | Psychology Today</LINK_TEXT>

Hi!

Ich wollte mal aus der Sicht eines Quasi-Profis einige meiner typisch neurountypischen Erfahrungen wiedergeben, die glaub ich das Feld Musik ganz wiedererkennbar mit den generellen ADHS-Problematiken verlinken.
Ich sage Quasi-Profi, weil ich zwar mein Instrument studiert hab, und zwar endlos lange (Konservatorium hier, Hochschule da, Konzertexamen und und und), dabei immer als Geheimtalent gehandelt wurde, welches „nur noch“ dies und jenes braucht, um aufzublühen, aber „dies und jenes“ kam eben nicht, egal wieviele Aufbaukurse, tolle Lehrer und sonstige „künstlerische Selbstfindungen“ ich durchlaufen hab.

Einige Aspekte nehmen dabei einen neurortypischen Ausgang, laufen aber ziemlich merklich über.
Das klassische Beispiel ist ja Lampenfieber. Bei mir sehr krass, schon im Tagesvorfeld eines Vorspiels durch massiven Reizdarm angekündigt. Nach den „grossen Momenten“ auf dem Klo folgt endlich der auf der Bühne: Die Finger rigide, zittrig, bin ich besessen fixiert auf das Hier- und Jetzt, wo es kein Raus gibt, weder physische Bewegung, noch zeitliche: Meine Gedanken kreisen spiralförmig um den Beginn des Stücks, was zur erschrockenen Feststellung führt, dass ich die nächsten Takte schon nicht mehr weiss, und es dem Zufall überlassen muss, ob sich die Finger noch dran erinnern werden – und so wird jeder sukzessive Augenblick im Vortrag zur verzweifelt angeklammerten Planke im Schiffbruch - bis sich unweigerlich das Blackout einstellt und der Ozean einen verschluckt.
Natürlich ist auch im überlebten Drahtseilakt die Interpretation für die Katz, da das Von-Moment-zu-Moment-Tasten das Fliessen in der Musik, was alle Ausdruckskraft und Körper-Geistesgegenwart verlangt, boikottiert: Ich spiele flach, unrhythmisch, zusammenhanglos, was übrigens exakt meinen Sprachduktus wiedergibt: Ich „murmele“, spreche monoton und verliere den Faden, schon auf grammatischer Ebene, weil ich mir die Sätze immer ad hoc im Kopf konstruieren muss, während mir die wortgefassten Gedanken, die ich formulieren will, ebenso wie Musikphrasen, augenblicklich-sukzessiv entgleiten, ein in jedem Moment von vorn Anfangen im Ringen nach den passenden Worten.

Was das Körperliche angeht, zu den Auswirkungen auf meine Gesundheit schrieb ich bereits in meiner Forums-Vorstellung: Rückenblockaden bis zur Bandscheibenprotrusion und Sehenscheidenentzündung machen, dass ich - heute noch - nicht länger als 10 Minuten schmerzfrei spielen kann.
Die extreme Angespanntheit und Steifheit wirkt sich aber ebenfalls negativ auf die Musikalität qua technischen Ausführung aus, davon unabhängig, wie fingerfertig man ist (und ich bin sehr fingerfertig): die Fehlerquote explodiert, weil die Flexibilität fehlt; breite Bewegungen ermöglichen grössere Handlungsflächen, wo Unregelmässigkeiten im bewegten Fluss leicht kompensiert werden; ist man hingegen auf jedes punktuelle Ereignis (Note) fixiert, führt jede kleinste Abweichung zum hörbaren Fehler (fehlgeleiteter Perfektionismus).

All dies hat meine Vorspiele zu jedesmal höchst unbefriedigenden und peinlichen Erlebnissen gemacht, trotz stets grosser Erwartungen flog ich bei jedem Wettbewerb mit einer kläglichen Vorstellung in der ersten Runde raus, auch sonstige Vorspiele hab ich vor Versagensangst wie Finger die Flamme immer mehr gemieden und bin - im selbst vorgetäuschten Glaube, ich müsse mich einfach noch weiter perfektionieren, - zum Stubenspieler geworden.

Die „Stube“ ist das Stichwort, was mich zum anderen Hauptthema führt: Übegewohnheiten. Mein Üben war stets von Zwanghaftigkeit geprägt, wovon das an erster Stelle Schlimme die Tatsache war, dass es sich nach aussen bewährte, ganz analog wie sich auf andere Lebensbereiche angewandte Taktiken zur Vortäuschung von Fertigkeit und Vorzüglichkeit bewährten, indem sie mir Anerkennung der Anderen und dadurch momentane Selbstakzpetanz sicherten (eine Ausnahme dieser Unbemerktheit ist mir bis heute eingebrannt geblieben als mein damaliger Professor, innerhalb eines Wochensymposiums, mich einmal in der Residenz zufällig vom unteren Stockwerk aus üben hörte, entsetzt in mein Zimmer stürmte und mir das Instrument aus der Hand riss - da hatte es bei ihm zumindest klick gemacht).

Zwanghaftes Üben heisst, nicht aufhören können zu spielen, dabei aber nicht wirklich „da“ sein, sondern unreflektiert und ungefühlt immer wieder dieselben schwierigen Stellen wiederholen, bis man irgendwie weiterkommt. Dabei übe ich imgrunde so, wie ich süchtig Computer zocke, blind immer wieder dieselbe Hürde wiederholend bis ich sie irgendwie passiere. Und wie beim Computerspiel gibt die alleinige Befriedigung die Tatsache dass man, trotz zich Toden, die man sich als Zocker ja leisten kann, am Ende das Level schafft und die Prinzessin rettet (deswegen ziehe ich das Zocken dem Leben vor, da mir bei letzterem die permanenten Fehlversuche viel teurer zu stehen kommen und die Prinzessin mitunter längst mit dem Drachen durchgebrannt ist während ich mir die Schnürsenkel nach dem x-ten Fall zubinde). Dieses Phänomen entlarvt sich mir in seiner Absurdität jedesmal wenn ich, nach längerem Übeaussetzen das Instrument wieder nehme und feststelle, wie viel besser ich als sonst spiele. Ja, ich übe so, dass ich mich musikalisch verschlechtere und dies führt mir vor Augen, wie ich meine Lebenszeit in den Sand stecke, selbst wenn ich, anstatt zu Zocken, meine Zeit doch „sinnvoll“ verbringe - wobei mich die Resignation in schwachen Momenten wiederum zum Zocken führt.

Wie gesagt, nach aussen wirkt das, selbst zeitweilig bei Kennern, verblendend, da ich durch besessene Insistenz die schwersten Stücke spielen kann. Manche rechnen es mir in ihrer Verblendung noch als Vorzug an, dass ich nicht einfache Stücke, dafür schwierige spielen kann, fern der Evidenz, dass schwierige Stücke in ihrem Feuerwerk die Mängel verdecken, während sie bei einfachen unbeschmückt zutage treten. Die meisten meiner Lehrer erlagen (notwendig) dem Trugschluss, dass es besser war, mir schwere Stücke zu geben, weil diese mich mehr motivierten; klar, als Dopaminsüchtiger war ich immer auf der Suche nach dem Kick, der mir mein einziges Vitalitätsgefühl zuführte, ansonsten stellte ich mich geistig ab.

Ein anderer Verblendungseffekt aus der Kategorie „ADHS ausgeschlossen“ ist das Auswendiglernen. Oh ja, ich kann wahnsinnig viel auswendig lernen, eben weil ich immer wieder dasselbe - bis zum erbrechen – durchspiele. Aber das ist ein rein physiologisches Gedächtnis, in meinen Fingern abgespeichert, nicht in meinem Geist vollzogen, was die Tatsache beweist, dass ich ein erlerntes Stück nur im Block, von Anfang bis Ende spielen kann, während ich an konkreten Passagen mitten im Stück kaum ansetzten, sie mir nicht mal vorstellen, nachsingen oder visuell als Noten darstellen kann.

Letzter Aspekt den ich hier noch nennen will, ist das Zusammenspiel mit Anderen. Da ich zu 90% immer solistisch unterwegs war, musste ich mich nicht viel damit konfrontieren, aber die gemachten Erfahrungen waren wieder einmal ernüchternd. Schmerzlichstes Beispiel, ein Duo – immerhin nur zwei! – welches ich aufbauen wollte, wo der Partner, nach mehreren Malen, nachdem er wutentbrannt und heulend die Probe abbrach, weil ich beim Spielen überhaupt nicht zuhörte, „mein Ding“ durchzog, und imgrunde nur die Noten spielte, entschied, nur noch unter Drittanleitung mit mir proben zu wollen.

Denn auch das ist bemerkenswert, unter solch „Drittanleitung“ schaffe ich es auch, einen Qualitätssprung und gute Musik, auch mit anderen, zu machen. Viele, die mich in diesem Übergang erleben, meinen, es spielten zwei vollkommen andere Personen. Aber, so scheint es bis jetzt,klappt das eben nicht ohne Anleitung. Ich habe schon in meiner Vorstellung hier meinen Musikcoach erwähnt, mit dem ich vor fünf Jahren begann zu arbeiten, der erstaunlich viel aus mir rausgeholt hat, aber zu fast jedem Beginn aller unserer Sitzungen musste er mich erst mal auf 0 dekonstruieren um mich auf die Spielhaltung und Wahrnehmungsebene zu bringen, auf die ich von mir aus einfach nicht kam. Ich erfreute mich an den tollen Ergebnissen, die das Umdenken in mir und der Musik verursachten – weswegen ich die Sitzungen zu meinen schönsten Lebensmomenten zähle – aber einverleiben konnte ich mir das Umdenken leider bis jetzt noch nicht. Meine Arbeit wurde von einem Konzert gekrönt, welches ganz gut lief, aber seit zwei Jahren, in denen ich fernab vom Coach gezogen bin, ist meine musikalische Aktivität wieder eingesackt und ich bin wieder in eine tiefe Resignationsphase gefallen (siehe Computerspiele).

Eins noch zum Thema „zuhören“, dieses Defizit spüre ich auch bemerkbar bei der Lehrtätigkeit, wo ich stark darin begrenzt bin, sowie meine eigene, erst recht fremde Darbietungen zu analysieren und Baustellen zum erarbeiten aufdecken. Qualitätsmerkmale zu unterscheiden fällt mir enorm schwer, da Musik für mich quasi nur in meinem Kopf existiert, und dort ist alles „gut“ oder eher: einerlei. Aber ich will hier nicht das Fass Lehrer und ADHS weiter aufreissen.

Jetzt will ich mich wieder hochrackern, habe schonmal das Instrument wieder ausgepackt und fange ganz konsequent mit leichten und mittelschweren Übungen an, die nicht anspruchsvoll sind aber viel Raum zum Atmen und frei gestalten geben, wo ich von anspruchsvoller Musik sofort in den Zwangsmodus versetzt werde. Dabei fällt es mir immer noch vertraut schwer, nach kurzer Spielzeit eine Pause einzulegen und körperlicher und mentaler Obtrusion zu entgehen.
Da mein Bewusstsein, dass es nur mit spezifisch musikalischer „Behandlung“ nicht getan ist, in der zeitlichen Summe meiner Erfahrung wieder ausgeschlagen ist, liebäugel ich wieder (ich tat es schon vor 5 Jahren, als ich mich dem ADHS-Test mit „Verdacht auf“ unterzog) mit Medis. Man hört ja immer wieder, dass die üblichen Pillen eine der Musik und ihrer Anforderung nach freiem expressiven Fluss nicht zuträgliche geistige Eingekapseltheit verursachen. Ich bezweifele aber, dass mich die Medis so „geschlossen“ machen wie mein eigener lebenslanger (pathologiebedingter?) mentaler Habitus: zum „Roboter“ habe ich mich, wie ihr sehen konntet, ganz ohne Medis selbst gemacht, fliessband-zwanghaftig geübt, mechanisch-seelenlos von ein zum anderen Jetzt gespielt, null im Dialog mit anderen gespielt…
Heisst natürlich nicht im Umkehrschluss, dass Medis meine Musikalität fördern werden, erst recht nicht die Arbeit durch Reflektion mit kompetenten Musikern ersetzen können, aber wenn sie mich nur irgendwie von meinen mentalen Zwängen und Engen befreien, wird es gut für mein Leben nicht weniger als für meine Musik sein, und wie schön wäre es, mich von der Abhängigkeit von fremder Anleitung ein Stück zu befreien, hier und überall…

Sorry für den Batzen Text, wenn es euch anstrengend vorkam… Wie sind eure Erfahrungen mit musikalischen Selbstfindungsprozessen, mit oder ohne Medis?

Dear all, vorsorglich im Beitrag darüber - oder darunter - nochmal der Hinweis, @morpho auf keinen Fall für seinen Beitrag zu danken. Denken, nicht danken! Dies ist keine Übung. Danke!

:nothere

Faszinierend, @morpho.

Erlaubst Du eine Nachfrage, weil ich selbst leider mehr konsumiere als kreiere?

Jemand, der „breite Bewegungen“ macht: Das wäre doch jemand, der sich ein „Malen nach Zahlen“ vornimmt mit dem Ziel und Anspruch, daraus ein impressionistisches Bild zu machen.

Und jemand, der auf ein die Linien und auf Genauigkeit achtet… der malt weniger gut?

Weiß man wirklich bei allen „Impressionisten“, dass sie gut innerhalb der Grenzlinien bleiben könnten, wenn sie nur wollten? Oder nimmt man das zu ihren Gunsten aus eigener Unsicherheit oder Eigensabotage an? Kommt denen nicht nur die impressive Wirkung breiter Bewegungen zugute?

Gerhard Richter zum Beispiel hat ja immer erst sehr exakt und photorealistisch gemalt und ist dann - weil er nicht wollte, dass sein persönlicher Pinselstrich sichtbar wird - nochmal mit einem breiten Pinsel über alles drübergegangen, soweit ich weiß.

Muss nicht das eine vor dem anderen kommen? Übst Du nicht genau richtig?

Lieber @morpho ,

das wird jetzt sehr profan (sorry schonmal dafür): Mir ist nicht klar, inwiefern das automatische Üben, ohne mit der Aufmerksamkeit voll dabei zu sein, zwingend aus dem ADHS resultieren muss.

Vor ein paar Jahren habe ich das Netz mal nach Übetechniken für Musikinstrumente abgegrast. Eine der diversen Empfehlungen war, möglichst nicht die Fehler einzuschleifen (immer wieder die selbe Stelle auf gut Glück und zu schnell, bis sie dann doch gelegentlich mal hinhaut), sondern mit Bewusstheit und Variation zu üben. Die Details erspare ich Dir, ist Dir sicherlich alles vertraut.

Mein Punkt ist:
Klar, das Nicht-Automatisierte braucht exekutive Funktionen, man könnte also sagen, mit ADHS wird das schwer.
Andererseits: Das Immergleiche langweilt und neue Ansätze und Foki beim Üben bringen Neues - somit könnte dies gerade mit ADHS motivationsstiftend sein.

Ich bin mir daher gerade nicht so sicher, ob das rigide Herangehen (so habe ich es verstanden, hoffentlich nicht missverstanden) eine ADXS-Beilage ist oder aus nem anderen Menü stammt.

Und aus Deiner Schilderung wird mir nicht ersichtlich, ob Du es jemals auf andere Art und Weise versucht hast. Denn erst, wenn Du es mit den nötigen Infos und einem guten Plan ernsthaft probiert hast und es schier nicht geht, wäre dies ein deutlicher Hinweis auf ein Defizit in diese Richtung, denke ich.

Kann natürlich auch sein, dass das ADHS Dir jeglichen Strom wegfrisst und Dir dann indirekt bestimmte Dinge nicht möglich sind, die es mit mehr Energie durchaus wären.

Wegen der Medibedenken ein beherztes „Nonke“ = „nee, danke, echt nicht“:
Eingekapselt sollten die Medis vor Einnahme sein, nicht der Patient nach Einnahme. Sollte sich das so anfühlen stimmt etwas nicht an Dosis oder Medipassung. So wie Du es schreibst klingt es auch eher nach Hörensagen über Bande. Ich persönlich kenne niemanden, dem es so geht. Such mal den „Brauche mal ganz dringen Hilfe“-Thread hier im Forum: Der wurde unter Ruhigstell- und Im-Gleichschritt-Marschieren-Drogen geschrieben. Und das kommt dabei raus
:panik

Im Forum berichten Einzelne über verstärkte Schwierigkeiten, mit der Konzentration zwischen Aufgaben zu wechseln. Soweit ich das verfolge, haben die Betreffenden das durch Änderung des Wirkstoffs in den Griff bekommen.

Mir fällt auf, wie sprachgewandt und rhetorisch fit Du bist. So sehr, dass einem gedankliche Ungenauigkeiten fast nicht auffallen. Ich frage mich gerade, ob Du auch Dich selbst mit derlei Wort- und Gedankenfeuerwerken ab und an auf’s Glatteis führst und den eigentlich für Dich gangbaren Weg übersiehst.

Nur mal so. Du hattest doch Psychoanalyse bestellt, oder?

LG
Cassiopeia

P.S.: Ich habe heute noch nichts gegessen. Die Dopamindose ist leer. Dankesbekundungen bitte hierher.

Dank und :green_salad::green_salad::green_salad: für die :turtle:

Um auf den langen Beitrag von Morpho noch einzugehen (hab bisher nur überflogen, zu müde gerade), Amy Winehouse Dokumentation Pop Legenden Amy Winehouse - YouTube hat sich auf der Bühne unwohl gefühlt auch.

Mir persönlich fehlt leider jegliches musikalisches Talent und ich beschränke mich aufs Konsumieren. Wobei Konsumieren, mich ansprechende Musik ist für mich Reise durch die Seele und nicht nur kommerzieller Ohrwurm. Rein kommerzielle Musik langweilt mich nach spätestens 10 Minuten.

@Elementary und @Cassiopeia, lieben Dank für eure Überlegungen, aus so verschiedenen wie interssanten Perspektiven: künstlerisch, profan, ist einerlei wenn’s so schön durchdacht und gleichzeitig spontan (wie soll das gehn?!) rüberkommt.
Tatsächlich ist da meine Rethorik im Vergleich oftmals mehr verdeckend als durchsichtig, da wird wohl die Psychoanalyse den ein oder anderen „kurzen“ Prozess mit mir zu machen haben :aufsmaul (aber ich nehm auch das Kompliment darin dankend mit). :slight_smile:
Apropos Sprache, den Latinismus „Foki“ erklär ich ab sofort zu meinem Knuddelwort, es hiesse auch ganz passend auf spanisch eine verniedlichte Form von „foca“, Robbe. :juhuu

Ansonsten versuch ich mal die Antwort auf eure Beiträge irgendwie zu bündeln.

Die Dialektik zwischen Breite und Enge, Fläche und Punkt usw. ist wirklich spannend und geht natürlich übers Künstlerisch-Ästhetische hinaus, im Endeffekt kann sie auf ein Ying-yang-Schema zurückübersetzt werden, wo jeder seinen Anteilgrad wiedererkennt, bzw. Anteile der Wirklichkeit von der wir Bestandteile sind: Kürzlich habe ich eine Musikfortbildung über Körper & Wahrnehmung mitgemacht, da ging es genau um ein Werk aus der „Linien-und-Punkt“-Ästhetik in Verbindung mit Musik, Mondrians „Boogie-Woogie“. Dieses sollte von Kindern kinästhetisch umgesetzt werden, nämlich in der Rolle von Autos, die sich steif bis auf die Lenkradbewegung auf fixen Strassenbahnen bewegen und immer mal wieder 90 Grad-Kurven hinlegen müssen während sie auf Gegenverkehr und Ampeln reagieren, alles zu passend hektisch-metrischer Jazzmusik.

Diese Darstellung trifft ziemlich genau einen wesentlichen Aspekt unseres sozialen Seins, welcher von unseren Anforderungen des Alltags ausgedrückt wird, wo wir „funktionieren“ müssen, also immer schon Autos sind. Diese Ebene ist in der Tat lebensnotwendig, man braucht Konkretion, geistige Fixierung, Input-Output: man sitze nicht am Steuer und schwelge dabei in den Wonnen einer Opernarie als stünde man grad auf der Bühne - das wäre gefährlich!
Der „Punkt“ ist also notwendig, auch sicherlich in der Musik. Man muss die Noten können (das Wort Note kommt bekanntlich vom Lat. Punctum), an der richtigen Stelle im richtigen Moment anschlagen – Präzisionsarbeit, Uhrenwerk. Aber unser Leben geht auch durch diese andere Dimension hindurch, Freiheit, Fantasie, breite Linie, opernschwülstige oder bühnen-rocker-verklärte Ausladung: UNSERE Bühne! Ausschweifen erlaubt? O nein! :ai
Und doch, war das genau das, was mein Musikcoach mir abverlangte, da ich eben den Typen verkörpere, der sich im Punkt, in der Enge heimisch macht und das andere „vergisst“. Wer sich sonst dadurch angesprochen fühlt, mag folgende Übung z.B. versuchen: „Gehe zum Fenster, um es zu schliessen, aber mach dabei so viele Umwege und zweckfreie Bewegungen wie nur möglich, bevor du das Fenster dann schliesst“. Das scheint ja die reine Kontraindikation für ADxS! Aber man bedenke: Der „Punkt“, der konkrete (mechanische) Akt, gehört immer noch dazu, als Ziel, aber plötzlich richten sich alle „Foki“ :mrgreen: auf den Weg, das Zwischen „Von-zu“.

Was heisst denn überhaupt „Abschweifen“ - das Markenzeichen von AdxS? So wie ich es für mich beschreiben kann, ist es eben nicht ein Daueraufenthalt im Zwischen, welches auch ein Wort für „Leben“ ist (während das „Ziel“, will man sich metaphorisch hinauswagen, konsequent der „Tod“ wäre), sondern im Gegenteil, ein Abschweifen VOM Leben hinein ins Mentale, in die obsessiv-punktuell-wiederholten Grübeleien.

Ich bin also nicht zerstreut weil ich zerstreut bin (das Hirn hat böse mitgespielt) sondern weil meine Achtung von der Aussenwelt sofort in die Innenwelt ab- und hineingestossen wird, und dort kreist und verweilt.

Mein zwanghaftes Zuspätkommen ist auch nichts anderes als ein Nicht-Hinauswollen, eine Vermeidung des Zwischen, Von-zu. Eine weitere bemerkenswerte kinästhetische Übung in dieser Hinsicht war, mein Instrument einzupacken, die Jacke anziehen, im Begriff zu gehen, dann wieder den Instrumentenkoffer öffnen und feststellen: das gute Teil ist noch „da“, und ich, selbst stehend und mit Jacke, bin auch noch „da“. Was da spricht ist die ängstliche Vermeidung des Aussen als das, wo sich die Kontrolle der Innerlichkeit entzieht, welche dazu treibt, vor jedem Ausgang unbedingt noch schnell dieses und jenes machen zu müssen, z.B. das Stück fertig üben, oder das Kapitel zuendelesen. Kann dieser Schrecken des Draussen etwas mit dem Adxs-Aspekt Reizüberflutung zu tun haben? Ich bin mir dessen eher nicht bewusst, ich spüre vielmehr, dass meine Wahrnehmung der Aussenwelt und mir selbst als Teil davon sehr verarmt ist aufgrund des mentalen Rückzugs (daher Unaufmerksmkeit,Tollpatschigkeit, Ungepflegtheit usw.).

Im Sinne von @Cassiopeia komme ich also nicht umhin, mich zu fragen, ob meine Symptome nicht tatsächlich aus einem „anderen Menü“ stammen, wie sehr ich mich auch in den Erfahrungsberichten der AdxSler in diesem Forum wiederfinde – wobei mir sehr wohl die trügerische Suggestivgefahr bewusst ist, die mir schon auffiel, als ich die ADHS- und sonstige Psycho-Fragebögen ausfüllte, diese „das trifft doch alles genau auf mich zu!“ Faszination die doch stark an die des „exakt zugeschnittenen“ Horoskops erinnert. Menschen und ihre Leben sind eben leicht auf Statistiken reduzierbar, was zu Zeiten von Corona nochmal schmerzlich betont erscheint…

Eines noch, sagt mir ruhig, falls ihr das Gefühl habt, dass ich hier zu viel Selbstschau betreibe, gefühlt reflektiere ich nur Aspekte, die für die Symptomatologie rund um AdxS durchaus aussagekräftig sind und Perspektiven, Einsichten und Fragezeichen aufwerfen können, die über mein Partikularschicksal hinausgehen - selbst ohne mir anzumassen, im Namen aller zu sprechen - aber irgendwie bin ich auch nicht ganz zufrieden damit, das meine Beiträge meist so lang werden, und finde darin meine „Abschweifung“ wieder…

@morpho

Was Medikation und Musik betrifft , kannst du es nur selber ausprobieren und deine Erfahrungen sammeln.

Ich habe definitiv wegen ADHS meine Probleme im Bezug zum musizieren und wiederum macht ADHS mich kreativ dabei.

Klavier (ein uralter Kindertraum) ist meine größte Baustelle, ich kann einfach nicht so spielen das ich nicht rauskommen. Ich kann die Stücke noch so oft üben es können auch die banalsten Stellen sein wo ich rauskommen.
Es ist einfach so das mein Kopf immer voller Gedanken und Ideen und Melodien ist ,also ich schaffe es nicht die Konzentration ganz zu halten.
So klimpern kann ich wohl aber gezielt üben ging bei mir nie. Ich habe meist nach 15 Minuten frustig aufgehört , weil ich eben immer wieder rauskam und nicht weiterkam. Mit der Medikation konnte ich zum ersten mal wirklich üben und am Ball bleiben. die Fehlerquote ist zwar noch da , aber sie frustet mich nicht mehr so , so das ich weiter üben kann also einfach auch weiterkommen und darüber wiederum mehr Spielfreude habe. Ich hoffe das ich dann irgendwann Routine bekomme und es besser wird mit der Fehlerquote.
Dadurch das ich einfach länger üben kann habe ich zumindestens bei den Stücken den Effekt, wenn ich rauskomme das ich mich orientieren kann und wenigsten weiter spielen kann. Es gelingt mir endlich auch mal die Hürden auszuhalten und ein Stück bis zu ende zu üben.
Ich benötige aber in vielem länger wie andere wenn ich was lernen möchte.

Bei Auftritten , Hobbymäßig andere Instrumente muss ich aufpassen, dass ich in voller Wirkung der Medikation bin oder keine. Mich hat es im Rebound ein paarmal irgendwie verwirrt als ob das Hirn zwischen Konzentration und Kreativ laufen lassen hin und her geswitscht hat.
Bei einem Vorspiel hat ich den effekt das ich plötzlich eine Transposition , die ich immer schon ewig spiele nicht mehr konnte, weil ich so klar darüber nachgedacht habe. In meiner Not habe ich wirklich ausrechnend mir die Griffe drunter geschrieben, da ich die Melodie kannte habe ich stumpf nach Griffen gespielt. Das war mal echt der supergau.

Aber wie gesagt du musst das testen mit der Medikation, ich habe von Musikern gelesen denen es in allen Situationen hilft.

Dann war ich lange wegen BurnOut und so in der Reizüberflutung empfindlicher , da war ich in den Proben und bei Auftritten froh das ich die Medikation hatte, weil ich die Proben so wieder mitmachen konnte und nun ja auch während des spielens einen Reize nerven können.

Im Sommer habe ich einen längeren Auslassveruch gemacht und hatte einen Auftritt. So richtig aller ADHS bin ich zersaust , chaotisch knapp die Hälfte vergessen voll gestresst angekommen. Damit habe ich dann alle anderen auch voll genervt und so hat musikmachen mir mal gar keinen Spass gemacht. Das war so eine der Situationen wo mir die Medikation als Basis total fehlte.

Nun ist spät,ich schreibe die Tage noch mal mehr dazu

Hey morpho… :slight_smile: Google mal ‚Default Mode Network + Adhs‘, in meinen Augen ein, wenn nicht DAS Kernproblem, bei Adhs… wollte schon länger mal einen Thread darüber aufmachen, aber mein DMN hat immer was dazwischen geworfen. ‚Es‘ will wohl nicht enttarnt werden… :shock:

Selbstschau? Finde ich nicht. Ich denke aber, es würde dir besser zu Gesicht stehen, wenn du dich teilweise etwas, äähm… unprätentiöser ausdrücken würdest :wink: (wenn du es nachschlagen musst, weißt du was ich meine) Im sprachlichen Bereich bist du definitiv begabt. Aber was nützt es, wenn die meisten es ohne Übersetzer nicht komplett verstehen? Statt ‚Epi­phä­no­men‘ zum Beispiel, könnte man auch einfach ‚Begleiterscheinung‘ schreiben… oder anders ausgedrückt, mit ein paar weniger Schnörkeln, wird man besser verstanden.

Ich hoffe das kommt als die leichte Manöverkritik an, als die es gemeint ist… rein konstruktiv. Ich freue mich schon darauf, mehr von dir zu lesen :anfeuer

Beste Grüße, Andreas

KREISKY - ADHS - YouTube

Das Lied heißt „ADHS“. Mehr zu der Band Kreisky hier: <LINK_TEXT text=„https://amp.nachrichten.at/kultur/neue- … 16,3342299“>Neue Kreisky-CD: ADHS, Außerirdische und Marcel Hirscher | Nachrichten.at</LINK_TEXT>

Das möchte ich so nicht stehen lassen, da es nicht stimmt.
Selbstverständlich war es noch nicht so in aller Munde wie Heute und es hieß auch noch anders, aber es war bereits Thema:

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  • 1978 wird in der ICD-9 das hyperkinetische Syndrom des Kindesalters erstmals als eigenständiges Krankheitsbild benannt.
  • [/list]

    [list]

  • 1980 wurde in der ersten Fassung des DSM das Persistieren von Symptomen bis ins Erwachsenenalter als „ADD Residual Type“ erfasst.
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    [list]

  • 1992 kann im ICD-10 die Diagnose hyperkinetisches Syndrom auch im Erwachsenenalter gestellt werden. Dort heißt es: „Die Kriterien sind dieselben, jedoch müssen Aufmerksamkeit und Aktivität anhand entwicklungsmäßig angemessener Normen beurteilt werden.“
  • [/list] [list]
  • 1995 bestätigt der Wissenschaftler Paul H. Wender im Rahmen einer von ihm durchgeführten Studie abermals, dass ADHS über die Pubertät hinaus erhalten bleibt und sich nicht, wie bislang angenommen, auswächst
  • [/list]

    Quelle: Geschichte der ADHS – ADHSpedia

    „wie bislang angenommen“, jedesmal, wenn ich diese Formulierung lese, werde ich wütend. Zum einen, weil sehr wohl viele selbst betroffene Ärzte und Psychologen schon zuvor wahr genommen hatten, dass die Symptomatik weiter bestehen bleibt (um 1985 gab es jedoch kein Internet, da sind derartige Beobachtungen und „Hypothesen“ in den Mühlen von ärztlichem Standesdünkel und im Sinne von Semmelweis-Reflex Semmelweis-Reflex – Wikipedia kommunikativ stecken geblieben), zum anderen, weil, so nehme ich es wahr, die Formulierung „man nimmt an“ oder „lange nahm man an“ oder „bislang hat man angenommen“ als Entschuldigung und Rechtfertigung von Seiten der Ärzteschaft und der Psychotherapeuten genommen wird, um sich nicht der Schuld, der Verantwortung und dem eigenen jahrzehntelangen Versagen stellen zu müssen und „fein raus“ zu sein…

    Da Dave Grohl auch eine dokumentierte ADHS-Diagnose hat und somit offiziell zum „Club“ gehört, stelle ich dieses Interview mit ihm von heute auf Spiegel online hier rein: <LINK_TEXT text=„https://www.spiegel.de/geschichte/foo-f … f68877d91b“>Foo-Fighters-Frontmann Dave Grohl: »Manchmal träume ich von Nirvana« - DER SPIEGEL</LINK_TEXT>

    Ich hab den thread entdeckt, aber die Beiträge bisher nicht gelesen - bin gerade auf dem Sprung…

    Will nur sagen, dass klassische Musik ohne Gesang und umso „chaotischer“, desto besser, mich beruhigt (wahrscheinlich eher: stimuliert).

    Zur Zeit begeistert mich sehr der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, Kirill Petrenko. Der geht so richtig mit, das ist sehr, sehr sehenswert. Und er mag es eher schnell und intensiv. Videos findet ihr bei youtube und arte. Empfehlenswert finde ich das Neujahrskonzert 2020/2021 in der Berliner Philharmonie. Bei Interesse einfach mal googeln.

    Furchtbar finde ich übrigens Technomucke, bei der sich alles ständig nur wiederholt. Laaaaaaaaaaaaaangweiiiiiiiiiiiiiiiiiiligggggggggggg.

    gelöscht.

    Leider ist das Silvesterkonzert mit Petrenko wohl nicht mehr zu finden. :frowning:

    Hi

    Es geht mir genau so. Ich höre seit über 10 Jahren oft https://electroradio.fm und an Tagen wo es im Hintergrund läuft, schaffe ich etwa 3x mehr als ohne. Konzentrieren kann ich mich auch mit Hardstyle und Hardcore aber wenn ich zur Unterhaltung Musik höre, dann eher Filmmusik, Folk (Versengold), Rock… naja eigentlich fast alles ausser Blues, Reggae und Schlager.

    Reggae geht aber auch absolut überhaupt gar nicht. :roll_eyes:

    Ich mutmaße, leise Hintergrund-Musik mildert das gedankliche Abdriften, das Mind Wandering…

    Das kommt drauf an: wenn man im Flow ist, zieht Techno voll rein: https://youtu.be/_o-XIryB2gg