Liebe @Ava,
das ist phantastisch geschrieben, vielen Dank. Als Betroffene/r findet man sich darin längs und quer wieder und möchte sich in die Texte reinlegen und die Decke über den Kopf ziehen, bis… ja, bis in der nächsten Staffel eine Lösung für die Heldin gefunden ist und sie sich angenehmeren Abenteuern zuwenden kann in ihrem Leben.
Und obwohl da gerade viel Schatten um die Seele sein muss, ist da doch auch Licht: Die ganze Befassung mit Barkley und Co. hat Dir doch auch schon riesige Störungsbild-Einsicht verschafft.
Barkley z.B. löst bei mir immer hohen Erkenntnisgewinn aus (Stichwort: extern sichtbares Gerüst, weil intern keins da ist) und gleichzeitig mit seiner Nüchternheit auch immer Besorgnis und Bewusstsein für den Ernst der Lage.
Im Ergebnis bin ich bei @Falschparker:
Ich bin zwar weiterhin fest der Ansicht, dass es besser ist, eine Kerze anzuzünden als über die Dunkelheit zu klagen. Wenn es wirklich, wirklich nicht gehen sollte mit Medis, dann werden sich gute Alternativen finden. Non-Responder müssen das auch.
Aber den Weg sollte man Dir - auch das wirklich, wirklich - nur vorenthalten, wenn man weiß, was das bedeutet für Dich… und nicht nur, weil es „Standardprotokoll“ und für die Ärzte der leichtere Weg ist. Selbst, wenn Du unterschreibst, dass Du über die Gefahren informiert bist und die Verantwortung übernimmst.
Und wenn man dabei mitdenkt, so bitter das ist: Ein Leben ohne Medikation ist eben auch (und gerade) lebensgefährlich. Das zeigen Deine Verwandten. Meine Verwandten zeigen das auch. Selbstmedikation kann auch das andere Wort mit Selbst- sein, ob auf Raten durch Kaffee-Nikotin-Alkohol oder auf direkterem Weg. Es geht hier schon ums Ganze irgendwann.
Es geht vor allem darum, dass Du Dir eine Lebensgrundlage aufbauen kannst, die im Idealfall die bestmögliche Potentialentfaltung erlaubt (wäre sonst einfach wahnsinnig schade bei diesem Talent…), aber im Mindestfall, wie von @Falschparker geschrieben, ein Auskommen, mit dem Du Dich ernähren und Deine Krankenversicherung zahlen kannst.
So einfach. Und so schwer. Und jeder unbedachte Neustart, der auch erstmal wieder zu einem Abbruch führt, wird den Rucksack noch schwerer machen.
Zur Wahrheit gehört eben auch, dass viele, viele von uns Spätdiagnostizierten ihre Ausbildung gerade noch so in den Zeiten von 56k-Modem hinbekommen haben. In den kritischen Phasen hatte ich das Geld für zwei Hörbücher, die ich im Wechsel gehört habe. Das Fernsehprogramm war irgendwann zu Ende geguckt. Die Bibliotheken waren dopaminerg überschaubar.
Ein bestimmter Schweregrad und YouTube, Netflix und Co`… kann ich nicht garantieren, dass das gut ausgegangen wäre.
Ich finde, dass Du schon enorm viel erreicht hast. Arbeit und Hobby fließen zusammen. Selbstfürsorge findet irgendwo an der Schnittstelle davon statt und vielleicht ist genau das Dein Weg. Vielleicht führt Dich das Navi da auch sinnvoll weiter.
In eine WG mit Buddy-Prinzip, bei der viel in Internet-Blocker investiert wird und jeder auf den anderen aufpasst. Oder in ein Fernstudium in der Pampa, bei dem Du nachts lernst und schreibst. Oder werde die deutsche Fassung von YouTube-Jessica mit einem Kanal „Durch das Studium mit ADxS“, der auch gleich ein Patreon-Bezahl-Coaching anbietet. Und vor allem in ein Studium/Ausbildungsinhalte, für die Du brennst.
Oder in eine Ergotherapie-Ausbildung als ADxS-Coach.
Dann tüftelst Du das gelingende Leben nicht nur „für Dich selbst“ aus, was uns ja leider dopaminmäßig nicht immer so richtig kickt, sondern „für andere Betroffene“. Da geht viel mehr. Und das muss ja seit der Diagnose auch klar sein: Es hat Dich erwischt, aber: Du bist nicht allein.