Liebe Sita,
als Mutter eines knapp Dreijährigen noch ohne Diagnostizierte ADHS und selbst Betroffene antworte ich dir jetzt mal (anstatt zu arbeiten:-)
Ich selbst bekam meine Diagnose, als er etwa ein Jahr alt war und ich gehe stark davon aus, dass er auch betroffen ist.
Nimmst du Medikamente? Bist du in Therapie?
Mir hilft die Kombination aus beidem gut und ich versuche einen ritualisierten, aber dennoch nicht zwanghaft strengen Tagesverlauf zu haben. Ferner mache ich viel Sport und praktiziere Achtsamkeit. Ich merke, dass sich das auch auf ihn auswirkt, weil es mir innere Stärke gibt.
Ferner bin ich stolz darauf, nicht neurotypisch zu sein, sondern special effects zu haben. Meine ADHS ist aber auch im handelbaren Bereich, aber schon auffällig. dennoch habe ich Hochschulstudium und später Karriere gemacht. Ich gehe davon aus, dass mein Kind das auch hinkriegt, wenn es will.
Ich kann deine Sorgen gut nachvollziehen und würde dir gerne meine Beobachtungen mitteilen.
Zuerst: ADHS ist nicht nur etwas schlimmes. Besonders dann nicht, wenn man um sie weiß. Denn dann kann man Stressoren rausnehmen, auf Zeichen achten.
ich bin viel in die eigene Kindheit zurück gegangen und versuche - ohne uns gleichzusetzen - viele Dinge nicht anders, nicht besser, aber passender für uns zu machen.
Der eigentlich für uns Adhsler so wichtige feste Tagesablauf (jedenfalls für mich) - ist halt mit einem Baby sehr schwierig, weil sich ja permanent alles ändert. Da gibt es ja nichts, was über zwei Wochen gleich bleibt. Kaum hat sich ein Schlafrythmus oder was auch immer etabliert - zack, alles wieder anders. Das erzeugt Stress (Ich spreche jetzt davon wie es bei uns war, das kann bei euch ganz anders sein oder erst später kommen)
Für uns war es sehr gut, eine nicht langweilige, aber reizarme Umgebung zu schaffen. Möglichst wenig Stress für das Kind - Co-Sleeping, ganz viel Nähe, tragen tragen, tragen.
Machst du sicher schon.
Lernen, mit dem eigenen Stress und den eigenen Ängsten umzugehen - und zu akzeptieren, dass sie da sind.
Ich bin sehr früh zu unserer Kinderärztin gegangen und habe ihr von meinen Ängsten und meiner ADHS erzählt. Das war sehr entlastend, weil sie das gut nachempfinden kann.
Mir tut es gut, auch mit meinem Sohn viel über Gefühle zu sprechen, er kann schon sehr genau verbalisieren, wie es ihm geht und wie er sich fühlt. Das ist ja meistens eine Baustelle bei uns…
Mein Kind schrie auch die ersten Monate sehr viel - ich denke, das war seine Art zu verarbeiten. Ich habe das kaum ertragen, bis heute verfalle ich in Panik, wenn er weint. Und er weint oft - aber ich glaube, das ist eher in meinem Kopf, diese Angst, da wird irgendwas ganz altes getriggert, das aber nichts mit dem momentanen ist-Zustand zu tun hat.
Mit anderen Kindern ist es nicht ganz einfach, wird aber besser. Er ist sehr impulsiv und lernt nicht gut aus Erfahrung. Das ist besonders bzgl. Unfallneigung gefährlich und lässt mich nie wirklich entspannen. Es wird aber deutlich besser, seitdem er mehr spricht.
Als er anfing zu laufen waren wir Dauergast in der Notaufnahme.
Er hat einen wahnsinnigen Bewegungsdrang. Ich glaube, wir laufen - nein rennen - teilweise 5-6 Kilometer am Tag.
„Normales“ spielen ist schwierig. Am liebsten Klettert er überall drauf, springt, hüpft, auch von sehr hohen Objekten. Ich bin mir immer nicht sicher, inwieweit das normal ist, aber mein Kind ist auf dem Spielplatz immer an Orten, wo nie ein anderes Kleinkind sich hinverirrt.
Er nimmt immer noch alles in den Mund. Und er sprach etwas später als die anderen.
Ich finde schon, dass das Leben mit ihm sehr anstrengend ist, besonders weil man so wahnsinnig aufpassen muss. Ich habe manchmal das Gefühl, mit einer vollgekoksten Jagdfliegerstaffel, vereint in einer sehr kleinen Person, durch das Leben zu trudeln.
Aber es macht auch schrecklich viel Spass.
Ich kann tatsächlich auch die Bücher von der Neuhaus empfehlen.