Barrierefreiheit mit und ohne Neurodiversität

Und noch was Nettes zum Wegblockieren. Dazu mein Kommentar: Die beste Barrierefreiheit ist unsichtbar]

Keine Appearance-Toolbar auf der englischsprachigen wikipedia

Auf der englischsprachigen Wikipedia befindet sich über dem Inhalt eines Artikels eine Toolbar, um die Schriftgröße anzupassen. Das ist seit bald 20 Jahren nicht mehr notwendig und reines Virtue Signalling.

  • Kein Mehrwert: Sehbehinderte nutzen ins System integrierte Lesehilfen, und auch Silver-Surfern schadet es nicht, sich unabhängig von der Wikipedia beim besseren Lesen behelfen zu können.
  • Schaden: Alle anderen nervt es, mich übrigens auch. Ich muss immer zuerst an dieser dummen Toolbar vorbeinavigieren, bis der Inhalt kommt. Da kann ich fast schon nachvollziehen, dass die Republicans gerade Stunk gegen Wikipedia machen.

Mit uBlock Origin lässt sich diese Toolbar ganz einfach wegräumen, und zwar mit dieser Zeile:

en.wikipedia.org##.vector-appearance-landmark
  1. Diese Zeile ins uBlock-Dashboard unter Meine Filter einfügen
  2. Änderungen übernehmen
  3. Artikel zu „The Big Bang Theory“ öffnen und ohne Appearance-Toolbar lesen
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Noch etwas, das sich für die Anliegen der Barrierefreiheit positiv werten lässt: Einige Anbieter für digitale Barrierefreiheit wurden erfolgreich verklagt, weil sie grob falsche und an Scam grenzende Versprechungen gegenüber ihren Unternehmenskunden gemacht haben.

Sinngemäß bauen solche Anbieter dem Kunden ein Overlay in seine Website ein, das die Website augenblicklich und mühelos rechtskonform und barrierefrei machen soll. Dabei ist oft nicht mal das Overlay barrierefrei, ganz zu schweigen von der Website. Ach, und natürlich alles bequem mit KI, so wie es sich heute gehört. So braucht sich niemand mit dem Thema beschäftigen und hat das Rechtsrisiko vermeintlich abgewälzt.

Solche Anbieter schaden sowohl ihren Kunden als auch uns Betroffenen. Von daher bin ich gerade tatsächlich froh darüber, dass einige endlich mal eins auf den Deckel bekommen haben und nicht immer nur selbst klagen, so als Präzedenzfall. :adxs_aufsmaul:

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Ah frei nach dem Motto: Softwarefehler, da kann man nix machen. Das ist fast ein bisschen das Grundgefühl unserer Zeit: bloß keine Verantwortung übernehmen. „Ich war es nicht, das war die Maschine“ :roll_eyes: Ja, neee… is klar. :face_with_symbols_on_mouth:

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Ja genau. Und dabei das Thema so sehr als unüberwindliche komplexe Hürde verkaufen, es darf nicht zu niederschwellig sein. :roll_eyes: Und stimmt, dass man selbst auf die Probleme keinen direkten Einfluss mehr hat, entlastet natürlich auch sehr angenehm. Das ist die Krankheit der heutigen Zeit: zu viel Indirektionsebenen, zu geringer Einfluss im eigenen Bereich, Verantwortungsdiffusion.

Gut ist, dass die FTC in den USA einigen dieser Anbieter klar attestiert, dass sie das Rechtsrisiko eben nicht wie versprochen beseitigen, also dass ihre Kunden viel Geld für gar nichts ausgeben. Bei dem Argument brauchst du die Betroffenen gar nicht mit einbeziehen, sondern kannst das allein aus dem Blick der Rechtsabteilung irgendeiner Firma betrachten, die den Digitalkram der Firma rechtskonform machen soll. Solche Abteilungen arbeiten die Checkliste „Was muss die Firma tun um nicht von bösen Behinderten oder zwielichtigen Abwälten abgemahnt zu werden?“ ab. Einige Overlay-Anbieter erfüllen laut FTC ihre versprochene Leistung (Rechtskonformität) nicht → False Claim.

Traurig ist, dass es solche Argumente braucht, wo der Unsinn inhaltlich schon seit Jahren kritisiert wird.

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Die Idee aus dem anderen Thread, Teetassen für Kategorien der Barrierefreiheit zu verleihen aufgreifend, mache ich einmal den Anfang. Da ich keine Perfektion predigen will, sondern Erfolg in kleinen Schritten, wird das auch die Auswahl prägen.

Eine Teetasse :teacup_without_handle: erhält Discourse für Responsivität und pragmatisches Handeln. :drum:

  1. Vollzitat im Editor kam mit dem letzten Update wieder zurück.
  2. Mein per Email gemachter Vorschlag, simple Formatierungsknöpfe teilweise in versteckbare Bereiche auszulagern, wurde zur Kenntnis genommen (nicht selbstverständlich).
  3. Buttons unter den Beiträgen und in der Toolbar des Editor haben jetzt sinnvollere Auszeichnungen bekommen, sodass die Beschriftungen effizienter vorgelesen werden. Vorher wurden die Icons mit vorgelesen, weshalb bei einigen Buttons vor der eigentlichen Bezeichnung „Image, Zero with space“ kam, was relativ umständlich und nervig war.

Jeder Schritt in die richtige Richtung zählt. :four_leaf_clover:

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Wie Alarme auf dem SmartPhone (nicht) sinnvoll umgesetzt werden

Definition: Ein Alarm ist ein akustisches Warnsignal, das auf eine akute drohende Gefahr hinweisen soll, damit Menschen in der nähe Sicherheitsmaßnahmen ergreifen können. Hier ist eine anschauliche Darstellung einer klassischen Alarmsituation:

So, jetzt wissen alle Bescheid.

Neuerdings dürfen auch Smartphones als Lautsprecher für das akustische Warnsignal dienen und bringen das Signal direkt zu den Nutzern. Die Informationen zur Gefahrensituation werden via Mobilfunknetz gebroadcastet, so bekommen die Telefone es mit und aktivieren ihren sehr lauten Alarm. Das könnte sinnvoll sein, ist aber zumindest unter iOS sehr undurchdacht und nicht barrierefrei umgesetzt worden. Mal wieder Lastenhefte statt Workflows umgesetzt und die technischen Möglichkeiten nicht zielführend genutzt.

Eine zweckdienliche menschliche Reaktion auf einen Alarm teile ich hier in zwei Phasen ein:

  1. Aufmerksamkeit lenken: Der Alarm muss unbedingt auf sich aufmerksam machen, wenn eine akute Gefahr droht wie z.B. ein Hausbrand.
  2. Zielführende Intervention: Der Mensch braucht all seine mentalen Ressourcen und adäquate Informationen über die Bedrohungslage, um angemessen auf die Situation zu reagieren.

Das bedeutet: In Phase 1 ist ein durchdringender Sirenenton angemessen, in Phase 2 aber kontraproduktiv. In iOS sind die Alarme nicht in diesen zwei Phasen implementiert, sondern gleichzeitig werden der extrem laute Warnton abgespielt und die Informationen zur Alarmsituation angezeigt. Bei dem Versuch, die Hinweise zu lesen und das eigene Handeln zu planen wird der eigene Sympathicus weiterhin mit diesem nervenzerfetzenden Ton in Panik versetzt. Durch Wegklicken der Warnung verstummt der Ton, aber auch die Infos verschwinden und sind nicht ohne Weiteres nachlesbar. Die Phasen sind also simultan implementiert, nicht sequentiell. Der sequentielle Modus wäre bei traditionellen Alarmanlagen nicht sinnvoll umsetzbar, mit persönlichen Geräten hingegen durchaus.

  1. Sobald der Nutzer mit dem lärmenden Smartphone interagiert, sollte der Ton verstummen. Er hat seinen Zweck aus Phase 1 erfüllt (Aufmerksamkeit erregen).
  2. Die Hinweise sollten sichtbar bleiben, damit Infos schnell und ungestört nachzulesen sind. Es sollte auch nach dem Wegklicken möglich sein, die Infos wieder anzuzeigen.

Ein weiteres blindenspezifisches Problem ist, dass der Alarmton die Sprachausgabe übertönt und Audio-Ducking nicht greift. Alles übrige Audiozeug wird gedimmt, während die Sprachausgabe redet. Nur für den Alarmton gilt das nicht. Während der Alarm aktiv ist, kann ich die Infos nicht lesen und bekomme es nur mit großer Mühe hin, ihn abzuwürgen. Aber dann sind wie oben beschrieben auch die Infos weg.

Dafür gibt es keine Teetasse, sondern eher Heiße Luft oder etwas in der Richtung. :wind_face:

Um nicht zusätzlich Angst vor meinem Smartphone zu bekommen (Das ist eine intime Beziehung), werde ich wohl über Nacht in den Flugmodus gehen müssen, um nicht von Probealarmen geweckt und erschreckt zu werden.

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