Cannabis als Medizin - Selbstversuch

Ich habe eine Woche lang jeden Tag Cannabis geraucht. Morgens, Mittags und Abends. Es hat mir geholfen.

Ich hatte diese Woche einen Termin bei meinem Psychiater. Der wollte mir Elvanse verschreiben. Medikinet hatte nicht so recht geholfen. Ich merke zwar, dass es mich wacher und konzentrierter machte, jedoch ist mein Problem ein anderes: Stress, Getriebenheit, Unzufriedenheit, Erschöpfung. Ich habe es an anderer Stelle schon mal beschrieben: Sehr schnell und immer wieder gerate ich in Sackgassen, aus denen ich mich nicht mehr befreien kann. Medikinet hatte mir geholfen, da durch zu powern, mit einem starren Tunnelblick. Doch trotzdem wurde es immer schwerer, meine Arbeit zu erledigen. Ich wurde immer eingeschränkter in meinen Fähigkeiten. Die Ablehnung stieg und ich konnte mich nicht mehr konzentrieren. Bevor in Absprache mit meinem Psychiater die Umstellung auf Elvanse erfolgen sollte, wollte ich noch was ausprobieren.

Ich hatte abends immer mal wieder Cannabis geraucht. Doch so recht hatte mir das auch nicht geholfen. Klar, es hat mich entspannt. Ich genoss den Abend, oft schaute ich einen Film. Doch für den nächsten Tag hatte das keine Wirkung. Ich wachte auf und war depressiv. Ich glaubte sogar, dass das Cannabis ein Grund für mein morgendliches down war. Wie ein Kater. Trotzdem hatte es Vorteile. Eine kleine Pause für den Moment. So hatte ich beispielsweise immer wenn meine Familie schlafen ging Cannabis geraucht und dann noch die Wohnung aufgeräumt. Egal wie platt ich vom Tag war, mit Cannabis ging’s immer noch ganz gut. Irgendwann merkte ich, dass ich einen Automatismus entwickelt hatte. Selbst ohne Cannabis räumte ich abends noch auf. Es wurde für mich selbstverständlich, mehr Ordnung zu halten.
Da merkte ich, dass da noch mehr gehen könnte. Doch ich musste erst die Überwindung finden, mich trauen zu wollen Cannabis auch mal tagsüber zu probieren.
Erst machte ich es heimlich am Wochenende, wenn ich Zuhause war. Dann erzählte ich irgendwann meiner Frau davon. Ihre Einschätzung, dass ich auch nach aussen hin offener und motivierter war, wenn ich geraucht hatte, bestätigte mich in meinem Vorhaben. So beschloss ich, den Versuch zu wagen und Cannabis als Medizin zu testen.
Ich stellte Regeln auf:
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  • 1. Klare Dosierung. Geringe Mengen. Pur.
    Ich kann Cannabis inzwischen sehr gut dosieren. Und zwischen offen und eloquent in der Öffentlichkeit, kichernd vor der Glotze und in meinen eigenen Gedanken gefangen liegt ein Unterschied in der Dosierung. Dazu später mehr. Wichtig war mir: kein Tabak. Kein Methylphenidat. Keine anderen Einflüsse.
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  • 2. Morgens, mittags, abends. Konsequent.
    Ich rauchte nach dem Frühstück, auf der Arbeit in der Mittagspause und nach Feierabend auf dem Weg nach Hause.
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  • 3. Kein Risiko, kein Straßenverkehr.
    Safety first, also kein Autofahren. Das geht zum Glück, da ich mit der Bahn zur Arbeit fahre.
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  • 4. Meine Frau weiß Bescheid, keiner sonst sollte es merken.
    Die Dosierung sollte stets sicherstellen, dass ich nicht verballert durch die Gegend renne und man es mir garnicht anmerken sollte.
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  • 5. Sieben Tage. Danach wird erstmal ne Pause eingelegt. Ich will ja sicherstellen, dass ich nicht drauf hängen bleibe.
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    Ich startete mit einem Döschen Cannabisblüten, einer kleinen Holzpfeife, die man auch ganz gut mitnehmen kann, und einem Vaporizer für Kräuter. Zuhause ist das Cannabisrauchen leicht. Auf der Arbeit ein bisschen schwerer. Aber auf dem Klo merkte es auch keiner. Zum einen gibt es da ein Fenster und durch die geringe Menge und den puren Rauch geht es schnell und riecht so gut wie nicht. Ich rauche teilweise bei uns in der Küche und meine Frau riecht nichts, wenn sie reinkommt.

    Der erste Zug nach dem Frühstück war komisch. Ich hatte auch vorher schon mal morgens Cannabis geraucht. Doch die Idee, dass ich jetzt zur Arbeit fahren musste, war schon komisch. So ein kleines bisschen verballert fühlte ich mich schon. Da bringt das Cannabis dann auch Ängste hervor. Kifferparanoia sagt man umgangssprachlich. Ich hatte Schiss, in die Öffentlichkeit zu gehen. Jetzt kommt aber das Ding mit der Dosierung. Ich hatte mir ja eine feste Dosis verschrieben und mir extra eine Feinwaage gekauft. Ich wog mir 20mg Blütenkrümel ab. Unterwegs bekam ich das mit Augenmaß ebenso gut hin. Und wenn ich doch merkte, dass meine Ängste zu präsent wurden, konnte ich mit CBD Tropfen noch nachjustieren. Durch das CBD gingen die Ängste zurück, ich wurde nochmal entspannter. Damit war ich klar, ansprechbar, gut gelaunt. Wenn ich alleine war, z.B. in der Bahn, dann hatte ich sehr präsente und bildreiche Gedanken. Nicht diese lästigen undefinierbaren Sorgen. Ich war viel mehr im Moment und stellte fest, wie schön es ist, die Umwelt so intensiv wahrzunehmen. Auf der Arbeit war ich auch entspannter. Der Stress von allem, was ich noch zu tun hatte, war weg. Der war nämlich zuletzt wieder so stark geworden, dass ich mich an meinen Schreibtisch verkrochen hatte, die Kollegen ignorierte so gut es ging und mich meist versucht hatte irgendwie im Internet abzulenken, weil es mir in meinem Kopf zu unruhig war.

    Die ersten Tage merkte ich noch, dass es mit Nachlassen der Wirkung nach 3-4 Stunden wieder stressiger wurde. Doch nach etwa drei Tagen nahm mein Stress insgesamt ab. Auch am Wochenende war ich Zuhause einfach präsenter. Ich merkte erst jetzt wie eingeschränkt ich vorher mit meinem kleinen Sohn war. Ich war im Kopf immer woanders, wenn ich eigentlich Zeit mit ihm hätte verbringen sollen. Jetzt spielte und lachte ich stundenlang mit ihm. Ich ließ mich auf dumme Kinderspiele ein und alles andere war mir egal. Ich war völlig in dem Moment. Wie angenehm.
    Nach der Woche zog ich gemeinsam mit meiner Frau ein Fazit. Sie hatte auch bemerkt, dass ich wieder präsent war. Nicht der unausstehliche, gestresste Mensch, der ich zuletzt war.

    Nach der Woche waren die Ängste und Unsicherheiten weg. Auch das Gefühl so ein bisschen high zu sein war verschwunden. Das ist wohl der Gewöhnungseffekt, bei dem Kiffer dann die Dosis erhöhen. Ich war klar, es war normal geworden. trotzdem war ich motivierter, lockerer, konzentrierter und kreativer. Auch die ersten Tage danach, ganz ohne Stimulanzien, war ich noch genauso locker und gut drauf. Stressfrei. Das Cannabis hatte sich tatsächlich gut in den Alltag integrieren lassen.
    Wobei die Art der Einnahme…naja. Eine Tablette oder ein Mundspray wie Sativex würde ich jederzeit vorziehen. Auch um eine noch gleichmäßigere, längere Wirkung zu zu erzielen.
    Die bekloppteste Situation war mit Sicherheit mein Stop auf einer Fastfood-Toilette, kurz vor einem Kundentermin. Es war Mittag, ich wollte noch konsequent meinen Plan durchziehen, bevor ich eine Präsentation halten sollte. Immerhin war das eine besondere Situation, in der ich mir eine positive Wirkung erhoffte. Aber auf der Kundentoilette kommt man sich wirklich wie ein Junkie vor. Ich funkelte mit meiner Pfeife rum und lauschte ob sonst keiner reinkommt. Aber die anschließende Präsentation vor acht Leuten war sehr erfolgreich. Normalerweise bin ich in solchen Situationen fürchterlich aufgeregt. Meine Gedanken rasen, ich frage mich ständig was jeder einzelne in der Runde von mir denkt. Darüber verhaspele ich mich und versuche so schnell wie möglich durch meinen Text zu kommen. Dieses Mal war es anders. Ich konnte zu jedem Punkt ausführlich sprechen, frei aus Überzeugung. Ich erhielt sogar Lob.
    Ja: Mein ADHS, zumindest der Stress, der damit einhergeht, fühlt sich im Alltag an wie ein ständiges Lampenfieber.

    Die nächste wichtige Erkenntnis: Meine Arbeit war mir vorher überhaupt nicht wichtig. Ich hatte nie das Bedürfnis gehabt, meine Position durchsetzen zu wollen. Viel zu froh war ich, wenn es keine Konflikte gab. Darüber hatte ich meinen Job immer wieder aufgegeben. Ich hatte bis heute keinen Job länger als zwei Jahre.
    Mit Medikinet wurde ich verbissener, das heißt ich fühlte mich häufiger angegriffen und musste mich verteidigen. Ja, ich habe meine Position durchgesetzt, aber mit einer Verbissenheit. Mit Cannabis war ich entspannt und selbstverständlich. Ich war von dem überzeugt, was ich tat und konnte es mit Charme und einem Lächeln rüberbringen, nicht mit der Brechstange. Gibt es Fussballfans hier? Auf Cannabis fühlte ich mich wie Jürgen Klopp, während ich mit Medikinet eher Giovanni Trappatoni auf seiner berühmten Pressekonferenz war. Ohne Medikamente war ich einfach ein graues Mäuslein gewesen, das lieber gar nichts sagte, weil ich damit beschäftigt war, meine Gedanken zu sortieren.

    Nochmal ein Wort zu den Ängsten: Cannabis macht was mit meinen Ängsten. Klar! Aber es ist genauso wie mit den positiven Emotionen, mit der Motivation und Überzeugung. Es bringt sie hervor, so dass sie präsent und greifbar sind. Dasbräuchte ein wenig Übung, aber jetzt kann ich mich mit ihnen auseinandersetzen. Cannabis macht mir bewusst, was ich fürchte. Die soziale Aberkennung meines Status zum Beispiel. Ich habe hart an meinem Titel gearbeitet: Ich bin der Familienvater mit Job und Eigenheim. Das habe ich mir gegen alle Widrigkeiten erarbeitet. Wenn ich mich jetzt oute bin ich der Kiffer. Was für ein Abstieg! Was sollen denn meine Eltern denken? Schlimmer noch: Meine Schwiegereltern! Die sind so konservativ. Diese Angst wurde mir in der Woche noch einmal sehr bewusst. Doch ganz ehrlich, die Angst aus der Reihe zu tanzen besteht schon mein ganzes Leben. Pass dich an, dann eckst du nicht an!
    War die Woche also ein voller Erfolg? Völlig überzeugt bin ich noch nicht. Könnte es sein dass es Langzeitfolgen gibt? Wird die Dosierung doch noch steigen müssen? Kommt die Ablehnung wieder? Wobei ich vor den Nebenwirkungen von Amphetaminen noch mehr Angst habe als vor Methylphenidat. Ich merke dass mein positiver Schwung langsam wieder nachlässt. Damit bin ich wieder mitten in meinem Problem: Grundsätzliche Zweifel. Zumindest war es kein Problem, die folgende Woche wieder auf Cannabis oder Medikinet zu verzichten. Ich bin wohl kein Junkie. Hurra.

    Jetzt muss ich mich entscheiden. Kämpfe ich gegen das Stigma von Cannabis und stehe dazu, dass ich diese Droge als Medikament brauche. Das Risiko und die Einschränkungen, mich weiter selbst zu therapieren und Drogen zu kaufen sind hoch. Im schlimmsten Fall schade ich meiner Familie. Oder folge ich meinem Arzt und probiere Elvanse. Der erkennt zwar an, dass mir Cannabis hilft, aber möchte es mir nicht verschreiben. Er vertritt die Meinung, dass Cannabis dem Gehirn mehr schadet als nutzt.

    Außerdem stellt sich nach der Woche die Frage, ist ADHS wirklich mein Problem? Oder sind es Depressionen und Angststörungen, die ja vielleicht mit einem ADHS zusammenhängen?

    Entschuldigt den langen Text. Aber hey, seit ich regelmäßig Cannabis nehme kann ich meine Gedanken sehr detailliert betrachten und zu Papier bringen. Das ging vorher auch nicht. Wenn ihr das alles gelesen habt, freue ich mich auf eine Diskussion oder Fragen.

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    Nur so ein Gedanke:

    Methylphenidat zur Stressbewältigung muss in die Hose gehen. Denn damit wird das eigentliche Problem, die Überforderung und der damit einhergehende hohe Stresslevel, eine Zeit lang übertüncht, bis dann irgendwann gar nix mehr geht. Auf Dauer hält das nämlich keiner durch.

    Um von dem hohen Stresslevel runterzukommen bedarf es Pausen, Entspannung, Regeneration usw. - also leider genau das, was bei ADHS eher schwierig ist. Um dies dennoch zu erreichen, wirken Medikamente, möglicherweise auch Cannabis, unterstützend. Das Stressproblem werden sie imho aber nicht lösen.

    Vielleicht bin ich da aktuell etwas sensibel, aber ich habe mir gerade große Mühe gegeben zu erklären, dass Cannabis geholfen hat, mein Stressproblem zu lösen. Da klingt die Aussage eher so nach Halbwissen und schnell geurteilt.
    Ich meine, mein Alltag ist nicht stressig. Aber mit sinkender Neu-Sensation in z.B. meinem Job sinkt auch meine Stresstoleranz auf einen gruseligen Tiefpunkt. Da kann ich nicht mal mehr entscheiden, was ich zum Mittag essen will. Mit Cannabis - und das hat mich selbst überrascht - hat sich dieser Stress auch über die 3-4 Stunden hinweg gelöst und ich brauche weniger Pausen für Entspannung und Regeneration.

    Mit dem Methylphenidat gebe ich dir Recht. Da hast du das erklärt, was ich beschrieben habe.

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    Wenn du Cannabis als Medikament verwendest, mißbrauchst du es nicht als Droge… von breit Netflix gucken müsstest du dich dann eh verabschieden… sonst baust du eine Toleranz auf und kommst mit der Microdosierung schnell nicht mehr hin. Das Wort Droge kann man in dem Zusammenhang dann auch weglassen, hier geht es ja um die Medizinische Anwendung (Korrelation richtig, Kausalität falsch!) :wink:
    Wenn du dich für diese Behandlung entscheidest, dann überzeuge entweder deinen Arzt es dir doch zu verschreiben… oder, finde einen anderen dafür! Das mit dem sich selbst therapieren ist, neben dem Offensichtlichen… auch deswegen Murx, weil du dich mit ständig wechselnden Sorten, Qualitäten und Wirkstoffprofilen nicht auf eine gleichmäßige Wirkung verlassen kannst! Mach es wenn dann richtig… also legal verschrieben, ohne dir Sorgen um den Führerschein oder anderen Trouble machen zu müssen und in immer gleichbleibender Qualität! Und wenns klappt, behalt es doch einfach weitestgehend für dich, dann brauchst du dir auch um irgendein Stigma keine Gedanken machen… ich binde auch nicht jedem auf die Nase das ich Elvanse nehme! :smiley:

    Vielleicht hat @Drei ja noch ein paar Tips, wie du bei deinem Arzt argumentieren kannst… Ich drück dir auf jeden Fall die Daumen!

    :mrgreen:


    Danke dir für deine Tipps.
    Meinen Arzt überzeugen: gescheitert.
    Neuen Arzt finden: dran.
    Klar ist, wenn ich so weiter mache brauche ich ein Rezept. Bis dahin bin ich offiziell drogenabhängig. Aber deswegen beobachte und dokumentiere ich so genau. Damit ich mich immer rechtfertigen kann, wenn nötig.

    Hallo Hannes,

    Kein Thema, war mir schon klar, dass ich dich da womöglich auf dem falschen Fuß erwische. :wink:

    Offensichtlich meinst du mit Stress etwas anderes als ich, wir haben offenbar aneinander vorbeigeredet.

    Du bist gerade in einer Situation, die beispielhaft ist für so viele AHDS-Patienten, die die positive Wirkung von Cannabis an sich erkannt haben. Sie haben ein hochwirksames Medikament gefunden und ihr Arzt weigert sich, es ihnen zu verschreiben sondern will lieber erst alle anderen Optionen durchprobieren anstatt eines Medikaments, bei dem Wirkung schon gesichert ist :shock:

    So wie du es beschreibst ist wirklich ADHS dein Problem und medizinisches Cannabis die Lösung.

    Zur Einnahme - ich nutze einen Vaporisierer, damit hält die Wirkung etwas länger an und es sieht aus wie eine E-Zigarette, sprich ich kann mich damit einfach unter die Raucher mischen. Es riecht auch bei weitem nicht so stark wie geraucht und zudem auch noch etwas anders.
    Das Mundspray Sativex hast du ja schon aufgeführt, es gibt auch noch Tropfen für unter die Zunge in Form eines Extraktes von Tilray. Vielleicht ist dein Arzt gegenüber Sativex etwas aufgeschlossener. Er könnte zum Beispiel den Beipackzettel ansehen und dann mit dem von Elvanse vergleichen.

    Falls er seine Meinung nicht ändert, würde ich auf Dauer einen anderen Arzt suchen, selbst für den Fall, dass du Elvanse probierst und dabei bleibst. Da kommen wir gleich zum nächsten Punkt. Wenn du Elvanse nicht probierst sondern gleich zu medizinsichem Cannabis übergehst, setzt du dich nicht den Gefahren der Nebenwirkungen von Elvanse aus und kannst deine Aktuelle Lebensqualität weiter halten während du bei einem Test von Elvanse in der Zeit auf das Cannabis unbedingt verzichten solltest (Amphetamine und Cannabis haben wenig erforschte Wechselwirkungen, Cannabis scheint die Wirkung von Amphetaminen jedenfalls zu verstärken). Da stellt sich die Frage, wie lange die Titrationsphase von Elvanse dauert. Falls es wirkt, dann hättest du den Joker, denn Elvanse gibt es als Pillen, also genau die für dich richtige Applikationsform und viel wichtiger - die Krankenkasse bezahlt es.

    Wenn du Elvanse nicht probierst und gleich zu medizinischem Cannabis übergehst, wirst du wahrscheinlich keine Kostenerstattung der Krankenkasse erhalten. Sprich du wirst das medizinische Cannabis selbst bezahlen müssen und da stellt sich das Problem, dass es in Deutschland künstlich teuer gehalten wird. Ein Gramm kostet in Deutschland in der Apotheke ca. 24 Euro. Zum Vergleich: in den Niederlanden gibt es exakt das gleiche Präparat für weniger als 8 Euro das Gramm.
    Sobald du medizinisches Cannabis erhälst, solltest du auf gar keinen Fall mehr Cannabis vom Schwarzmarkt konsumieren, denn wenn das rauskommt, bist du deine Verordnung los. Du bist mit Privatrezept also auf Gedeih und Verderb den deutschen Apothekenpreisen ausgeliefert.

    Sativex und Extrake sind übrigens nochmals teurer :expressionless: Eventuell kannst du dem entgegenwirken, indem du Blüten beziehst und dann Kekse bäckst oder die Blüten in Öl auskochst.

    Letztenendes stehst du jetzt vor der absurden Situation, deine Gesundheit (die möglichen Nebenwirkungen von Elvanse, vor denen du Angst hast) gegen Geld aufwiegen zu müssen. Falls solche Nebenwirkungen bei Elvanse auftreten, kannst du dir immer noch medizinisches Cannabis verschreiben lassen und verbesserst deine Aussicht auf eine Kostenübernahme (Strattera müsstest du auch noch probieren vorher).

    Ich kann mich noch an die Zeit vor meiner Medikation mit Cannabis erinnern und ich muss sagen, dass der überwiegende Teil meines Stresslevels aus mir selbst heraus kam bzw. hausgemacht war. Dieser vollkommen unnötige Stress wird bei mir durch Cannabis ausgeschaltet und übrig bleibt, was wirklich Stress von außen erzeugt. Dadurch habe ich die Möglichkeit, die wirklichen Stressquellen gezielt anzugehen.
    Um beim Beispiel von hannes zu bleiben - sollte es stressen, wenn man sich das Mittagessen aussucht? Nein, sollte es nicht. Wenn einen solche Dinge schon stressen bleibt einem keine Energie mehr für die wichtigeren.

    Weiterhin war es bei mir so, dass Pausen, Entspannung, Regeneration eigentlich unmöglich waren. Ich dachte zwar, ich würde mich entspannen, aber in Wirklichkeit hatte ich eine Grundanspannung in mir, die nie wegging. Dazu kam, dass ich „Entspannung“ schnell als unangenehm empfand. Nach 5 Minuten am Strand liegen gleich wieder ins Meer. Seitdem ich medizinisches Cannabis nehme weis ich, was wirkliche Entspannung ist und wie sich Regeneration anfühlt. Meine Neurofeedback-Therapeutin meinte, dass mein Level an innerer Anspannung ohne Medikation sehr hoch sei, unter Medikation aber nur minimal über dem Bevölkerungsdurchschnitt.

    Edit: @Addy_Haller Ich sehe du hast ja schon geantwortet. Hatte den Text vor dem Abschicken recht lange offen…

    Wie gesagt, ich bin beim Thema Stress von Überforderung im Sinne von zu vielen äußeren Stressoren ausgegangen, also dass Anforderungen von außen als nicht bewältigbar wahrgenommen werden.

    Das, was ihr beiden beschreibt, nenne ich bei mir selbst innere Unruhe, Anspannung, Unzufrieden- bzw. Genervtheit ohne ersichtlichen Grund. Man kann das aber natürlich auch als Stress, der von innen kommt, bezeichnen.

    Dieses typische ADHS-Symptom minimiert sich bei mir durch MPH erheblich, wodurch auch meine Stresstoleranz insgesamt steigt. Es gibt da also offenbar einen Zusammenhang.

    Richtig rund läuft es mMn, wenn neben der Stresstoleranz auch die Fähigkeit zur Entspannung steigt bzw. die Fähigkeit, die Grenzen der Leistungsfähigkeit richtig einzuschätzen und sich entsprechend zu verhalten.

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    Oh, da war ich wohl undeutlich in dem, was ich geschrieben habe. Medizinisches Cannabis reduziert bei mir auch die Überforderung im Sinne von zu vielen äußeren Stressoren ganz massiv. Früher gab es so viele Tage in meinem Leben, in dem mir all die von außen gestellten Anforderungen einfach „zu viel“ wurden. Diese Zeit ist aber zum Glück vorbei.
    Aber nochmal zurück zum Beispiel von hannes. Wenn es Stress erzeugt, wenn man sich überlegen muss, was man zu Mitagessen isst, dann ist der Stressor das Mitagessen. Ein neurotypischer Mensch würde ein Mittagessen wahrscheinlich nicht als Stressor empfinden und mit medizinsichem Cannabis verschwindet dieser Stressor bei ADHS ebenfalls.

    Anderes Beispiel: Was mich früher stark gestesst hat und weswegen ich u.a. eine Ergotherapie angefangen hatte war, wenn ich bei meiner Arbeit unterbrochen wurde (z.B. wenn jemand zur Tür herein kam und irgendetwas wollte). Unter medizinischem Cannabis ist dieser Stress einfach weg. Nicht mehr vorhanden. Heute kann ich in so einer Situation ruhig reagieren, eine Antwort geben oder eben darauf verweisen, dass ich gerade arbeite und keine Zeit habe. Ohne dadurch gestresst zu werden.
    Einkaufen mit meiner Partnerin? Früher großer Stress, heute ein Vergnügen. Es gibt so viele Dinge in meinem Leben, die früher äußere Stressoren waren und jetzt nur noch äußere, aber keine Stressoren mehr sind. Putzen, Aufräumen, Ordnung halten, Urlaubsvorbereitungen, Termine einhalten, von Mo-Fr täglich zur Arbeit fahren. Das alles, also das stinknormale tägliche Leben, sollte keinen Stress erzeugen. Den kann man sich für die wichtigen Dinge aufheben. Vielleicht sind ja Probleme mit den Kollegen oder dem Chef solche „echten“ Stressoren auf der Arbeit, die man viel besser angehen kann wenn der unnötige Stress durch Kleinigkeiten wegfällt.

    Genau in diesem Bereich wirkt medizinisches Cannabis bei mir wahre Wunder. Zusammen mit der besseren Fähigkeit, für sich selbst einzustehen und Nein sagen zu können, reduziert das den Stress nochmal mehr. Denn wenn man seine Grenzen kennt und bei Dingen, die diese Grenzen überschreiten würden, Nein sagt, ist man gleich noch ein paar weitere äußere Stressoren erfolgreich angegangen.

    Nein, ich habe dich schon richtig verstanden, denke ich. :slight_smile:

    Das, was du beschreibst, ist das, was ich mit größerer Stresstoleranz insgesamt gemeint habe: Wenn der „innere Stress“ aufhört, sind auch äußere Stressoren leichter zu handhaben. Bei mir ist das mit der entscheidende Effekt bei MPH, da es natürlich auch positiv auf die Konzentration wirkt, wenn man sich nicht ständig kopflos im „Ausnahmezustand“ befindet, sondern stattdessen alles relativ ruhig angehen kann.

    Ob man das jetzt mit MPH, Elvanse oder Cannabis hinbekommt, ist ja eigentlich wurscht.

    Problematisch wird es aber, wenn durch diese höhere Stresstoleranz eine gewisse Euphorie entsteht und man meint, mehr äußeren Stress aushalten zu können als gesund ist und die Regeneration vernachlässigt, da man sowieso immer lieber in Aktion ist. Das ist das, was ich in meinem ersten Post eigentlich meinte.

    Ja, das hatte ich mit MPH tatsächlich. Also dass ich so viel gearbeitet habe, dass ich einen Tinnitus bekommen habe. Mit Cannabis war genau das Gegenteil der Fall, im ersten Monat habe ich mich intensiv ausgeruht und all die Erholung nachgeholt, die ich mir selbst mein Leben lang verweigert hatte. Trotz oder gerade wegen all der Erholung war mein Quartalsergebnis in Sachen Arbeit sogar besser als im Vorjahreszeitraum.

    In <URL url="Die gute alte Sucht - #19 von Falschparker]einem anderen Thread[/url] wurde der Unterschied MPH vs. Cannabis was Arbeit angeht sehr gut als „Verbissenheit vs. Begeisterung“ beschrieben.

    An dieser Stelle würden mich die Erfahrungen anderer Patienten mit MPH interessieren - habt ihr auch das Problem, dass ihr zwar mehr und konzentrierter arbeitet, aber die Erholung zu kurz kommt?

    Yes, ich bin mit MPH fast an den Baum gefahren vor einem Jahr, also nach drei Monaten mit MPH, wo ich vorher schon am Ende war mit den Kräften.

    Bei Elvanse ist es besser, aber ich bekomme scheinbar davon Haarausfall. Ist nicht ganz gesichert. Aber da ich sowieso immer die Kapseln in drei Portionen (15-7,5-7,5) teilen musste, was nervig ist, bin ich jetzt glücklich mit Attentin, das ich zwar auch in 1/4 und 1/8 teilen mus, aber es ist wenigstens kein Puder. Bloß muss ich leider selber zahlen. Ich habe hier kürzlich was gelesen, dass man es vielleicht hinbekommen kann, dass die Kasse es übernimmt. Muss mal schauen, wie das geht…


    Ja, das merke ich. :shock:
    Man interessiert sich sehr und möchte sehr viel leiste. Dementsprechend kommt die Erholung zu kurz.

    Viel kompensiere ich durchs Joggen, nur das Schlafen müsste mehr werden. Nur haben sich die Arbeitsleistungen sehr gesteigert.

    Will ich nur auch nochmal gerade bestätigen. Hab’s ja auch beschrieben.

    Nochmal ein anderer Vergleich:
    MPH = Fokus der kognitiven Kapazität auf ein Ziel. Wach, keinen Hunger, Angespannt. Alles Hinweise auf stärkere Stressregulationssysteme.

    Cannabis = Garnicht erst in Stress geraten.

    Aber nicht zu unterschätzen: An Cannabis musste ich mich sehr lange gewöhnen, auch in geringen Dosierungen. Mit der richtigen Aufklärung und Anleitung durch fachkundige Ärzte geht das bestimmt besser. Aber vielleicht ist es auch nicht für jeden was. Wie gesagt, auch Ängste haben sich verstärkt.

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    Das heißt dann ja quasi, dass je nach Person es nur Monate bis wenige Jahre genommen werden kann?

    Ich finde, dass man öfter wöchentlich Sport machen sollte (kein Fitnessdtudio), sondern Bewegung in der Natur oder in einer Sporthalle, damit sich nicht nur dir Stresshormone regulieren und die Toleranz steigt, sondern auch das Gehirn erholt. :wink:

    Gerade im Beipackzettel von Medikinet adult gefunden:


    Das beste Beispiel hierfür wäre zB @Falschparker .
    Er nimmt es ja auch Jahre im 2 stelligen Bereich ohne Vorkommnise.


    Was sind denn so die wesentlichen Unterschiede von MPH zu Elvanse und Attentin?
    Hinsichtlich Wachheit, Konzentration, Aufmerksamkeit, Organisiertheit und „das lange am Ball bleiben“.

    Die Konzentration ist leider nicht so gut… aber entweder - oder… scheinbar…

    Bei meinem Sohn mit ADHS und ASS bewirkte Elvanse, dass er menschlich zugänglicher und irgendwie offener, gelöster war im Vergleich zu MPH.


    Ich meine, dass hier mal jemand gesagt hat, dass Elontril als Elvanse Light anzusehen ist.
    Dies würde nach deiner Aussage dann auch zu treffen.
    Bitte verbesser mich wenn dem nicht so ist.

    Elontril sorgt für guten Antrieb, für eine leichte Verbesserung bei Durchhalten, als auch beim Zentriert denken bzw Organisiertheit.