ich habe mich nach meiner Diagnose (die ich erst mit 40 bekam) mit einigen Betroffenen unterhalten und habe dort viele interessante Dinge gehört. Was mich ständig beschäftigt ist ein Thema: Nahezu alle Menschen, die Medikation ablehnen, argumentieren damit, dass sie ihre positiven Eigenschaften, die ADHS unumstritten mitbringt, nicht einbüßen wollen.
Ich verstehe das Argument ehrlich gesagt nicht so richtig. Ich habe selbst zunächst auf Medikation verzichtet, mich aber später dafür entschieden. Ich habe an mir selbst nicht gemerkt, dass irgendwelche positiven Eigenschaften dadurch verschwunden sind. Im Gegenteil. Ich habe das Gefühl, ich kann meine Stärken jetzt erst so richtig gut ausnutzen.
Im Grunde habe ich das Gefühl, alle negativen Eigenschaften sind deutlich schwächer ausgeprägt, alle positiven aber da geblieben.
Daher wollte ich hier mal fragen: Hat hier jemand die Erfahrung gemacht, dass positive Eigenschaften, Talente oder sonstwas durch Medikation abgeschwächt wurden?
„Auf Grund der ADHS-Symptome, die meist schon in früher Kindheit deutlich zu Tage treten, haben Betroffene häufiger als ihre Mitmenschen Misserfolge, Missgeschicke, Niederlagen und Enttäuschungen hinzunehmen. Die meisten AD(H)S-ler hatten als Kind viel Stress gehabt und all diese Erfahrungen haben es verhindert, dass sie ein gesundes und stabiles Selbstwertgefühl aufbauen konnte. Gerade aber die Selbstzweifel und Selbstunsicherheit sind wieder ein Risikofaktor für Ängste, Depressionen und psychosomatische Störungen.“
Leserechtschreibstörung bis in 30% der Fälle
Rechenschwäche bis zum 30%
Ticsyndrom ( Tourette) 10-20%
Autismus in 6% der Fälle
Zwänge
hohe Unfallrate (durch unüberlegtes Handeln)
Störung des Sozialverhaltens und oppositionelle Verhaltensweisen
( daraus resultierend eine höhere Rate von Straffälligkeit und Schulabbrüchen)
Hallöchen, ich habe auch erst Medikamente abgelehnt. Hab mich dann aber etwas damit beschäftigt und gab denen dann doch eine Chance.
Ich glaube, wenn man „sein“ Medikament mit der richtigen Dosierung gefunden hat, dann kommt es nicht zu Beeinträchtigungen der positiven Seiten von Adhs.
Ich hatte am Anfang ein MPH Präparat, dass zwar schon ok war aber mich mit seinen Nebenwirkungen beeinträchtigt hat. Ich wollte es dann auch nicht mehr nehmen. Hab dann gewechselt und habe nun diesen Effekt von dem viele sprechen: durch das andere Medikament ist es so, als hätte ich klare Sicht.
Ich bin nicht mehr müde, fühle mich nicht mehr so angespannt ( hab seit dem auch weniger Kopfschmerzen), bin ausgeglichener und in meinem Kopf ist Ruhe.
Meine positiven Seiten, wie Kreativität, Spontanität, Flexibilität im Denken profitieren von dem Medikament.
Ich bin der Meinung, man kann es ausprobieren. Mit etwas Geduld und Offenheit andere Präparate zu testen können Medis sehr unterstützen. Wenn man dann immer noch feststellt,dass Medikamente nichts für einen sind, dann lässt man es eben wieder.
Erschließt sich mir auch nicht wirklich… ich hatte am Anfang der Medikation das Gefühl, dass ich weniger kreativ bin, mir ist aber schnell klargeworden, dass ich da jetzt nur etwas anders rangehen muss. Ich habe aber mit den Medikamenten abgesehen von den Nebenwirkungen eigentlich nur Vorteile tbh, ADHS bringt ja auch einiges an Einschränkungen mit sich (je nach Ausprägung) und das war ja der Grund, warum ich die Diagnose überhaupt gesucht habe.
Was ich aber auch gut finde ist, wenn man begleitend eine Edukation und/oder Therapie in Erwägung zieht oder macht, denn alleine die Medikamente helfen zwar durchaus (v.a. am Anfang), aber Langzeitwirkung falls man mal absetzen muss oder will ist nicht so sehr gegeben. Zumal in der Therapie auch Verhaltensweisen erlernt oder angepasst werden können (bei mir bin ich zB in die emotionale Regulation eingestiegen, die war bei mir abgrundtief schlecht).
Ich verstehe, wenn man auf die Medikamente eher verzichten möchte (gibt ja auch noch andere Gründe), aber als alleinigen Grund find ich das nicht nachvollziehbar
Ich hatte es auch schon, dass in der ein oder anderen Situation dass ich mich vom Medikament etwas blockiert fühlte.
Da wo ich es weiß, lass ich schon mal das Medikament bewusst weg.
Ohne Medikation sind bei mir die Auswirkungen vom ADHS aber so einschränkend, dass ich dieses ab und zu mal lieber in Kauf nehme.
Die „Vorteile“ von meinem wild ausgelebten ADHS können die Nachteile nicht ausgleichen .
Ich bin dankbar für etwas mehr Ruhe in mir und die Struktur und Handlungsfähigkeit, die sich nur durch die Medikation verbessert. Es dürft gar gerne noch etwas mehr sein.
Gesundheit geht bei mir einfach vor und ich bin froh wenn ich meine Mitmenschen mit meinem wild ausgelebten ADHS wo es einfach nicht passt , nicht mehr so belaste.
Vor allem hilft mir die Medikation nach einem kreativen wild ausgelebten ADHS Chaos, das Chaos wieder zu beseitigen.
Ich kann es aber gut verstehen, wenn sich jemand zu beeinflusst fühlt, dass er dieses Gefühl nicht mag. Oft frage ich mich dann aber, ob es einfach nur am Medikament oder der Dosierung liegt.
Ich durfte mich dank Medikation erstmalig selbst kennenlernen. Meine Stärken habe ich besser erkannt und gelernt mit Schwächen umzugehen. Mit Schwächen meine ich nicht ADHS-Dinge, sondern innerhalb meiner Persönlichkeit.
Das ist so das typische „Kenn ich nicht, mag ich nicht“ gepaart mit einem Vorwand (positive Eigenschaften verlieren/Verlust der Persönlichkeit). Liest man regelmäßig. Die tun dann so, als ob Medikation ein Kippschalter mit zwei Positionen wäre.
Weiter vermute ich:
Wenn es jemand mit dieser ablehnenden Haltung ausprobiert hat, dann nur ein Präparat und ohne Geduld oder mit inkompetentem Arzt. Da muss direkt bei der Ersteinnahme alles passen, keine Nebenwirkungen aufkommen und man will sich bloß nicht damit auseinandersetzen. Direktes Aufgaben.
Alternativ sind es Leute die schon als Kind diagnostiziert wurden und entsprechend von den Eltern Medikamente erhielten. Eltern die ihre Kinder überdosierten und damit abstumpfen ließen - kommt durchaus vor. Mal ohne, mal mit Absicht. Das bleibt dann auch im Kopf des Kindes hängen. Als Kind hat man oft nichts zu melden. Hatte da ein Gespräch mit jemanden der das so erlebt hatte und der wollte von Medikamenten nichts hören. Dass es mehrere Präparate für Erwachsene gibt die alle unterschiedliche Eigenschaften haben wusste er gar nicht und fing direkt an mir Sachen zu unterstellen.
Je nach dem wie man Google benutzt, umso eher bekommt man unwissenschaftlichen Unsinn angezeigt. Wer nach Problemen sucht, wird auch nur Probleme finden.
Meine Thera meinte mal relativ am Anfang der Therapie, als ich wieder am Schimpfen war über dies, das , jenes besonders über andere, „Sie schieben die Schuld gern auf andere!?“ da ging mir dann ein echt unbehagliches Licht auf, wär mir so ohne Medikation ehrlich gesagt nicht so richtig aufgefallen. Ich gelobe seit dem Besserung. Ich bin aber wirklich nicht an allem selbst schuld aber ein bisschen reflektieren kann auch ich.
Hm, ich hab auch nicht das Gefühl, dass ich meine positiven Eigenschaften (vernetztes Denken, Neugier, Flexibilität…) durch die Medis verliere. Aber da die Medis bei meinen Problemen im Job (Konzentrationsprobleme, von einer Sache zur anderen springen etc.) sehr gut helfen, kann ich die Stärken jetzt besser zur Geltung bringen.
Zudem ist die Wirkdauer der Medis begrenzt: ich merk zwar, dass mein Bewegungsdrang viel weniger ist und ich deshalb nicht mehr so viel Lust auf Sport hab, aber die Trainings sind meist am Abend nach der Wirkdauer, dann hab ich wieder Bock;-)
von mir kann ich das nicht sagen. Kenne aber Menschen, die diese Position halten. Aus meiner Sicht eine nicht ausreichend individualisierte Medikation.
Je nachdem welche „Symptome“ reguliert werden sollen, kann man die Dosierung der „Hauptmedikation“ (Stimulanzien) rauf und runterdosieren & bei der Zusatzmedikation (zB Bupropion oder Guanfacin) ebenfalls.
Die Menschen, die ich kenne, die diese Haltung vertreten, haben in meinen Augen zu früh aufgegeben.
Dh. erster Psychiater/Neurologe, erster Medikationsversuch -
ohne auf den Stoffwechsel zu achten,
ohne gerade bei Langsamverstoffwechslern auf Koffein zu verzichten,
ohne die Wechselwirkung anderer Medis, die ebenfalls über CYP2D6 verstoffwechselt werden zu berücksichtigen,
manche sogar die H1 oder H2-Antagonisten als „Schlafhilfe“ benutzten etc.
Es gibt recht viel zu beachten, dafür kann man aber auch sehr individualisieren.
Eigentlich benötigt man eine lebenslange Begleitung bei der Medikation um eben die Medikation bei Veränderungen im Stoffwechsel oder den Hormonen durch Pubertät oder Wechseljahre oder Ernährungsumstellung etc… immer wieder anzupassen.
Das hatte ich auch gehört und die erste Zeit auch das Gefühl, dass meine Kreativität „verschwunden“ wäre.
Ich habe aber nach einer Weile frstgestellt, dass ich immernoch genauso kreativ bin, ich aber 1. nicht diesen „Klick-Moment“ habe, in dem ich dann jetzt sofort malen/schreiben etc will und ich 2. nicht mehr in diese „Extase“ verfalle und mich komplett mit meinen Emotionen darin verliere.
Ich schreibe Texte, Gedicht oder Lieder immer dann, wenn ich mich schlecht oder besonders gut fühle. Ich habe erst jetzt, nach mehreren Monaten mit Medikamenten, bemerkt, dass ich mir davor nie einen gefallen damit getan habe, weil ich mich dann immer so tief dareingestürzt habe und alles so intensiv spürte, dass es meine Psyche eigentlich mehr belastet hat, als dass ich mich dadurch von diesen Gefühlen befreien konnte.
Allgemein fühle ich nicht mehr so intensiv, was sehr schön ist. Ich fühle immer noch, Höhen und Tiefen, Wut, Trauer. Aber ich verliere mich da nicht mehr drin. Früher war es so, als gäbe es nur noch diese Emotion, als wäre ich zu dieser Emotion geworden. Es fühlt sich einfach anders, und auch so viel besser an, aber man muss sich erst dsran gewöhnen. Schließlich kannte ich es über 22 Jahre nicht anders.
Interessant ist vielleicht noch, dass alle diese Menschen noch nie Medikamente ausprobiert haben.
Vielleicht ist da das Vorurteil vom ruhigstellenden Ritalin immer noch im Kopf.
Danke für das Schildern eurer Erfahrungen. Der Großteil deckt sich ja auch mit meinen.
Es gibt keine positiven Eigenschaften, die eine Störung mit sich bringen kann. Man kann sich welche gut schön reden, aber im Grunde genommen, gibt es einfach keine, wo Adhsler* Patent drauf haben. Kreativität hin oder her, in manchen Fällen kann sie mehr schaden als nutzen.
Na, dann ist der Leidensdruck einfach nicht groß genug.
Ich komme zu einer anderen Schlussfolgerung. Hochbegabung fällt oft nicht vom Himmel sondern fällt in Familien, die zumindest gut intelligent sind. Wenn wir bei Hochbegabten mehr ADHS Diagnosen haben trotz besserer Copingchancen, kann das daran liegen, dass es einen Zusammenhang von HB und ADHS gibt oder dass intelligente Eltern, die ADHS vererben, die HB ihrer Kinder und den Leidensdruck durch ADHS eher erahnen als durchschnittlich oder unterdurchschnittlich Intelligenz vererbende Eltern mit ADHS und sie verfügen eher über die Durchsetzungskraft im maroden Gesundheitssystem ihre Kinder auch angemessen testen, diagnostizieren und behandeln zu lassen.
Weniger kreativ, da fällt mir ein, dass ich spätabends nach der Medikamentenwirkung wunderbar assoziieren kann, ich komme auf unglaubliche Zusammenhänge und komme mir genial vor - schönes Gefühl, wirklich.
Allerdings nur von innen betrachtet. Meine Frau findet diese Zusammenhänge meist albern und peinlich.
Ich nehme seit 6 Wochen Elvanse und hatte dazu eine Anämie, war vorher immer extrem müde und hab auf der Arbeit nur mit Ach und Krach durchgehalten und konnte echt schlecht schlafen. Gegen die Anämie nehme ich seit einigen Wochen Eisentabletten.
Jetzt schlafe ich zwar immer noch etwas unruhig und unregelmäßig, aber ich fühle mich schon weniger müde, halte auf der Arbeit länger durch und kann mich besser konzentrieren. Heute war ich nach der Arbeit noch beim Sport und einkaufen und fühl mich auch jetzt nicht so total fratze wie sonst. Ich habe das Gefühl, präziser denken und mir Wörter und Zahlen besser merken zu können.
Der Aha-Moment - ich hab gerade die Aufgabe für ein Seminar gemacht, das ich auf der Arbeit besuche. Da musste man einen Fragebogen ausfüllen und am Ende die Punkte zusammenrechnen - und das Kopfrechnen ging echt viel leichter als sonst…
Ich hab, wie die meisten hier schreiben, auch das Gefühl, eher die positiven Aspekte erst nutzen zu können, weil einfach mehr Energie und klares Denken da ist, sodass ich die Ideen dann auch umsetzen kann.
Ich kann mir vorstellen, dass wenn man zu hoch dosiert, vielleicht die positiven Aspekte gedämpft werden, aber selbst erlebt hab ich es nicht.