Falsche Autismus-Diagnose - nur Kompensation des ADHS

Hallo!

Ich glaube, meine Autismus-Diagnose ist falsch. Im Nachhinein, wenn ich zurückblicke, sind beinahe alle Eigenschaften, die ich für Autismus hielt, mit der Überkompensation und der Maskierung des ADHS erklärbar.

Für den Kontext: ich habe seit rund zwei Jahren meine ADHS Diagnose, ergo selbige eben im Erwachsenenalter erhalten (mit Mitte 30). Weil ich in vielen Dingen sehr gegensätzlich zu den ADHS-Menschen in meinem Umfeld war/bin, hatte ich von Anfang an den Verdacht auch autistisch zu sein. Mein Neurologe hielt das für absolut nicht zutreffend bei mir und gab mir keine Unterstützung in der Hinsicht.

Also habe ich selbst mit der Recherche angefangen, allerdings vornehmlich via Social Media und Selbsttests wie auf Embrace Autism. Nicht mit richtigen Fachbüchern und den Diagnose-Kriterien. Im Nachhinein lag darin wohl der Fehler, weil auf den sozialen Medien viele ADHS-Symptome, Autismus-Merkmale und darüber hinaus etliche psychische Krankheiten wie PTBS durcheinander geworfen werden.

Aber, und damit mache ich mir ganz sicher keine Freunde hier, der Wunsch (ja, so muss ich es in aller Deutlichkeit bei mir selbst nennen) autistisch zu sein war immens. Vermeintlich glich das alles aus, was durch das ADHS falsch lief bei mir: Organisation statt Chaos, Detaligenauigkeit statt flüchtigem Überblick, Ruhe statt Impulsivität usw. Selbstverständlich ist das eine komplett einseitige und falsche Ansicht von Autismus, wie ich heute weiß.

Ich habe dann ohne Unterstützung meines Neurologen eine Autismus-Diagnostik veranlasst und hatte Glück, im letzten Jahr Termine zu erhalten. Ich habe einige Fragebögen und Interviews gemacht und die Diagnostik ging etwa über vier Stunden plus Zuhause ausgefüllte Fragebögen. Sehr ausführlich also. Soweit so gut, so soll es ja auch sein. Ich habe allerdings oft bei der Beantwortung der Fragen zuhause absichtlich und bewusst übertrieben, und mich im Grunde auf die Kompensationsmaßnahmen für das ADHS bezogen (nicht immer, aber eben oft). Manche Eigenschaften stimmen sicherlich auch, aber ich bin mir sehr sicher, dass ich ohne Übertreibungen die Diagnose Autismus nicht erhalten hätte.

In den letzten Wochen und Monaten habe ich mich intensiv mit den Diagnosekriterien in Fachbüchern zum Thema Autismus auseinander gesetzt, genauso wie mit Fallbeispielen in diesen Büchern. Mir ist klar, dass manches veraltet ist und/oder stereotyp etc., aber die Grundstimmung des Autismus innerhalb meines Lebens, der berühmte rote Faden sozusagen, ist einfach bei mir (fast) nicht da. Alles, was ich so in meinem Leben an Problemen habe und hatte, lässt sich deutlich treffender mit der ADHS erklären. Ein paar Dinge bleiben übrig, z.B. die Tendenz alles wörtlich zu nehmen, aber diese Dinge spielen eine sehr untergeordnete Rolle innerhalb meiner Problematik im Alltag und im sozialen Leben.

Wenn ich mich in Fachbüchern zum Thema ADHS mit den Symptomen auseinander setze, finde ich extrem viel, was die Probleme in meinem Leben erklärt. Und für nichts davon gibts eine bessere Erklärung als eben ADHS.

Es ist krass für mich einzusehen, dass ich den Autismus „haben wollte“, um sozusagen für die ADHS zu kompensieren. Wie gesagt, mir ist absolut klar, dass Autismus definitiv keine Kompensation für ADHS darstellt, sondern das Leben NOCH komplexer macht für Betroffene von beidem (oder machen kann, wir sind alle individuell). Und glaubt mir, ich weiß, dass Autismus eine ernste Sache ist und ich habe ihn während des Prozesses nie verniedlicht oder verharmlost (bewusst, unbewusst dank Social Media vielleicht schon).

Das hier soll kein Mitleids-Thread werden, ich will auch kein Mitgefühl für meinen Fehler und meine bekloppte Denkweise. Ich stehe zu meinem Fehler, das ist okay für mich. In erster Linie möchte ich mit dem Thread anderen bewusst machen, dass solche Denkmuster existieren und sie evtl vor meinem Fehler bewahren.

Ein letzter Rest bleibt in mir dennoch übrig… trotz aller Gegenargumente fühlt sich die Autismus-Diagnose am Ende richtig an für mich. Das liegt vielleicht daran, dass ich ASS ernster nehme als ADHS (was Unsinn ist, das sind wieder meine Denkmuster). Es liegt ganz sicher auch daran, dass ich diesen Weg gehen musste, um mich selbst besser zu verstehen. Ohne die Diagnostik hätte ich meine Denkweise nie durchschaut.

Ich würde euch bitten, nicht zu harsch mit mir zu sein. Ich weiß selbst noch nicht, was ich mit meiner Erkenntnis nun anstelle… Vielleicht die Diagnose mal revidieren lassen. Aktuell nehme ich niemandem damit was weg, obwohl sie falsch ist, und ich renne auch nicht rum und sage, ich bin autistisch. Wenn ich Diagnosen preisgebe, dann allein das ADHS.

Vielleicht möchte jemand was dazu sagen, vielleicht dient dieser lange Text einfach nur als Warnung für andere. Danke euch fürs Lesen auf jeden Fall!

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:sparkling_heart:Lich willkommen hier , und vielen Dank mit großem Respekt vor deiner reflektierten Ehrlichkeit.

Ehrlich gesagt ist alles für mich total nachvollziehbar warum du da irgendwie reingerutscht bist.

Mit dem ganzen gestruggel rund um das Andersein sucht man nunmal verzweifelt nach Antworten und dem Gefühl von „Erlösung“ und der Hoffnung endlich verstanden zu werden.

ADHS und Autismus bewegen sich beide in einem Spektrum von daher kann es auch gut sein , dass ein Mini wenig AU in deinem ADHS ist. Du hast ja in der Diagnostik nicht komplett frei herumgelogen nur vorhandenes in die Richtung geschoben.

Das wichtigste ist, dass du im Rückblick deine Weg reflektierte hast und Unstimmigkeiten erkennen konntest.

Letztendlich ist es ja auch fast „egal“ ob Autismus, oder AuDHS oder ADHS, alles drei bedeutet , das es Einschränkungen gibt, die nicht immer verstanden werden und das man selbst dafür Verantwortung trägt es zu akzepteieren und versucht im Leben so gut wie möglich damit klarzukommen .

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Hi,
schön, dass du da bist. Ich schließe mich Nelumba_Nucifera an.

Die Suche nach Antworten treibt uns manchmal in bestimmte Richtungen und das Internet ist voll mit Informationen und möglichen Antworten.
Eine Diagnose ist auch sehr schnell gestellt zumal es zwischen ADHS und Autismus viele Ähnlichkeiten gibt.
Wir dürfen nicht vergessen, dass eine Diagnose oft ein ganzes Spektrum umfasst, das von "leichten Einschränkungen des Alltags " bis hin zu „schwerer Behinderung“ reichen kann, und manchmal sehr wenig über die eigenen spezifischen Schwierigkeiten aussagt.

Zudem können ADHS oder Autismus-typische Verhaltensweisen auch durch andere Wahrnehmungs-oder Verarbeitungsstörungen verursacht werden, was in Untersuchungen gerne übersehen wird. (z.B. in der Auditiven Wahrnehmung, dass jemand Hintergrundgeräusche schlecht ausblenden kann und deshalb nicht konzentriert zuhören kann, usw. )

Vielleicht hilft es, sich weniger an einer Diagnose festzumachen, sondern eher zu überlegen, wer du bist, wie du die Welt wahrnimmst und inwiefern einzelne Merkmale bei dir ausgeprägt sind (mit allem schönen und Problematischen, das damit verbunden ist). Immerhin bist du ja schon einen Weg gegangen, um Antworten zu finden.

Dann ist es vielleicht leichter, passende Strategien zu finden und dich zu erklären.
Das ist in meinen Augen viel wichtiger und hilfreicher als eine blanke Diagnose.

Ich drück dir die Daumen und fühl dich gedrückt.

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Hallo!

Ich danke euch beiden für die herzlichen Antworten. Hab mich wirklich sehr gefreut, dass ihr euch die Zeit genommen habt alles zu lesen und dann auch eine Antwort zu verfassen. <3

Eigenschaften und Probleme, die man dem Autismus-Spektrum zuordnen würde, habe ich wohl definitiv. Du hast Recht @Nelumba_Nucifera , ich habe weder gelogen noch frei erfunden, sondern hier und da übertrieben und die Probleme schlimmer dargestellt als sie in meinem Leben sind. Meine Vermutung ist, dass ich ohne Übertreibungen vermutlich irgendwo mehr oder weniger knapp unter dem Cut-Off gelandet wäre.

Zudem hatte ich nach über 30 Jahren konstantem Masking tatsächlich und ehrlich an vielen Stellen der Fragebögen keine Ahnung, ob ich dieses oder jenes Problem oder Eigenschaft aus dem Autismus-Spektrum habe oder nicht. Vermutlich wäre es klüger gewesen, noch ein, zwei Jahre am Unmasking meiner ADHS zu arbeiten und dann zu sehen, was noch an Klärungsbedarf übrig ist.
Aber nachdem ich diesen Verdacht auf Autismus über zehn Jahre mit mir herumgetragen hatte, wollte ich die Sache angehen. Ohne zu bedenken, was alles hinter diesem ständigen „Wunsch nach Autismus“ stecken könnte.

Ich finde das hast du sehr schön ausgedrückt, @Niceta Es geht darum, wie jemand - in dem Fall eben ich - die Welt wahrnimmt und sich weniger an einer einzelnen Diagnose festzuhalten. Auch wenn diese sehr viel Orientierung und Erleichterung geben kann, wie wahrscheinlich die meisten in diesem Forum bezeugen würden.

Ich glaube, bei mir steckte hinter dem Wunsch nach Abklärung des Autismus auch sehr viel Scham über die eigenen ADHS-Symptome. Logisch wenn man sein Leben lang Ablehnung deshalb erfährt.

Vielleicht kann meine Geschichte hier auch dem ein oder anderen als Warnung dienen, Social Media immer zu hinterfragen und bei sich und der eigenen Geschichte zu bleiben.

Liebe Grüße!

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Hey,

es wurden ja schon sehr nette Antworten hier geschrieben. Ich habe deinen langen Text durchgelesen und war auf eine gewisse Art sogar gerührt davon. Zum Einen kann ich gut nachvollziehen, wie sich dein inneres Erklärmodell aufgebaut hatte. Zum Anderen umtreibt mich das Thema selbst ein bisschen, wenn auch umgekehrt gelagert.

Bei „Kompensation vs. Routinen“ lässt sich vielleicht auch danach abgrenzen, dass Kompensation mehr in die zwanghafte Richtung geht, also aus Angst vor dem Zusammenbruch des aufgebauten Kartenhauses. Autistische Routinen hingegen sind nicht angstgetrieben, sondern bauen Stress ab und werden eher als angenehm empfunden. Dieses Angstthema scheint besonders bei Selbsttests ein starker Faktor zu sein, der die Scores hochtreibt und aber eigentlich eher auf etwas anderes hinweist. Vielleicht finde ich die Studie wieder, war noch nicht so lange her.

Persönlicher Senf zu ASS — Klapptür zwecks Threadhygiene

Ich habe so meine Schwierigkeiten damit, wie stark ASS in den sozialen Medien heute aufgeweicht und „verbreitert“ wird. Im Studium habe ich das noch als „entwicklungsneurologische Störung“ kennengelernt, was dem heutigen Stand so sicherlich auch nicht mehr ganz gerecht wird. Aber das ist das Gegenteil von diesem seltsamen Onlinephänomen, wo sich alle möglichen Gestalten einsortieren, die eine Legitimierung (und teils Glorifizierung) für schlechtes Sozialverhalten brauchen. Hier im Forum sind die meisten zu nett, da macht herumtrollen und herumposen solchen Leuten nicht genug Spaß. :wink:

Vor gut fünf Jahren habe ich das Thema für mich auch einmal durchgespielt, weil ich Erklärungen wollte, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Für die meisten Auffälligkeiten haben sich aber plausiblere Erklärungen gefunden (Stress durch Hörbehinderung), und als Kind habe ich keine entsprechenden Anzeichen gezeigt. Es gibt auf jeden Fall ein paar Berührungspunkte oder autistische Züge, aber eigentlich sehe ich mich da nicht wirklich drin. Von anderen werde ich aber hin und wieder darauf angesprochen, ob es bei mir nicht doch ansatzweise vorliegen könnte. Das hängt i.d.R. damit zusammen, dass ich eher unkonventionell und unabhängig denke und handle (nicht als Angeberei gemeint). Das Leben ist mir zu kurz für zu viele soziale Konventionen. Kurz und schmerzhaft: Ich will ASS eigentlich nicht haben, aber manchmal wird es mir zugeschrieben.

Vor fünf Jahren war das Thema für mich noch komplett neutral besetzt. Inzwischen wehrt sich in mir einiges dagegen, dass manchmal schon an dem Punkt ein Alienverdacht im Raum steht, wenn man nur seine Werte etwas konsequenter vertritt und etwas mehr in der „eigenen Mitte“ ruht. Das finde ich besorgniserregend, weil man so schleichend die ethischen Ansprüche an alle anderen senkt, also NT zu sein wäre dann die Ausrede für unethisches oder unintegres Verhalten. Irgendwie ziemlich verwirrend das Ganze.

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Also eigentlich korreliert Autismus recht häufig mit Ängsten. Je tiefer im Spektrum zeigen die es nur anders. Gilt natürlich nicht für jeden.

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@tamaracha Beim Thema Kompensation vs. Routinen ist der Punkt mit der Angst natürlich extrem wichtig, aber ich glaube aus meiner eigenen Erfahrung heraus, dass man wirklich sehr genau hinsehen muss, was genau hinter den Routinen steckt. Bei Autismus kann, wie @schlingelprinz schon angemerkt hat, auch Angst dahinter stecken, weil die Welt als komplett unvorhersehbar erlebt wird und die Routinen Sicherheit geben. Das kann (muss aber nicht, klar) auch Angst sein. Oder sich irgendwann im Laufe des Lebens zu Angst entwickeln. So viel ich weiß liegt es in der Natur von Angststörungen vermeintlich Stress zu reduzieren und da würde die Abgrenzung nun noch schwerer.

Entscheidend ist meiner Meinung nach, ob das Streben nach Routinen unabhängig von der Angst in einem gewissen Ausmaß existiert. Also ob man es als zu sich zugehörig empfindet, sich freier und authentischer fühlt damit. Und ich fürchte, je älter man ist, desto schwerer wird es dem wirklich auf die Spur zu kommen.

Ich selbst könnte aktuell immer noch nicht ganz genau sagen, welche Routinen und co. eigentlich tatsächlich Kompensation sind und welche einfach zu mir gehören. Vieles dreht sich darum, dass das Kartenhaus nicht zusammenfällt, und mein Alltag weiterhin funktioniert. Das ist natürlich viel Zwang und Angst, keine Frage. Aber nicht nur.

Ein Punkt in tamarachas Text fand ich noch sehr spannend: „Ich will keine ASS haben“ stand da sinngemäß. Sozusagen tatsächlich das Gegenteil von mir. ADHS erlebe ich für mich als viel schambehafteter als ASS, weil mir autistische Merkmale nie von außen zugeschrieben oder vorgeworfen wurden. Allerdings wollte ich damals auch unbedingt ADHS haben, um wenigstens zu einer Gemeinschaft dazuzugehören und die Ablehnung kam erst mit der Zeit auf als ich realisiert habe, wie sehr die Merkmale mein Leben beeinflusst haben und dass sie wirklich fast alle zutreffen. Und heute kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich definitiv keine ADHS haben möchte und auch wirklich so gar nichts positives daran finde. Es ist einfach eine Behinderung, die mir das Leben unnötig schwer macht. Bei Autismus war es eher so, dass ich dachte, es macht mir das Leben etwas leichter, weil ich (Achtung Stereotyp!) ja plötzlich lernen könnte.

In diesem Beitrag wurde der Unterschied von Zwängen und autistischen Routinen gut beschrieben.

Das Kriterium, ob man es als sich selbst zugehörig empfindet ist auch sehr wichtig. Und da das Ganze ein Spektrum ist, praktiziert im Grunde jeder ein gewisses Ausmaß an Stimming oder Routinen. Also man steckt quasi in der gleichen Abgrenzungsbedouille wie mit ADHS auch.

Ursprünglich hatte ich mich auf das hier bezogen:

ADHS-Diagnose habe ich keine und würde beide Störungen nicht als großen Gewinn betrachten. Vor Allem aber möchte ich nicht, dass meine Entscheidungen auf so etwas wie eine hypothetische ASS zurückgeführt werden, sobald sie von Konventionen abweichen. Und ich möchte nicht, dass meine guten Seiten von komischen Leuten als zwangsläufiges ASS-Indiz gesehen werden. Früher war es einfach eine Diagnose und damit für mich wertneutral, inzwischen ist es auch zusätzlich ein Politikum.

Diagnosen habe ich immer nur aus der institutionellen Richtung heraus betrachtet oder erwogen, weil sie einem ggf. Ausgleiche bringen können. Aber 100% GDB habe ich schon, bis auf ein paar andere Erklärungen hätte sich nicht viel geändert.

Bei der ASS Diagnostik wurde meinem autistischen Sein, dass erste mal klar wie heftig Angst einem das Leben kaputt machen kann. Kamen dann ein paar Tränchen beim fleißigen ausfüllen der passenden Fragebögen unter Aufsicht der Psychologin und beim Reflektieren danach in der 5 Minutenpause in den Menschenmassen vor der Klinik. Man steht da und sieht alle „Kinder“ zusammen Smalltalk „spielen“ nur man selber gehört nicht dazu, weil man nicht so richtig weiß wie es geht, also schon irgendwie aber es ist halt sau anstrengend. Sein Leben lang Normal wirken zu müssen ist echt Anstrengend und man wird Vorsichtig aufgrund von Trial and Error und sonstigem.

Und wie man dass jetzt einem anderen Menschen erklärt, dass sowas einen massiv belastet, ist auch nicht gerade einfach wenn man nicht so richtig weiß wie aufgrund von gesellschaftlichen Erwartungen normal zu sein. Naja und bei vielem fehlen einem dann noch die richtigen Worte bzw. fallen einem so wieso nicht ein falls doch vorhanden oder man geht erst gar nicht mehr hin.

Merkwürdigerweise hatte dieses meine kleine Sein keine Angst vor Bewertung durch andere. Hat man sogar schriftlich festgehalten. Es war sich aber auch sehr sicher, dass es Autist ist dieses kleine Sein und ist es immer noch auch wenn der Rest des ganzen komplexen Individuums das es beschützt immer wieder Zweifel daran hat.

Manchmal sollte man einfach mal Kindern glauben… die nehmen die Welt meist noch ungefiltert wahr.

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und wenn ich so recht darüber nachdenke, brauch ich die Diagnose nicht zur Identifikation, auch wenn man es vermerkt hat. Wollte nur sichergehen dass die da was nicht verwechseln, daher habe ich es angegeben bei der Diagnostik.

Der wichtigste Punkt warum die Diagnose dringend nötig war, ist der Schutz der einem dann zuteil wird oder nennen wir es die Entlastungsmöglichkeiten zusätzlich des, ich drücks mal vorsichtig aus, nutzlosen GDB. Nennen wir es in Gewisserweise Freiheit aus der Gefangenschaft Normal sein zu müssen, um diejenigen des komplexen Individuums zu entlasten, die das autistische Sein beschützen zu versuchen und vor ständiger Überforderung zu bewahren.

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Genauso, wie du es in deinem Post beschreibst, war es von mir gemeint. Ich meinte nicht, dass man mit Autismus keine Angst hat, sondern sie hat andere Gründe.

Ja. Das läuft nicht so intuitiv ab und ist deswegen mega anstrengend, außerdem der Rest Unsicherheit, ob man es gerade schon wieder verkackt hat. Der Schlüssel zum Mitspielen muss mühsam erworben werden und bleibt dennoch ein Seiltanz.

Genau. Aber um genau das geht es bei „klassischen“ sozialen Ängsten. Angst vor Bewertung, sozialem Ausschluss, ggf. damit verbundenem Statusverlust, drohender Verlassenheit usw.

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Der ist mir natürlich erstmal vermeintlich verloren gegangen, ich such den ja immer noch, dabei halte ich diesen die ganze Zeit in der Hand. Freunde und Zugehörigkeit sind wichtig, auch für autistische Menschen. :slightly_smiling_face:

Und ich mag total Metaphern :partying_face:, meine eigenen sind so wieso die besten. Die sind so gut das die neurotypische KI, Chatgpt, diese meistens sofort versteht. Ich überlege noch was ich damit sagen will. Sag es aber mal im voraus. :grin: :+1:

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Es ist spannend zu lesen wie ihr die Unterscheidung zwischen Angst/Zwang und den autistischen Routinen beschreibt.

Ich möchte mich auch einmal entschuldigen, @tamaracha falls in meinem Beitrag rüberkam, dass ich dir eine Diagnose welcher Art auch immer zuschreiben möchte. Das ist nicht der Fall und es tut mir Leid, falls meine sprunghafte Gedankenwelt schriftlich die Klarstellung vermasselt hat. Deine Persönlichkeit ist selbstverständlich keine Diagnose, da bin ich ganz deiner Meinung. Mit meinen Einschätzungen oben hab ich mich nur auf mich und meine eigenen Erfahrungen bezogen.

Ich habe Diagnosen immer zu sehr als Identitäts-Anleitung verstanden, was im Nachhinein wirklich keine gute Sache für mich war. Ja, manches hat im Verlauf meines Lebens gestimmt und sich als lebenswichtige Erkenntnis herausgestellt. Aber ich habe dabei oft meine eigenen Ansichten verloren und Verhaltensweisen zu sehr als meine Identität betrachtet. Das nur dazu, dass du sagtest, Diagnosen sind im Grunde nur Hilfestellungen für Unterstützung.
Ich persönlich finde Diagnosefindung für sich selbst ist meistens/oft eine extreme Gratwanderung zwischen Selbstfindung und bloßer Formalie für Unterstützung.

Smalltalk… Meine Hassliebe sozusagen :smile: Ich weiß nicht, wie er funktioniert auf eine neurotypische Art, aber ich kann sehr schnell spontan aus witzigen Assoziationen in der Situation lustige Sprüche machen. Reden übers Wetter bedeutet mir wenig, außer es hat Inhalt, der irgendwie relevant ist.

Aus meinem immer wieder kritisierten ADHS-Verhalten haben sich für mich Ängste entwickelt und zeitweise auch eine soziale Phobie. Ich hatte/habe Angst, dass man mich für mein ADHS-Verhalten beschimpft, beleidigt, ausgrenzt etc. Da bleibt auch bei mir ein Rest Unsicherheit, dass ich tatsächlich so existieren darf in einer Gruppe oder auch mit nur einem anderen Menschen im direkten Kontakt. Was diese Menschen aber konkret von mir halten, ist mir weniger wichtig. Ich bemerke das auch oft nicht mal, wenn jemand nicht überdeutlich mit mir agiert.

Ich kann mit anderen mitspielen im weitesten Sinne, aber nur wenn man mich sein lässt wie ich bin. Ich kann soziale Regeln verstehen und befolgen, wenn ich es von mir aus freiwillig möchte und auch umsetze. Und wenn ich den Sinn in ihnen sehe, ganz wichtiger Punkt. Insofern kann ich mich eben ein Stück weit mit autistischen Menschen identifizieren, weil es ihnen oft ähnlich ergeht.

In dem Sinne kann ich nur sagen, dass es mir mit der ADHS Diagnose genauso ging wie @schlingelprinz es mit dem ASS beschrieben hat: ich brauchte sie, um mich selbst vom Druck des Normalseins zu befreien und mir angemessene Unterstützung für Arbeit und Studium besorgen zu können.

Ich habe das Gefühl, ich schreibe hier sehr lose und vage zusammenhängend und es tut mir Leid, wenn ihr grade nicht mitkommt mit meinen Gedanken. Ich tute mich selbst hier im schriftlichen, wo ich alles zehn mal nachlesen kann, unfassbar schwer mit „Gruppenkonversationen“, weil mein Hirn keinerlei Struktur automatisch darin erkennt. Ich muss die mir mühsam zusammenbauen, das misslingt mir echt oft, und dann springe ich wild in meiner Antwort herum… Sorry.

Metaphern sind toll btw, ich mag die auch.

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mach ich glaube ich aus so, voll normaaaaal. weiß auch gar nicht mehr um was es hier eigentlich ging, schreibe die meiste zeit sowieso nur mit mir selber irgendwie. :partying_face:

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Hallo,

da mach dir mal keine Gedanken. Du hast doch nach Wegen gesucht, die passendsten Hilfen zu bekommen.

Dass sich ADHS und Autismus gegenseitig ausschließen, ist inzwischen überholt. Viele von uns haben beides, und das Etikett ist auch nicht so wichtig (als Zugangsberechtigung natürlich schon).

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@KiwiSam
Wenn der Autismus durch die ADHS-Symptome überlagert wird, kann es auch für Spezialisten schwierig sein, die Henne vom Ei zu unterscheiden.

Deswegen wäre es nützlich, wenn Du vorübergehend einmal anders vorgehen würdest, indem Du Dir die Frage stellst, welche Symptome Dich in Deinem Leben am deutlichsten beeinträchtigen. Und dann erst, ob es sich um autistische oder ADHS-Symptome handelt. Verstehst Du?

Bei mir war es so, dass mein schulisches, akademisches, berufliches usw. Versagen sich relativ einfach mit ADHS-Symptomen in Verbindung bringen lies. Mein Versagen im sozialen Bereich, im Knüpfen und im Erhalten von Beziehungen, gar noch von Intimbeziehungen liessen sich mit ADHS-Symptomen überhaupt nicht in Verbindung bringen. ADHSler sind eher für das Gegenteil berühmt, nämlich für einen relativ schnellen und distanzüberspringenden Bindungsstil. Wenn es auch schwierig sein mag, Beziehungen zu halten, so ist scheint es doch nicht unmöglich, welche zu knüpfen.

Ich finde, dass die Schwierigkeiten im sozialen Bereich und die Neigung zum isolierten Dasein, zum Einzelgängertum, Eigenbrödlertum und zum ständigen sozialen Rückzug das Hauptkriterium, oder sagen wir zumindest der kleinste gemeinsame Nenner aller Autismusformen sind. Ich weiß, dass dies bei ADHSlern auch vorkommt und dass es deshalb schwer sein mag, dies zu unterscheiden. Aber die Aktentuierung ist dann doch eine andere. Bei den Autisten ist dies ein generelles Problem. Während bei ADHSlern dieses Phänomen sofort verschwindet. Wenn er sich in einer Gruppe bewegt, dessen Menschen ihm sympathisch sind, fällt das Bedürfnis nach Isolation nämlich plötzlich weg. Der Autist wird Gruppen generell meiden.

Beim ADHSler ist wesentlich auch von seiner Stimmung und äusseren Umständen abhängig. Fühlt er sich wohl, wird er automatisch Kontakt zu anderen Menschen suchen und vice versa. Es gibt beim ADHSler auch Phasen im Leben, wo es ihm sogar leicht fällt, Leute kennenzulernen und Phasen, wo es ihm schwerer fällt.

Der Autist - etwas übertrieben Gesprochen - hatte schon im Kindergarten keine Spielkameraden und ist bis ins hohe Alter freundlos geblieben. Wobei viele Autisten ihre Kontakte durchaus als Freunde bezeichnen. Ich gebe ein Beispiel, meinen besten Freund sehe ich etwa 1 mal im Jahr, meinen zweitbestenzweimal im Jahr und meinen drittbesten alle 4 bis 6 Wochen.

Kein „normaler“ Mensch, bzw. kein ADHSler würde dies als enge Freundschaft bezeichnen; vielleicht wenn man räumlich getrent wäre, aber nicht, wenn man im Nahbereich wohnt.

Lange Rede kurzer Sinn, jeder der sich fragt, ob neben der ADHS ein Autismus besteht, sollte im Beziehungsbereich, vor allem im nahen Beziehungsbereich forschen. Während ADHSler sehr schnell warm und eng werden mit fremden Menschen, Sympathie vorausgesetzt, ist dies bei Autisten nicht der Fall. Auch der Kommunikationsstil ist ein anderer. ADHSler haben überhaupt kein Problem, stundenlang zu telefonieren. Autisten tun das nicht. Sie kommunizieren schriftlich oder von Gegenüber zu Gegenüber. Ich bitte, dies als Tendenz aufzufassen, nicht als Ausschließlichkeitsmerkmal. Wenn ich sage, ADHSler haben 2oo Kontakte im Handy gespeichert und Autisten 2o, heisst das nicht, dass Autisten nicht auch 2oo Kontakte im Handy gespeichert haben können, sondern lediglich, dass sich die Kommunikation auf höchstens 5 Teilnehmer beschränkt.

Fatit: In der Differenzierung ADHS/ASS auf Kommunikations- und Bindungsstile achten. Fällt Kommunikation generell leicht oder schwer? Werden Freundschaften leicht oder eher schwer geknüpft. Vor allem, fällt das Knüpfen von Beziehungen generell schwer, auch wenn gemeinsame Interessen bestehen? Vor allem, wie tief gehend sind die Beziehungen? Wie oft sieht man die Personen, die man als nahe stehend bezeichnet? Werden intime Beziehungen (zum anderen Geschlecht) gesucht oder eher vermieden oder zumindest nicht aktiv gesucht?

Behält man diesen Fragen im Blick, und leider tun das Psychiater nicht oder selten, kommt man meiner Auffassung nach in der Frage ADHS und/oder Autismus recht schnell auf einen grünen Zweig.

In der Natur der Sache liegt, dass eine Medikation mit Stimulanzien bei ADHS-Autisten wesentlich schlechter anspricht, als bei „nur“ ADHSlern. Das liegt zum einen einfach daran, dass die Hälfte der Symptome gar nicht adressiert wird und zum anderen daran, dass Stimulanzien ein autistisches Symptom wesentlich fördern können, den sozialen Rückzug. Zum einen durch die dramatische Beförderung der Beschäftigung mit dem Spezialinteresse. Zum anderen wird die Reizoffenheit verstärkt. Mir ist klar, dass dies auch ADHSler unter Stimulanzien erleben, obschon es die Reizoffenheit eigentlich verringern sollte. Aber wir sprechen bei Autisten von einer anderen Reizoffenheit. Umweltgeräusche machen sich nicht einfach störend bemerkbar, sondern sind unmöglich auszuhalten. Auch dies befördert den sozialen Rückzug bei Autisten unter Stimulanzien. Eine normale Kinolautstärke bei einem Actionfilm, eine Blaskapelle im Bierzelt ist nicht einfach laut, sondern nicht aushaltbar.

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Ich danke für deine ausführliche Perspektive, @KarlGeorg Diese gibt mir sehr viel zum Nachdenken.

Wenn ich deinen Ansatz einmal verfolge und aufliste, welche Probleme mich im Alltag und in meinem bisherigen Leben am deutlichsten beeinträchtigen, so sind das (ohne eine Rangfolge, sondern lose aufgelistet):

  • ich bin absolut und ständig von Anforderungen überfordert, besonders wenn mehrere bearbeitet werden sollen (z.B. beruflich)
  • ich kann zwar oberflächliche Beziehungen schnell aufbauen, bin aber unfähig diese zu vertiefen (ein paar sehr spezielle Menschen ausgenommen)
  • Planung und Organisation jeglicher Art sind mir fast unmöglich, auch bei alltäglichen Handlungen
  • emotionale Regulation benötigt viel Zeit
  • soziale Isolation bis hin zur Sozialphobie

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber das sind die Dinge, die mir relativ direkt eingefallen sind.

Bei mir lassen sich alle akademischen Probleme ebenfalls auf die ADHS zurückführen, z.B. die Unfähigkeit mir Vokabeln zu merken oder Rechenergebnisse im Kurzzeitgedächtnis zu behalten bis sie notiert sind. Im Studium war es ähnlich, allerdings weniger krass, weil ich mir den Fachbereich aus Interesse gewählt hatte und das natürlich leichter ist zu lernen.

In Beziehungen führe ich meine Probleme in jedem Fall auch auf die ADHS zurück: impulsive Gefühle, Langeweile wenn man die Person länger kennt, „überfallen“ der anderen Person mit zu intimen Gedanken und Ansichten, Konzentrationsprobleme in Gruppen usw.

Im Bindungsstil sehe ich also meine ADHS deutlich im Vordergrund, weil ich, sofern ich mich wohlfühle, durchaus mit vielen Menschen unterhalten kann. Je enger die Beziehung wird, desto mehr Panik und Rückzug kommt allerdings auf. Und natürlich überfordern mich Gruppen, egal wie wohl ich mich fühle, auch sehr schnell, sodass ich danach einiges an Ruhe brauche. Ich brauche lange, um in Gruppen überhaupt warm zu werden und die Menschen einschätzen zu können, was ich auf meine soziale Phobie zurückführe.

Ich muss auch sagen, selbst wenn ich damit die Ausnahme sein mag, fühle ich mich als sozialer Eremit ganz wohl. Ich wohne alleine, sehe meine Freund:innen alle paar Wochen bis Monate und kann durchaus viel alleine unternehmen - was nicht heißt, dass ich mir hier und da nicht doch Gesellschaft wünsche.

Stimulanzien habe ich zu kurz genommen, um eine echte Beurteilung auf lange Sicht vornehmen zu können. Zudem bin ich ziemlich direkt nach der Eindosierung der Medikamente in einen Burn-Out gerutscht, und habe gemerkt, dass einfach nichts mehr geht. Daraufhin folgte kompletter Rückzug ins Private, also fort von Beruf/Studium und fast allen sozialen Kontakten, um endlich bei mir selbst anzukommen (metaphorisch gesprochen).

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Interssante Darstellung, danke. Erinnert sehr an mich: Schwierigkeiten im Alltag und beruflich primär durch ADHS, aber ASS was das Soziale bzw Nicht-Soziale angeht.
Dss mit den Stimulanzien bei AuDHS ist mir neu, beschreibt aber tatsächlich auch, was ich zT erlebe. Könntest du das mit der Wahrnehmung ADHS vs AuDHS unter Stimulanzien etwas ausführen bzw hast du Quellen dazu?

Ich wollte das ganze nochmal Aufgreifen und aus einer möglichen anderen Perspektive wiedergeben, wenn auch vom gleichen Verfasser. Ich empfinde mein Verhalten unvorhersehbar und daher neige ich dazu, ungern das Haus zu verlassen bzw. mit Menschen da draußen in Kontakt zu treten, vielleicht ist es auch eine Art Wechselwirkung im Wörtlichen Sinne. In wie weit das mit Autismus zu tun hat kann ich nicht sagen, ich Zweifel da ständig dran einer zu sein und auch an dem restlichen Kopfzirkus.

Dazu hab ich eine Frage, die du gern beantworten kannst, wenn du magst.
Was genau meinst du damit, dass du dein Verhalten als unvorhersehbar empfindest? Ist das nur auf den Kontakt mit anderen Menschen bezogen oder generell?

Ich kenne unvorhersehbares Verhalten aus sozialen Situationen sehr gut von mir selbst, z.B. wenn ich unmittelbar impulsiv etwas sage, was die andere Person als unangemessen empfindet. Oder ich empfinde es meistens als total unvorhersehbar wie lange meine sozialen Batterien halten an einem Tag.

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