Bitte hier weiterhin aufmerksam bleiben, um eine Verwechslung mit autistischen Routinen zu vermeiden! Zwangsstörung ist eine der häufigsten Fehldiagnosen auf diesem Gebiet. Grobe Einordnung/Unterscheidung:
Zwänge entstehen aus Angst oder innerem Druck, um Katastrophen zu vermeiden. Sie sollen Angst reduzieren. Werden sie ausgelassen oder abgebrochen, entsteht wieder Angst oder gar Panik. Betroffene erkennen meist, dass die Zwänge irrational sind und empfinden sie als belastend und störend. Zwänge müssen genau richtig durchgeführt werden und sind nicht flexibel und können nicht unterbrochen werden. Die Zwänge erfüllen in ihrer Ausübung oft keinem klaren Zweck, sondern vorrangig der Angstvermeidung. Beispiel Waschzwang mit häufiger Wiederholung, bis zur Selbstverletzung.
Autistische Routinen entstehen aus dem Bedürfnis der Vorhersehbarkeit, Strukturierung und Beruhigung. Ein Unterbrechen der Routine führt zu Stress oder mangelnder Orientierung. Die Routinen werden vom Betroffenen als sinnvoll oder notwendig und auch als angenehm wahrgenommen. Routinen sind flexibel und verhandelbar, wenn sinnvolle Alternativen gegeben sind. Die Routinen sind oft funktional und zielgerichtet. Beispiel Lebensmittel in bestimmter Reihenfolge essen, so dass das Leckerste zum Schluss kommt.
Ich schreibe dies, weil meine Tochter in der Klinik ebenfalls mit Zwängen diagnostiziert wurde. Meine Familienberatung arbeitet aber mit Zwangspatienten und konnte ganz klar verneinen, dass es sich bei dem beschriebenen Verhalten um Zwänge handelte. Auch meine Tochter empfand die sogenannten Zwänge nicht wirklich als störend oder unangenehm. Sie geben ihr Sicherheit und fühlen sich einfach richtig an.
Ja, sie hat auch Ängste. Diese sind aber abgekoppelt von den Routinen. Klar, eine Routine gibt Sicherheit und vermindert dadurch Ängste. Aber Zwänge sind etwas ganz anderes mit einer völlig anderen Qualität.
Ich kenne dein Kind nicht und auch nicht, wie sich die „Zwänge“ äußern. Es kann durchaus sein, dass Zwänge vorliegen. Ich würde mich aber nicht auf die Aussage einer Ergotherapeutin stützen, wenn es um eine Diagnose einer schwerwiegenden Störung geht. Man kann das als Input mit nehmen und diesbezüglich um Abklärung bei einer dafür qualifizierten Stelle bitten.
Am Besten sprichst du mal mit deinem Kind darüber, ob die „Zwänge“ wirklich störend sind, oder ob das Störende nur die Reaktion der Außenwelt auf die vermeintlichen Zwänge ist. Beispiel aus unserem Alltag: Tochter hat eine Routine beim Anziehen, sich fertig machen, beim aus dem Haus gehen. Sie muss beispielsweise auch immer die Katze finden um ihr Tschüss zu sagen. Diese Morgenroutine erfordert Zeit. Ist sie mal spät dran, kann sie nur schwer davon abweichen, was dann zu Stress führt. Die Routine selbst ist nicht das Problem, sondern die Reaktion der Außenwelt darauf, weil sie ja Gefahr läuft, zu spät zu kommen. Muss sie die Routine abbrechen oder kürzen, ist das zwar unangenehm, führt aber nicht zu Angst vor einer Katastrophe.