Ist ADHS subjektiv?

Wir hatten in einem anderen Thread eine Diskussion, ob psychische Krankheiten subjektiv sind. Als ich so darüber nachdachte fiel mir auf, dass mir der Begriff SUBJEKTIV gar nicht so klar ist und wahrscheinlich ist er auch irreführend.

Gute Frage.
Ich beschreibe mein ADHS so: Ich weiß zwar, was ich tun soll, aber ich will nicht. Innerlich sträube ich mich dagegen, weil ich überhaupt keinen Ansatzpunkt finde. Ich kann also keine freiwillige Motivation entwickeln. Prokrastination also?! Mein erlerntes Verhalten ist dann: Durchziehen und gegen den inneren Konflikt der Ablehnung ankämpfen. Alles fühlt sich an wie Steuererklärung machen. Selbst Dinge, die ich vorher gerne getan habe. Aber es muss ja sein.
Das ist auf Dauer furchtbar anstrengend und hat mich denke ich auch schon mehrfach in Burnouts geführt, wenn die Aufgaben mehr werden und sich wiederholen ohne dass neue Reize dabei sind. Ich bewundere Leute, die mit einer entspannten Egal-Haltung durchs Leben gehen können. Ebenso bewundere ich Menschen, die für eine Sache brennen. Beides kann ich nicht. AD(H)S also?!
Das ist mein Kernproblem und den inneren Konflikt beschreibe ich als ein subjektives Empfinden.

Stimmt vielleicht garnicht. Objektiv ist die Stressbelastung offensichtlich messbar und gut sichtbar für Außenstehende. Meine Arbeit, Kreativität, freiwillige Leistung nimmt ab, auch sehr objektiv.
Aber der innere Konflikt, also die Ablehnung, ist mein eigener subjektiver. Das Empfinden von Angst, Druck, Perspektivlosigkeit sind subjektive Wahrnehmungen, die mich hindern Leistung zu bringen.
Übrigens ist meine Stressbelastung auch ganz faktisch sichtbar an Neurodermitis, die immer dann auftaucht, wenn mein neuer Job (ich wechsele so alle ein bis zwei Jahre) nicht mehr so spannend ist wie am Anfang und bei einem neuen Job, oder im Urlaub, wieder für eine Zeit verschwindet.

Was seht ihr das? Sind psychische Probleme SUBJEKTIV?
Ist die Beschreibung eines subjektiven inneren Konflikts hilfreich, um ADHS zu verstehen oder eher schädlich, weil „subjektiv“ die Probleme in der allgemeinen Wahrnehmung eher runterspielt? („Dann reiss dich halt zusammen“)

Der Übergang von Normalität und Pathologie ist bei ADHS fließend, und wo man die Grenze zieht, ist durchaus subjektiv, auch bei den Fachleuten.

Heißt also, das subjektive Empfinden der Symptome als Problem macht erst eine psychische Krankheit aus?

Es muss schon mehr sein als ein Problem, auch Leidensdruck genannt. Ohne erheblichen Leidensdruck keine ADHS-Diagnose.

Aber selbst das ist einigen Experten zu wenig, die sagen, ohne Schulversagen und mit Abitur kein ADHS.

Ich finde, die Frage ist nicht präzise gestellt.
Man muss schon zwischen Diagnose ( Objektivität muss hier oberstes Gebot sein) und dem Empfinden der Betroffenen ( da wird das subjektive Empfinden den Ton angeben) unterscheiden.

Aber das mein’ ich. Geht das, die Unterscheidung präzise zu treffen?

Ich hab mir nochmal meine ADHS-Diagnose (Uniklinik Köln) angesehen:

  1. Verhaltensbeobachtung: Subjektiver Eindruck Arzt
  2. Anamnese: Ebenso.
  3. Die Befragung meiner Angehörigen ist natürlich auch subjektiv.
  4. Die Diagnosen nach WRI, WURS-K, ADHS-SB erfolgen „in Form einer Selbsteinschätzung des Patienten“.

Also klar, es wird versucht zu objektivieren und mit Kontrollwerten abgesichert. Aber letztlich, und das wird ja oft bemängelt, schraubt einem keiner den Kopf auf und guckt welche Kabel wirklich locker sind.

… und dann kommen noch hinzu das - subjektive - Empfinden der Mitmenschen und - subjektive? - der Fachleute.

@hannes Es bleibt eine klinische Diagnose. Trotz größtmöglicher Objektivität hinsichtlich der Diagnosekriterien bleibt ein subjektiver Einfluss durch Diagnostiker und Fremdanamnese, wodurch letztlich eine Fehldiagnose nie gänzlich ausgeschlossen werden kann.

Aber vielleicht ein nützlicher Hinweis: Leute, die sich zunächst selbst diagnostizierten, sollen zu einem hohen Prozentsatz recht damit behalten haben.


Ich würde das nicht als subjektives Empfinden sondern als individuelle Ausprägung bezeichnen.
Ich ticke tatsächlich genau so wie Du - und ich kenne auch diese Zweifel. Gerade dieses gewaltsame Durchziehen „dürfte“ doch eigentlich nicht möglich sein… ist es denn dann überhaupt ADHS? oder vielleicht „nur“ eine Überlastungsfolge aufgrund zu großer Gewissenhaftigkeit? Oder beides? Was zur Hölle kann man dagegen tun?
Mittlerweile bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass Persönlichkeitseigenschaften wie Gewissenhaftigkeit, aber auch die Erziehung auf die Ausprägung stark einwirken. Da reicht es dann zum Beispiel aus, wenn Papa ADHS hat aber Mama nicht. Mama leistet die Erziehungsarbeit und sorgt für die Gewissenhaftigkeit, wird als Modell dann später trotz ADHS ins eigene Repertoire übernommen (meine Hauptaufgabe in der Verhaltenstherapie: Meinen nörgelnden inneren Kritiker zum Schweigen zu bringen…) und verhindert das leichtfüßige und lustvolle (?) Prokrastinieren. Vordergründig scheint es gut - aber letztlich ist es eher noch problematischer, weil es das ADHS verschleiert und in den Burnout führt.
Das ADHS-Stereotyp, von dem Du sprichst, ist letztlich dasjenige, das sich durchgesetzt hat - vermutlich weil es das auffälligste ist.
Dieses Durchziehen auf Biegen und Brechen ist ja eigentlich eher eine Bewältigungsstrategie.

Hey @Hibbelanna grade erklärst du mir wie ich ticke! :shock: :slight_smile:

@Nono : Wir ticken da in der Tat sehr ähnlich! Mit dem Unterschied: bei mir sind die Haare mittlerweile alle (oder fast alle) wieder nachgewachsen :mrgreen: