Hallo,
ich bin bei Recherchen zu diesem Thema heute auf dieses Forum und diesen Thread gestoßen - möchte dazu auch mal meine Erfahrung teilen:
Ich bin Ende 30 und habe vor Kurzem die ADHS Diagnose erhalten, welche ich schon lange vermutet habe und durch die meinen bisherigen Lebenslauf rückblickend auch ganz gut erklären kann.
Weiterhin rauche auch ich schon viele Jahre regelmäßig Cannabis und setze dieses seit Frühjahr nun auch ganz offiziell medizinisch mit Rezept prophylaktisch gegen meine Migräne ein (im Gegensatz nur längeren Abstinenzphasen bin ich seitdem quasi Beschwerdefrei).
Für die ADHS-Diagnose hatte ich mich zunächst an mehrere „ADHS-Fachstellen“ gewendet, die allesamt große Diagnoseverfahren für rund 300€ anbieten. Alle diese Einrichtungen sind aktuell komplett überlaufen und konnten mir für die nächsten Wochen oder Monate keine Termine anbieten (Auf deren Webseiten stand übrigens auch, dass bei Suchtverhalten zunächst sowieso eine Suchtstation kontaktiert werden müsse).
Eine anschließend kontaktierte Psychotherapeutin erklärte mir, zwar Zeit für eine ebenso teure Diagnostik sowie mögliche Therapie zu haben - riet mir aber dazu parallel einen Psychiater zu kontaktieren, da nur dieser mir entsprechende Medikamente verordnen könne und die Wartezeiten auf Termine auch hier lang wären…
Gesagt getan: Ich habe tatsächlich kurzfristig einen Termin bei einem Psychiater vereinbaren können und habe diesem einen Besuch abgestattet. Dessen Online-Bewertungen waren wirklich sehr durchwachsen - viele Rezensionen beschrieben wenig Zeitnahme des Psychiater und einen angeblichen Hang zum schnellen Verschreiben von Medis. Hier hatte ich nun doch meine Zweifel… allerdings schien mir ein Erstgespräch auch nicht sinnlos - vielleicht könne der Doc mir ja ggf. noch weitere Adressen nennen…
Nunja, der Termin gestaltete sich ähnlich wie erwartet: Kurze Erklärung meinerseits, dass ich die Vermutung habe unter ADHS zu leiden. Darauf kam die Aussage, dass eine Behandlung entsprechend schnell und unkompliziert von Statten gehen würde. Ich müsse lediglich einen Online-Test zur Diagnostik durchlaufen, welcher nur 20 EUR kostet und anschließend könne er mir was verschreiben. Die großen Diagnoseverfahren für 300 EUR oder mehr seien laut seiner Aussage übrigens ein ausschließlich deutsches Ding welches andernorts deutlich vereinfacht gehandhabt würde.
Nach dem besagten Online-Test eines großen psychiatrischen Verlags (ca. 120 Fragen in 3 Kategorien) hatte der Psychiater mir dann den Verdacht in allen drei getesteten Kategorien bestätigt und mir direkt Medikenet Adult verschrieben.
Hier sollte ich mit 1x10mg beginnen und dies je nach Empfinden bis max. 3x10mg steigern. Außerdem soll eine Woche nach der Einstellung ein Bluttest sowie EKG über einen Hausarzt erfolgen. Vor Medikationsbeginn erfolgten diese Tests nicht.
Insgesamt habe ich vllt. 10 Minuten (u.a. bzgl. Vorerkrankungen) mit dem Psychiater gesprochen - eine Tiefenanalyse durch Gespräche o.ä. erfolgte also nicht gerade…
Nun zum Thema Cannabis:
Ich hatte den Arzt gefragt, ob es ein Problem gäbe, wenn ich meine Migräne weiterhin mit Cannabis behandeln würde. Dies hat er verneint.
Im Gegenteil - er sagte mir, dass ich mein Cannabis auch über ihn verschreiben bekommen könnte. Laut eigener Aussage ist er sogar DER Arzt in Deutschland, was die Anzahl an medizinisch verschriebenem Cannabis betrifft. Entsprechend konnte ich in der Praxis auch viele Patienten beobachten, die sich nur kurz ihr Rezept am Tresen abholten und in der benachbarten Apotheke Ihr Gras abgeholt haben.
Mein Eindruck ist nun, dass es tatsächlich wohl total abhängig vom behandelnden Arzt ist, was die Bewertung von Cannabis bei gleichzeitiger Einnahme von ADHS-Medikamenten betrifft. Viele Ärzte scheinen bei Cannabis wohl noch immer sehr konservativ eingestellt zu sein - aus meiner zuletzt gewonnenen Erfahrung scheint dies jedoch nicht überall der Fall zu sein.
Ob mein Arzt jedoch ein besonders positives oder doch eher abschreckendes Beispiel ist, kann ich nicht wirklich beurteilen. Zweifel habe ich immer noch (ob es dem Arzt tatsächlich um Heilung geht oder vllt. doch eher um Geldmacherei durch schnelle Verschreibungen). Dennoch denke ich, dass der Wechsel des Arztes durchaus mal überlegt werden könnte, wenn sich dieser vehement gegen Cannabis und eine gleichzeitige ADHS-Behandlung äußert.
Übrigens war das Thema (Verhaltens-)Therapie nie ein Thema des Psychiaters - es gab auch keinen Hinweis mich an entsprechend andere Stellen zu wenden oder das dies zu einer ganzheitlichen Behandlungsstrategie gehören würde. Eine Suchtbehandlung oder Erstreben einer Cannabisabstinenz wurde ebenfalls nicht empfohlen. Durch das o.g. Verschreibungsangebot von Cannabis war eher das Gegenteil der Fall.
Ich für meinen Teil konnte bis dato zumindest noch keine Wechsel- oder Nebenwirkungen feststellen. Konsumiere vor allem abends Cannabis und tagsüber Medikinet - habe allerdings auch schon tagsüber mal zwischen den Medikineteinnahmen geraucht ohne irgendwelche bewussten Veränderungen.