Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass man als ADHSler ganz genau wissen will, warum man der Mensch ist, der man ist, und wo die eigene ADHS herkommt. Als ADHSler will man die Dinge in der Regel eben vollends verstehen, ihnen bis ins Detail auf den Grund gehen, sie komplett durchdringen.
So geht es mir auch, aber leider, leider muss ich akzeptieren, dass das bei ADHS nicht möglich ist. Immer wieder schwanke ich zwischen Normvariante und Störung, Andersentwicklung und Entwicklungsverzögerung, glaube ernsthaft, mich endlich akzeptiert zu haben, um mich dann wieder darin zu ertappen, wie ich den vermeintlichen Normalos hinterherzuhecheln versuche.
Und ich denke, ich werde mich weiterhin in diesem Spannungsfeld bewegen. Auch wenn ich noch weit davon entfernt bin, es endgültig akzeptieren zu können, so weiß ich doch schon länger, dass ich für mich keine Theorie meiner eigenen ADHS zusammenzimmern werde, die komplett schlüssig und für mich zufriedenstellend ist. Welche Rolle z.B. Traumata früherer Generationen, Stress in der Schwangerschaft oder Bindungprobleme bei Mutter, Oma, Uroma etc. gespielt haben - ich werde es nie erfahren.
Stattdessen weiß ich, dass es für mich gewinnbringender ist, herauszufinden und umzusetzen, was gut für mich ist bzw. Was mir hilft, im Alltag besser klarzukommen. Dazu möchte ich dennoch möglichst viel über ADHS wissen, was mich dann zu Erkenntnissen führt, die wiederum eine Verbesserung meiner Lebensumstände ermöglichen. Dabei kann es ruhig Widersprüche und Unklarheiten geben.
Beispiel Medikation: Mir reicht es inzwischen zu wissen, dass mir Medikamente helfen und was sie bei mir bewirken. Warum sie das tun, ob die Dopaminhypothese taugt oder nicht, finde ich nicht mehr so wichtig.
Ich weiß auch, dass mir Rituale und Strukturen helfen, dass es mir hilft, Schwieriges zu delegieren, und mehr von dem zu tun, was ich gut kann. Usw. Usf. Warum das bei mir so ist und bei anderen nicht - so what?
Auch ist es ok für mich, dass ich einerseits Entwicklungen, bei denen ich mich verzögert sehe, versuche aufzuholen, andererseits Andersentwicklungen akzeptiere - um dann festzustellen, dass ich mich tatsächlich weg von der Störung und hin zur Normvariante bewege.