„Ich fragte mich, ob das, was ich dachte, in Ordnung war. Mit 50 die Diagnose zu bekommen, dass man sein Leben mit einer mittelschweren psychischen Störung verbracht hat, ist eine der wenigen Situationen, für die es nicht den Hauch einer gesellschaftlichen Regel gibt.“
"Immerhin haben Chemie und Schicksal Ihnen eine einsame Waffe in die Hand gegeben – als Tier wären Sie ein Krebs mit nur einer Schere. Denn es gibt tatsächlich eine Situation, in der Sie berechenbar funktionieren: in Begeisterung oder Panik.
Sie benötigen also ein Groschenromanleben. Oder zumindest ein Groschenromaninnenleben. Denn nur dann, in der Liebe und im Krieg, werden Sie in die Nähe der Normalität kommen"
war für mich in Teilen etwas schwerer eingängig, aber wieder absolute Perlen dazwischen…
„Natürlich wirst du verfolgt, wenn du abweichst. Die Normalen riechen dich. Und dann gehen sie auf die Jagd.“
"Wer ADHS hat (aber eigentlich auch jeder Mensch ohne), hat die Pflicht, sich das Leben interessant zu machen. Ohne Interesse flacht aller Kontakt ab. Die Theorie des Geheimnisses gab den Menschen meiner Umgebung Schwung und Würde. Sogar die schlimmsten Langweiler wurden zu einem Rätsel."
"Mir fiel siedend heiß ein, dass ich auf dem Pausenplatz nicht die Bullies gehasst hatte – sondern die anderen Außenseiter. Der grösste gegenseitige Abscheu verband mich mit dem schiefen, leicht verkrüppelten Manfred, dem Sohn einer Alkoholikerin. Wir prügelten uns aufs Blut, in der Hoffnung, dass der Sieger in den Kreis der johlenden Kameraden aufsteigen würde.
… Ich nahm mir an diesem Vormittag vor, dass mir das nie mehr passieren würde: andere Verwundbare anzufallen, um zur Meute zu gehören. Egal, welcher Unfug in Zukunft noch auf mich wartete – dieser nicht mehr."
Neue Folge, diesmal mit m.E. sehr differenzierten Beschreibungen zur Medikationswirkung, u.a.:
„Ich war sicher, die Zauberpille für laserscharfe Konzentration in meiner Jacke dabeizuhaben. Nur stellte sich heraus: Meine Konzentration war zwar laserscharf, nur leider nicht lenkbar. Ich spielte fehlerfrei drei Tage auf dem Handy Tetris.“
Falls jemand noch mehr Sneak-Preview zur Lesebegeisterung braucht, der Schluss-Satz:
[i]"Das weit gespenstischere Problem bei Psychopharmaka kommt, wenn sie funktionieren. Wenn du plötzlich tatsächlich etwas klarer, schneller, besser organisiert bist. Und deutlich seltener der Siebenjährige unter den Erwachsenen.
Denn dann machst du zwei unerfreuliche Entdeckungen:
Wie unerwachsen die Erwachsenen sind.
In welchem Ausmass sie dich herumkommandiert haben. Und weiter herumkommandieren."[/i]
Mich hinterlässt diese Kolumne immer wahnsinnig getröstet: Weil so zu schreiben (auch oder gerade?) mit ADxS möglich ist … und weil es offensichtlich noch andere Aliens vom selben Stern auf dem Planeten gibt.
„Leicht enttäuschend ist, dass Dinge, die man für eine sehr persönliche Entscheidung hielt, plötzlich zur Normalvariante werden.“
„Das Problem nach der Diagnose ist: Die Analyse des eigenen Lebens wird zwar nüchterner, bleibt aber verblüffend platt. Man gibt dieses oder jenes Ereignis hinein – und als Ergebnis bekommt man immer dieselben vier Buchstaben: A, D, H, S.“
[i][size=85]Wahrscheinlich steht es mit ADHS so wie mit fast allem, etwa dem Coronavirus:
Mein Grossonkel, ein österreichischer Landarzt, behandelte einmal einen Bauern, der Masern hatte. «Was soll ich tun?», fragte der Bauer. Worauf mein Grossonkel sagte: «Seien Sie glücklich. Denn wenn Sie nicht glücklich sind, werden Sie auch Masern haben.»[/size][/i]
„… es ist eine grosse Sünde, an die eigene Propaganda zu glauben. Glaube also nicht deinen Anekdoten, die das Leben überzogen haben wie die Muscheln einen alten Schiffsrumpf. Und glaube nicht, dass alles, was du machst, denkst oder fühlst, aus vier Buchstaben besteht.“
Inzwischen geklärt: Auch hinter der Paywall bislang keine weiteren Teile. Entweder war es so geplant - oder es passt erst recht zum Inhalt. Schade, mir hatte es viel gebracht.
Ein Mitglied unseres Vorgängerforums, der als (fachärztlicher) ADHS-Experte schon viel Intelligentes geschrieben hat und von dem ich schon eine Menge gelernt habe, hat sein Wissen und seine Erfahrung leider noch nie in Buchform herausgebracht, und er fängt immer neue Internetseiten und Blogs an.
Aber noch mal zurück zum Autor der Kolumne aus diesem Thread- zuerst konnte ich vier oder sechs (?) seiner Kolumnenbeiträge kostenlos nachlesen, als ich später nochmal nachschaute, war alles für Nichtzahlende verborgen.
Das heißt was ich damals sah war soweit alles? :shock:
Und du, Elementary, hast dafür jetzt 22 € (oder waren es Schweizer Franken) bezahlt? Das tut mir leid. Seine Artikel waren ja interessant und lustig, aber ein Bisschen wenig fürs Geld, oder? Da würde ich mich aber beschweren, falls wirklich nichts mehr kommt.