Ich würde hier gerne ein Update schreiben, auch wenn ich in meinem Tagebucheintrag vieles schon thematisiert habe.
Seit ich nach den Empfehlungen der PANDA Strategie arbeite, läuft es mit meiner Tochter sehr viel besser. Ich tu also einfach so, also hätte sie das PDA Profil und schaue, wie das läuft. Wir hatten seither viele gute Gespräche. Ich nehme sie mit ihren Problemen ernst und plötzlich auftretende „schnippige Reaktionen“ ignoriere ich erstmal.
Beispiel: auf einen Hinweis, Wäsche aus dem Trockner nicht wie üblich auf den Wohnzimmerboden zu werfen um sie dort zusammenlegen zu können, reagierte sie direkt mit einer harschen Erklärung über ihr Gründe. Ich habe direkt weitergesprochen und erklärt, dass nicht gesaugt wurde und sie daher die Wäsche erstmal in einen Behälter zwischenlagern soll. Sie hat das direkt verstanden und gemacht. Später habe ich sie auf die Reaktion angesprochen. Früher hätte ich da direkt einen Schwall an Erklärungen und Rechtfertigungen erhalten und es hätte keine Bewegung in meine Richtung gegeben. Heute reflektiert sie, dass sie direkt beim Aussprechen schon gemerkt hat, dass die Reaktion überzogen war, doch sie konnte sie nicht aufhalten. Sie hat sich entschuldigt und die Sache war gegessen.
Am Wochenende gab es ein Streitgespräch mit ihrem Bruder über die Sauberkeit im Bad der Kinder. Für dieses sind sie weitgehend selbst verantwortlich. Früher wäre das eskaliert. Heute konnte ich gut zwischen beiden vermitteln, indem ich sie mutmaßlich problembehaftete Begriffe wie „regelmäßig, gründlich, ordentlich, Dreck“ definieren ließ. Sie haben sich dann gut verständigen können und die Tochter hat sogar innegehalten, als ich ihr sagte, dass eine Unterstellung im Sinne von „Du hast das wegen Faulheit nicht gemacht“ unangebracht war. Das Gespräch konnte einfach weiter gehen und sie haben sich einigen können. Später am Tag haben sie sogar fröhlich gemeinsam gekocht, was wirklich selten ist.
Ich verpacke einige Wünsche meinerseits etwas kreativer oder achte etwas mehr auf den allgemeinen Zustand der Tochter, wenn ich Dinge anspreche. Ist sie sehr müde oder wirkt gestresst, schiebe ich Themen mit Diskussionspotenzial auf.
Insgesamt kann ich sagen, dass es seit 2 Wochen keinen „Stress“ gab. Es kündigt sich etwas an, weil ihr Tag-Nacht-Rhythmus wieder sehr eingebrochen ist und sich daraus so einiges ergibt, aber da muss ich mal schauen…
Anders sieht die Sache in der Tagesklinik aus. Es gibt nach 8 Wochen Behandlung noch keine Diagnose, mit uns wird nicht kommuniziert und wir wissen nicht, wie es denn nun weitergeht.
Die Fragebögen zum Autismus waren aus meiner Sicht stark veraltet und meine Anmerkungen wurden nicht verstanden. Generell hat die Psychologin kein aktuelles Wissen über Autismus oder überhaupt Verständnis für damit einhergehende Symptome und Probleme. Mit Maskieren kann sie nichts anfangen und dass daraus Folgeerkrankungen entstehen können scheint sie auch nicht zu verstehen. Letztlich kann man sagen, dass sie davon ausgeht, die Tochter sei zu intelligent für Autismus, bei höherer Intelligenz käme nur Asperger in Frage und nach erster Einschätzung wäre diese Diagnose unwahrscheinlich, wenn man meine Antworten grob durchsieht. Sie sehe Hinweise auf Angststörung, Zwangsstörung und Störung des Sozialverhaltens sowie ADHS, aber es passe alles nicht so richtig. (Funfact: das sind alles gängige Fehldiagnosen für Autismus, besonders bei Frauen. Fehlt nur noch Borderline und Essstörung im Katalog)
Ich habe dann mit einer anderen Psychologin am Telefon gesprochen. Eigentlich nur, um sie darüber zu informieren, dass meine Tochter nochmal ein Gespräch mit ihr führen möchte. Über das Warum hat sich dann eine Art Diagnostikgespräch entwickelt und sie unterstellte mir erstmal, die Autismusdiagnose zu „wollen“, um Hilfen wie Eingliederungshilfe abzugreifen. Dann lief es darauf hinaus, dass sie alle von mir aufgezählten Symptome der Angststörung zuwies ohne mir sagen zu können, wo die Angststörung denn hergekommen sein könnte oder wie da untypische Dinge oder Situationen aus der frühen Kindheit erklärt werden könnten.
Letztlich stellte sich dann heraus, dass wohl nur nach ICD-10 diagnostiziert wird, weil nur das von der Kasse abgerechnet werden könne. Ich habe daraufhin die Kasse angerufen. Ja, es wird nach ICD-10 abgerechnet, es sollte aber nach aktuellen Standards wie ICD-11 oder DSM-5 diagnostiziert und therapiert werden.
Letztlich bringt die ganze Tagesklinik gerade nicht viel. Ja, Gruppensitzungen haben ihren Sinn und sorgen dafür, dass sie sich mit ihren Problemen nicht alleine fühlt. Aber an die Hand bekommt sie nichts konkretes. Und damit ist sie nicht alleine. Sie hat Kontakt zu anderen Jugendlichen, die sich ähnlich allein gelassen fühlen und wenig Fortschritte sehen.
Ich will wirklich nicht auf biegen und brechen die ASS Diagnose. Wenn es etwas anderes ist, dann bin ich dafür offen. Aber es muss sich stimmig anfühlen. Und das tut es im Moment ganz und gar nicht. Ich bin natürlich auf der Suche nach Alternativangeboten bzw. einer Zweitmeinung, aber dafür muss man erstmal irgendwo im Umfeld Adressen finden, hoffen, dass das gute Adressen sind und dann auch noch einen Termin bekommen.
Wie gesagt, für mich ergibt die PANDA Strategie gerade viel Sinn. Es passt zu dem, was wir intuitiv schon immer gemacht haben. Mein Kind hat aktuell viel mehr Vertrauen zu mir und kann dadurch mehr mit mir reden, besser reflektieren und auch schon besser reagieren. Ich sehe Probleme mehr als Symptome und gehe dadurch mit mehr Verständnis an die Sache heran. Natürlich muss es dann Lösungen geben, aber die Vorgehensweise ist eine ganz andere. Ich habe das Gefühl, mehr mit meiner Tochter an einem Strang zu ziehen. Letztlich sieht sie ja auch, wo es Reibungspunkte gibt. Sie hat nur kein passendes Erklärmodell für ihre Gefühle und Handlungen und daher auch nicht die Möglichkeit, Probleme allein zu lösen.
Dass ich jetzt übrigens seit 03:00 Uhr wach bin hängt damit zusammen, dass die Tochter in der Küche sehr gerumpelt hat beim Kochen und Braten. Begründung: „Ich bin aufgewacht.“
Ach was, das habe ich gemerkt
Ich hätte schimpfen können… ich habe dann einfach nur gesagt, dass sie sehr laut ist und ich jetzt auch wach bin und bin erstmal wieder ins Bett gegangen. Schlafen konnte ich nicht mehr. Immerhin hat sie die Küche wieder aufgeräumt und ich habe jetzt eine Liste an Fragen an das Behandlungsteam der Tagesklinik geschrieben. Muss ich von meinem Mann absegnen lassen und dann schicke ich das mit.