Rejection Sensitivity bei Jugendlicher, Eltern brauchen Hilfe bei Umgang damit

Liebe Eltern,

das oppositionelle Verhalten meiner Söhne treibt mich auch die Wände hoch.

Ich muss mir immer wieder sagen, dass sie vom Kern her grundsoziale, empathische Menschen sind. (Dank meiner phantastisch wundervollen Erziehung natürlich).

Ich denke, sie werden asozial aufgrund ihrer Dauerüberforderung. In Schule, sozialem Miteinander, Alltag.

Man kann nur andere in den Blick nehmen und sozial agieren, wenn man selber mit sich zurecht kommt. Wenn man auch selber gesehen wird. Man kann die Bedürfnisse anderer nur respektieren, wenn die eigenen auch respektiert werden.

Das ist bei den meisten Kindern der Fall.

Und ich würde gerne behaupten, das wäre bei meinen selbstverständlich auch der Fall. Ist es aber oft nicht. Ihre Bedürfnisse nach Anerkennung, Zuspruch, Ruhe, Förderung, nicht-Überforderung, Struktur, Nicht-Einengung, ihr Bedarf an Hyperfokus, Schlaf, Nahrung, Alleinsein, wohltuender Gesellschaft, Schulbildung ohne Leistungsdruck wird nicht immer ausreichend gedeckt.

Und meine Jungs können alle diese Bedürfnisse nicht in Worte fassen, ich bezweifle, dass sie sie selber wahrnehmen können. Das muss leider ich machen und leider bin ich darin nur semi-gut und kann auch nicht immer das bieten, was gebraucht wird.

Da braucht es viel selbst verzeihen, viel Geduld, viel Ertragen und viel meinen Kindern verzeihen, wenn sie auf meinen Bedürfnissen und Grenzen und Wünschen rumtrampeln. Denn ich bin schon groß…

2 „Gefällt mir“

Ich habe gestern und gerade eben noch ein wenig auf der PDA Society Website gestöbert (seeehr umfangreiches Angebot) und bin immer wieder bei den Zitaten Betroffener hängen geblieben. So vieles passt zu dem, was meine Tochter mir erzählt hat. Manchmal ist es sogar die gleiche Symbolik oder der gleiche Wortlaut.
Ja, ich habe wie schon gesagt auch bei anderen Diagnosen Parallelen gefunden. Wenn es nach dem geht, was Freunde und ich sehen, dann ist sie eine hochbegabte Autistin mit ADHS und PDA oder wahlweise ein talentierters und perfektionistisches Kind mit zu viel Freiheiten in der Erziehung. Als Laie, der nach Antworten sucht, finde ich wahrscheinlich noch mehr irgendwie passende Diagnosen und natürlich will ich da nichts andichten. Ich bespreche es auch nicht mit der Tochter. Außer, wenn sie selber auf Instagram mal was bezüglich ADHS findet, mit dem sie sich identifizieren kann.
Aber die Erfahrungsberichte der PDAler… da ist wirklich eine Verbindung und dieser Spur möchte ich unbedingt nachgehen.

3 „Gefällt mir“

Nein, das war genau so gemeint und wird auch in der Fachliteratur so beschrieben.
Die Kränkbarkeit bei Borderline und Narzissmus ist durchgehender, bei ADHS ist es eher eine Momentaufnahme. ADHS kann mit etwas Abstand den eigenen Fehler viel eher zugeben und sich entschuldigen, das geht da nur im heissen Moment nicht.

1 „Gefällt mir“

Danke fürs erklären. Jetzt habe ich es verstanden

Ich habe heute einen Anruf von der Tagesklinik erhalten. Ich soll nächste Woche zu einem Diagnostiktermin kommen. Schwerpunkt Autismus.

Ich dachte ja, die Psychologin ruft wegen meiner Bitte um Info an, aber die hat sie gar nicht erreicht. Ich habe ihr dann also von meinem ASS Verdacht erzählt und sie meinte dann, dass das gar nicht abwegig klingt - im Team haben sie auch schon über diese Möglichkeit gesprochen. Aus irgend einem Grund meinte sie dann, dass wir das dann ja jetzt auch abkürzen können und hat mir einen Termin gegeben, der eine Woche früher ist als der ursprünglich von ihr angedachte Zeitpunkt. Keine Ahnung, warum. Vielleicht wollte sie erstmal noch Infos einholen und Argumente sammeln, bevor sie mit mir spricht? Wer weiß. Wie sie zum PDA Profil steht konnte ich allerdings nicht heraushören. Die Frau ist generell etwas unklar in ihrer Kommunikation und man muss ihr irgendwie alles aus der Nase ziehen.

Gestern Abend bin ich noch auf einen tollen Kanal auf YouTube gestoßen. Besonders zwei Videos haben in vielen Parts meine Tochter abgebildet. Ich habe mich dann an Situationen aus ihrer frühen Kindheit erinnert, die mir bis dahin schon ganz entfallen waren.
https://youtu.be/1Uq1n8UQ3hc?si=1_-agXo9aw9nNKbg

https://youtu.be/bO6Nua9jkBQ?si=cJZdzmwB1Rnecfqv

1 „Gefällt mir“

Ich würde hier gerne ein Update schreiben, auch wenn ich in meinem Tagebucheintrag vieles schon thematisiert habe.

Seit ich nach den Empfehlungen der PANDA Strategie arbeite, läuft es mit meiner Tochter sehr viel besser. Ich tu also einfach so, also hätte sie das PDA Profil und schaue, wie das läuft. Wir hatten seither viele gute Gespräche. Ich nehme sie mit ihren Problemen ernst und plötzlich auftretende „schnippige Reaktionen“ ignoriere ich erstmal.
Beispiel: auf einen Hinweis, Wäsche aus dem Trockner nicht wie üblich auf den Wohnzimmerboden zu werfen um sie dort zusammenlegen zu können, reagierte sie direkt mit einer harschen Erklärung über ihr Gründe. Ich habe direkt weitergesprochen und erklärt, dass nicht gesaugt wurde und sie daher die Wäsche erstmal in einen Behälter zwischenlagern soll. Sie hat das direkt verstanden und gemacht. Später habe ich sie auf die Reaktion angesprochen. Früher hätte ich da direkt einen Schwall an Erklärungen und Rechtfertigungen erhalten und es hätte keine Bewegung in meine Richtung gegeben. Heute reflektiert sie, dass sie direkt beim Aussprechen schon gemerkt hat, dass die Reaktion überzogen war, doch sie konnte sie nicht aufhalten. Sie hat sich entschuldigt und die Sache war gegessen.

Am Wochenende gab es ein Streitgespräch mit ihrem Bruder über die Sauberkeit im Bad der Kinder. Für dieses sind sie weitgehend selbst verantwortlich. Früher wäre das eskaliert. Heute konnte ich gut zwischen beiden vermitteln, indem ich sie mutmaßlich problembehaftete Begriffe wie „regelmäßig, gründlich, ordentlich, Dreck“ definieren ließ. Sie haben sich dann gut verständigen können und die Tochter hat sogar innegehalten, als ich ihr sagte, dass eine Unterstellung im Sinne von „Du hast das wegen Faulheit nicht gemacht“ unangebracht war. Das Gespräch konnte einfach weiter gehen und sie haben sich einigen können. Später am Tag haben sie sogar fröhlich gemeinsam gekocht, was wirklich selten ist.

Ich verpacke einige Wünsche meinerseits etwas kreativer oder achte etwas mehr auf den allgemeinen Zustand der Tochter, wenn ich Dinge anspreche. Ist sie sehr müde oder wirkt gestresst, schiebe ich Themen mit Diskussionspotenzial auf.

Insgesamt kann ich sagen, dass es seit 2 Wochen keinen „Stress“ gab. Es kündigt sich etwas an, weil ihr Tag-Nacht-Rhythmus wieder sehr eingebrochen ist und sich daraus so einiges ergibt, aber da muss ich mal schauen…

Anders sieht die Sache in der Tagesklinik aus. Es gibt nach 8 Wochen Behandlung noch keine Diagnose, mit uns wird nicht kommuniziert und wir wissen nicht, wie es denn nun weitergeht.
Die Fragebögen zum Autismus waren aus meiner Sicht stark veraltet und meine Anmerkungen wurden nicht verstanden. Generell hat die Psychologin kein aktuelles Wissen über Autismus oder überhaupt Verständnis für damit einhergehende Symptome und Probleme. Mit Maskieren kann sie nichts anfangen und dass daraus Folgeerkrankungen entstehen können scheint sie auch nicht zu verstehen. Letztlich kann man sagen, dass sie davon ausgeht, die Tochter sei zu intelligent für Autismus, bei höherer Intelligenz käme nur Asperger in Frage und nach erster Einschätzung wäre diese Diagnose unwahrscheinlich, wenn man meine Antworten grob durchsieht. Sie sehe Hinweise auf Angststörung, Zwangsstörung und Störung des Sozialverhaltens sowie ADHS, aber es passe alles nicht so richtig. (Funfact: das sind alles gängige Fehldiagnosen für Autismus, besonders bei Frauen. Fehlt nur noch Borderline und Essstörung im Katalog)

Ich habe dann mit einer anderen Psychologin am Telefon gesprochen. Eigentlich nur, um sie darüber zu informieren, dass meine Tochter nochmal ein Gespräch mit ihr führen möchte. Über das Warum hat sich dann eine Art Diagnostikgespräch entwickelt und sie unterstellte mir erstmal, die Autismusdiagnose zu „wollen“, um Hilfen wie Eingliederungshilfe abzugreifen. Dann lief es darauf hinaus, dass sie alle von mir aufgezählten Symptome der Angststörung zuwies ohne mir sagen zu können, wo die Angststörung denn hergekommen sein könnte oder wie da untypische Dinge oder Situationen aus der frühen Kindheit erklärt werden könnten.

Letztlich stellte sich dann heraus, dass wohl nur nach ICD-10 diagnostiziert wird, weil nur das von der Kasse abgerechnet werden könne. Ich habe daraufhin die Kasse angerufen. Ja, es wird nach ICD-10 abgerechnet, es sollte aber nach aktuellen Standards wie ICD-11 oder DSM-5 diagnostiziert und therapiert werden.

Letztlich bringt die ganze Tagesklinik gerade nicht viel. Ja, Gruppensitzungen haben ihren Sinn und sorgen dafür, dass sie sich mit ihren Problemen nicht alleine fühlt. Aber an die Hand bekommt sie nichts konkretes. Und damit ist sie nicht alleine. Sie hat Kontakt zu anderen Jugendlichen, die sich ähnlich allein gelassen fühlen und wenig Fortschritte sehen.

Ich will wirklich nicht auf biegen und brechen die ASS Diagnose. Wenn es etwas anderes ist, dann bin ich dafür offen. Aber es muss sich stimmig anfühlen. Und das tut es im Moment ganz und gar nicht. Ich bin natürlich auf der Suche nach Alternativangeboten bzw. einer Zweitmeinung, aber dafür muss man erstmal irgendwo im Umfeld Adressen finden, hoffen, dass das gute Adressen sind und dann auch noch einen Termin bekommen.

Wie gesagt, für mich ergibt die PANDA Strategie gerade viel Sinn. Es passt zu dem, was wir intuitiv schon immer gemacht haben. Mein Kind hat aktuell viel mehr Vertrauen zu mir und kann dadurch mehr mit mir reden, besser reflektieren und auch schon besser reagieren. Ich sehe Probleme mehr als Symptome und gehe dadurch mit mehr Verständnis an die Sache heran. Natürlich muss es dann Lösungen geben, aber die Vorgehensweise ist eine ganz andere. Ich habe das Gefühl, mehr mit meiner Tochter an einem Strang zu ziehen. Letztlich sieht sie ja auch, wo es Reibungspunkte gibt. Sie hat nur kein passendes Erklärmodell für ihre Gefühle und Handlungen und daher auch nicht die Möglichkeit, Probleme allein zu lösen.

Dass ich jetzt übrigens seit 03:00 Uhr wach bin hängt damit zusammen, dass die Tochter in der Küche sehr gerumpelt hat beim Kochen und Braten. Begründung: „Ich bin aufgewacht.“
Ach was, das habe ich gemerkt :woozy_face: :woman_facepalming: Ich hätte schimpfen können… ich habe dann einfach nur gesagt, dass sie sehr laut ist und ich jetzt auch wach bin und bin erstmal wieder ins Bett gegangen. Schlafen konnte ich nicht mehr. Immerhin hat sie die Küche wieder aufgeräumt und ich habe jetzt eine Liste an Fragen an das Behandlungsteam der Tagesklinik geschrieben. Muss ich von meinem Mann absegnen lassen und dann schicke ich das mit.

10 „Gefällt mir“

Wow…

„Sie hat Kontakt zu anderen Jugendlichen, die sich ähnlich allein gelassen fühlen“

Na das stärkt das Selbstwertgefühl ja massiv :woman_facepalming:t2:.

Finde es seeehr schön zu lesen, wie schnell Du Dich mit dieser achtsamen Form von Kommunikation auseinandergesetzt hast und das auch umsetzt!!! Und WIE fantastisch, dass der Erfolg so spürbar ist :smiley:.

3 „Gefällt mir“

Ich wollte jetzt einen Fachartikel über die Koexistenz von ADHS und ASS lesen, aber ich kann mich 0 konzentrieren. Ich bin einfach nur sauer, dass ich das überhaupt tun MUSS! Ich könnte im Strahl ko…en. Ich könnte undiplomatische Dinge zu den Mitarbeitern der Tagesklinik sagen und mich komplett vergessen, so sauer bin ich gerade. Ich habe Wut im Bauch und ich weiß nicht wohin damit…

Das Kind erzählt jeden Tag aufs Neue, wie die Gespräche dort ablaufen und es ist einfach nur lachhaft. Ich frage mich, ob dort überhaupt jemandem geholfen werden kann. Grundlegend wird dort anscheinend nur Borderline, Angststörung und Asperger diagnostiziert und der Rest hat einfach nur familiäre Probleme. Meiner Tochter wird basically gesagt, ich als Mutter wäre das Problem und Ursache ihrer Probleme rund um Perfektionismus, Druck und Ängste. Man könnte meinen, man säße um 1900 bei Siegmund Freud auf dem Sofa. Die Tochter ist darüber mies sauer. Wir beide wissen, dass NATÜRLICH Familiendynamiken eine Rolle spielen. Aber eben nicht ausschließlich. Sie hat mir heute gesagt, dass ich für sie gerade die bessere Psychologin bin.
Ich würde die Maßnahme ja gerne zeitnah abbrechen, aber das Kind wünscht sich, die Sache dort ordentlich zu beenden. Bestenfalls mit einer Diagnose. Aber die wir sie dort wahrscheinlich nicht bekommen. Wir haben Ende letzter Woche einen Brief abgegeben, in dem wir bis Freitag Zeit geben, uns einige Fragen zu beantworten. Wie geht es weiter, wann ist Schluss und vor allem, wie gearbeitet wird. Ich weiß schon, dass wir da keine gute Antwort bekommen werden. Ich denke, sie hat das Beste aus der Klinik rausgeholt: Gruppensitzungen und Ergotherapie, Steigerung des Selbstbewusstseins und Urlaub von der Schule. Bevor sich dort alles ins Negative kehrt muss eigentlich ein Schlussstrich gezogen werden. Aber natürlich nicht gegen den Willen der Tochter.

Seit letzter Woche habe ich übrigens jeden Tag nach Diagnostikstellen gesucht. Ich habe alle Autismuszentren der Umgebung angeschrieben, von ihnen Tabellenweise Anlaufstellen bekommen und nach und nach Stellen angeschrieben, angerufen, auf Anrufbeantworter gequatscht und teilweise auch schon Absagen erhalten. Zwei Termine habe ich machen können. Einer im November und ein Vorgespräch im Mai. Was ich über die Freude einen Termin bekommen zu haben nicht gefragt habe: ob nach aktuellem Standard getestet wird. Muss ich noch nachholen.

Außerdem habe ich vergessen, auch nach ADHS Diagnostik zu suchen. Das war ja meine erste Vermutung und ich bleibe auch dabei. Für mich ist es eine Kombination aus beiden Störungsbildern. Nur wird meiner Recherche nach immer nur eins getestet. Wobei das ja auch erstmal reichen sollte für den Anfang.

Ach so, mein letzter Eintrag war ja 4 Uhr nachts, weil mich das Kind durch lautes Kochgeklapper geweckt hatte. Wir springen jetzt also mal zum Ursprungsthema zurück und schauen, was sich so getan hat: ich habe am Morgen dann kurz erwähnt, dass ich jetzt nicht schimpfe, nur mitteilen möchte, dass ich dann auch nicht mehr schlafen konnte und nur 3 Stunden Schlaf in dieser Nacht hatte. Früher hätte ich da Rechtfertigungen und ein generelles Stimmungsgewitter kassiert. Diesmal schaute mich die Tochter nur entschuldigend und betroffen an und ein paar Minuten später hat sie sich tatsächlich entschuldigt! Ich meine, was ist das bitte für eine krasse Verbesserung ihrer Fähigkeiten!
Auch in der Klinik hatte sie kürzlich ein typisches Gespräch mit einer Schwester. Kurz gesagt, hätte das Kind sagen müssen „Tut mir leid, dass es länger gedauert hat. Ich bin jetzt fertig, können Sie bitte nochmal die Tür aufmachen?“ Hat sie aber nicht, sie hat nur „Ich bin jetzt fertig.“ gesagt und dann wollte die Schwester sie erziehen und belehren. Das kommt bei meiner Tochter natürlich gar nicht gut an. Sie hat sich wohl etwas „im Ton vergriffen“ und „keinen Respekt gezeigt“, als mit ihr schnippisch gesprochen wurde. Sie hat sich eben nicht für das zu spät kommen entschuldigt, sondern Gründe dafür aufgezählt. In den Augen der Schwester also Ausreden gesucht und das musste entsprechend gemaßregelt werden. Ich verstehe das absolut! Ich habe viele dieser Situationen mit meiner Tochter gehabt. Ich weiß, wie sich die Schwester gefühlt haben muss. Nur habe ich eines nicht gemacht: passiv aggressiv mit Unterton belehrt. Und genau das hat meine Tochter offen kritisiert und dafür dann eine Strafe bekommen. Tja, ich sehe das nicht akzeptieren von Hierarchien tatsächlich als Symptom. Aber davon abgesehen muss sie sich auch als 13-jähriges Kind nicht mit Unterton belehren lassen. Gegenseitiger Respekt und so… ich wünschte, ich hätte auch in dem Alter so viel Mut gehabt, sowas anzusprechen.
Trotzdem habe ich sie gefragt, wie sie dieser Situation hätte aus dem Weg gehen können. Sie muss lernen, mit solchen Leuten umzugehen und vor allem abzuwägen, ob sich eine Diskussion jetzt lohnt oder nicht. Sie weiß, wie diese eine spezielle Schwester tickt. Sie hätte hier nachgeben und sich entschuldigen können. Ihre Begründungen wollte in dieser Situation niemand hören und eine einfache Entschuldigung hätte genügt. Und auch hier: Sie hat das verstanden! Sie fühlt sich noch immer ungerecht behandelt und da bin ich bei ihr, aber sie hat sich auch von mir aufzeigen lassen, wo sie hätte besser handeln können. Und ich habe gemerkt, wie schwer ihr das gefallen ist. Doch sie hat sich darauf eingelassen. Weil sie wusste, dass ich auch hinter ihr stehe. Dass ich nicht sage, dass sie alles falsch gemacht hat. Damit war es auch ok, dass ich Kritik geübt habe. Ein Wahnsinns Fortschritt!

Wir verbringen mehr Zeit miteinander. Wir lachen wieder zusammen.

8 „Gefällt mir“

Gestern gab es eine so wunderbare Situation, die muss ich mit euch teilen.

Ich saß mit der Tochter im Auto und habe erzählt, dass ich nichts davon wusste, dass der große Sohn ein Bewerbungsgespräch hat. Wir scherzen in solchen Momenten immer, dass ich den Mutte- des-Jahres-Preis dieses Jahr wieder nicht bekommen, also hab ich das wie gewohnt so gesagt und gegrinst. Und dann passiert es:

Tochter sagt: Aber dafür bekommst du ihn ja dieses Jahr für mich.

:pleading_face::sob::smiling_face_with_three_hearts::smiling_face::pleading_face:

Leute, ein schöneres Kompliment habe ich nie bekommen. Ich war so verblüfft, ich musste mich erstmal sammeln. Das kam für mich so unerwartet in diesem Moment. Es kam spontan und ehrlich und irgendwie so nebenbei, dass ich das erstmal sacken lassen musste. Ich bin gerührt und beseelt, das glaubt man gar nicht.

Ich habe auch in der Vergangenheit schon Lob und Komplimente von meiner Tochter bekommen, so isses ja nu nicht. Aber gestern war so ein Moment, der war anders.

Hab ich eigentlich schon mitgeteilt, dass ich eine Therapeutin im Ort gefunden habe, die die Tochter direkt ohne Wartezeit nach der Tagesklinik übernimmt? Weiß ich jetzt gar nicht… jedenfalls hat sich die tagelange Telefoniererei und Schreiberei gelohnt, denn die Frau wirkte beim Telefonat sehr kompetent, einfühlsam und interessiert.

In der Tagesklinik hat die Tochter in Woche 11 doch tatsächlich mal das Ziel, Skills gegen Panikattacken zu erlernen. Sie soll im Internet (!) selber recherchieren und am Freitag ihre Ergebnisse präsentieren! What?! Excuse me?! Also bisher haben das die anderen Patienten von ihren Bezugstherapeuten beigebracht bekommen. Aber unser Kind soll Dr. Google fragen.

Morgen haben wir dort ein Elterngespräch, das wird “lustig”. Das letzte Telefonat war ja schon angespannt. Ich hoffe sehr, mein Mann und ich können uns zurückhalten. Ich überlege noch, was die beste Strategie ist. Dort sieht man ja ausschlich uns als Familie und ein paar traumatische Situationen in der Schule als Gründe für die Angst- und Zwangsstörung. Ich habe mal auf Nachfrage bewusst nur rein autistische Symptome genannt und dann sagte die Psychologin, das seien ja aber doch alles klassische Angstsymptome. Auf dem Level bewegen wir uns dort.
Was ist also clever? Unser Ziel ist ja, dass die Tochter dort bald raus kommt. Vielleicht sollten wir einfach zustimmen, nicken, betroffen gucken, Besserung geloben und sagen, dass wir einen Termin in der Familienberatung haben (hab ich tatsächlich gemacht, fällt mir ein). Dann um Übersendung aller Unterlagen a die Therapeutin im Ort bitten. Fertig.

Ich meine, was sollen wir sonst tun? Wenn ich mich mit denen anlege wird es auch nicht besser. Das habe ich damals schon mit dem Gymnasium gehabt. 1,5 Schuljahre habe ich gekämpft und Gespräche geführt und am Ende haben in dieser Zeit 5 Kinder die Klasse verlassen, drei davon sind meines Wissens nach in psychologische Behandlung gegangen. Wir haben die Schule gewechselt und meine Kündigung ans Gymnasium umfasste genau zwei Sätze. Mehr Aufmerksamkeit hatten sie nicht mehr verdient.
Vielleicht ist es jetzt ähnlich. Durchatmen, die Leute reden lassen, erhobenen Hauptes gehen.

Ich weiß, was ich weiß. Ich habe mehrere Wochen Hyperfokus ADHS und ASS hinter mir. Ich erkenne täglich neue Symptome, die ich bisher übersehen habe, ich habe eine Anlaufstelle für eine Zweitmeinung. Sind wir auf die Leute in der Tagesklinik angewiesen? Nicht mehr. Muss ich mich mit denen rumstreiten? Nein. Muss ich sie belehren und zwingen, sich weiterzubilden? Nein. Mache ich denen im Geiste schon die Hölle heiß, falls die Tochter tatsächlich später andere Diagnosen bekommt? Vielleicht… :sweat_smile: Aber dafür hab ich dann sowieso keine Zeit und Energie. Macht nur Spaß darüber nachzudenken.

8 „Gefällt mir“

So, das Thema Tagesklinik würde ich in meinem Tagebuch weiter „aufarbeiten“ und hier vornehmlich zum Kernthema zurückkehren. Nur soweit: ihr wurde in einem Gespräch mitgeteilt, dass sie wohl doch die ADHS Diagnose bekommen wird. Auf ein entsprechendes Elterngespräch und Abschlussgespräch warte ich noch immer, obwohl ich seit einer Woche um einen Termin bitte… naja.

Thema Rejection Sensitivity: Es ist besser geworden, aber noch deutlich spürbar vorhanden. Gerade jetzt, wo einige Veränderungen anstehen (Abschluss Tagesklinik, Wiedereintritt Schule, Abschluss Theaterproben und Auftritt) ist es wieder etwas angespannt. Aber deutlich besser als noch vor einigen Wochen/Monaten!

Wir arbeiten daran, eine bessere Wahrnehmung für Stress und innere Prozesse zu entwickeln. Das gilt für uns beide. Inzwischen können wir uns besser aufeinander einlassen bzw. erklären, warum wir aneinander geraten. Ich finde es wichtig zu erwähnen, dass dies kein einseitiger Prozess ist.
Ich versuche ganz stark, ihre plötzlichen Emotionen nicht direkt überzubewerten und ruhig zu reagieren. Im Nachhinein spreche ich es an, erlebe aber immer öfter, dass sie sogar von allein relativiert. Andersrum haben wir abgemacht, dass sie mir sagt, wenn ich für sie unerwartet laut/hektisch/angespannt reagiere, dies dann aber auch nicht auf sich bezieht, sondern mich fragt, was gerade vor geht. Oft merke ich zum Beispiel nicht, wenn ich hungrig und unterzuckert bin. Das kann sie aber von außen auch nicht erkennen.

In den letzten Wochen gab es Situationen, wo wir zwar kurz hochgekocht sind, aber innerhalb von 5 Minuten reflektieren und wieder runterfahren konnten.

In vielen Situationen bin ich aber auch entspannter geworden und lasse ihr Raum. Es steht ja auch noch ASS im Raum, was nochmal besondere Probleme mit sich bringt. Sie ist aber auch verständnisvoller geworden.

Es ist nicht so, dass hier alles glatt und harmonisch verläuft. Der Umgang miteinander ist aber besser geworden. Ich erkenne ihre „schnippigen“ Reaktionen mehr als Angst- und Panikreaktion oder tatsächliches Unverständnis, kann so deeskalierend wirken und im Nachhinein gemeinsam reflektieren. Ich spreche Dinge anders an oder suche mir kreative Wege. Insgesamt wirkt hier die PANDA Strategie sehr gut.

Ich hoffe, dass zukünftig die Therapeutin der ambulanten Therapie Unterstützung bieten kann, denn ich würde den Therapeutenjob gerne abgeben. Ich merke zwar, dass ich das alles ganz gut mache, aber ich bin eben in erster Linie Mutter und nicht Therapeutin.

3 „Gefällt mir“

Liebe Hobbyhopper,

ich wünsch Dir ganz doll, dass Du schnell jemanden findest, an den Du den Therapeutenjob abgeben kannst. Das ist auch eines meiner Kernthemen. Dafür braucht es aber jemanden, dem man diesen Job auch zutraut. Wir haben jetzt Glück gehabt und eine tolle, spezialisierte Ergotherapeutin als Schulbegleitung bekommen, die auch noch nachmittags mit ihrer Kollegin soziales Kompetenztraining in Kleingruppen durchführt.

Als ich gemerkt habe, dass ich die therapeutische Verantwortung ENDLICH abgeben KANN, weil endlich jemand qualifiziertes da ist, hab ich erstmal Rotz und Wasser geheult.

Da ist mir buchstäblich ein Stein vom Herzen gefallen.
Endlich mal „nur“ Mama sein dürfen….
WIE SCHÖN!!!

Wie gesagt, jetzt wünsche ich Dir ganz dolle, dass Du auch an fähige Therapeuten gerätst!!!
:heart:

4 „Gefällt mir“

Danke! Ich freue mich für euch, dass ihr so eine kompetente Person gefunden habt!
Ich hoffe auf den Termin zum Erstgespräch übernächste Woche. Am Telefon hatte ich schon ein gutes Gefühl. Sie fand es ja schon super, dass ich mich so intensiv mit der Thematik auseinandersetze und hatte bei der Terminfindung auch direkt Verständnis für meine berufliche Situation und hat einen Nachmittagstermin möglich gemacht. Schon diese Punkte allein sind um Welten besser als das, was ich bei anderen Therapeuten erlebt habe.

Schulbegleitung ist auch so ein spezielles Thema. Hier in unserem Landkreis gibt es effektiv zwei Anbieter. Die stellen jeden ein. Da an eine kompetente Person zu kommen ist nicht immer selbstverständlich. Ich will den Leuten da grundsätzlich nichts Böses unterstellen, aber ich sag mal so: die mitgebrachte Kompetenz muss zum Klienten passen…
Ich arbeite ja in einer Förderschule mit Schwerpunkt geistige Entwicklung. Wenn wir als speziell ausgebildete Fachkräfte einen Schulbegleiter befürworten hat das einen Grund. Dann erwarten wir spezielle Fähigkeiten, die aber leider nicht jeder mitbringt. Und wir haben leider keinerlei Einfluss darauf, wen die beauftragte Firma dem Schüler zuteilt. Nicht falsch verstehen, wir haben viele topqualifizierte Leute von mit denen die Zusammenarbeit im Team ein Traum ist, aber eben auch andere. Umso mehr freut es mich, wenn ihr da so viel Glück habt und zufrieden seid! Ich kann deine Erleichterung absolut nachvollziehen :smiling_face:

2 „Gefällt mir“

Oh ich glaube, ich weiß genau, was Du meinst! Wir haben die Schulbegleitung tatsächlich über das Jugendamt bekommen. Die Ausgangssituation war für meinen Sohn aber auch - ohne Übertreibung- wirklich schlimm, den hätten wir sonst mit Depressionen in eine Klinik einweisen können. Die zuständige Frau vom Jugendamt hat dafür gesorgt, dass die Schulbegleitung von jemandem mit Spezialisierung auf ADHS/ Autismus übernommen wird. Das ist ein Idealfall und sicher nicht die Norm. Wir mussten allerdings über ein Jahr dafür kämpfen. Der erste Antrag auf Schulbegleitung wurde nämlich abgelehnt!

Mit einer nicht qualifizierten Schulbegleitung hätten wir vermutlich nichts anfangen können. Gerade wenn Kommunikationssituationen komplett schieflaufen- was ja bei Autismus leicht passiert- braucht man einen Übersetzer, der schnell analysiert, WAS da schiefgelaufen ist und welche Lösungen man finden kann.

2 „Gefällt mir“

Ich habe so beim Lesen des Themas irgendwann angefangen zu schreiben, damit ich meine Gedanken nicht vergesse und nun merke ich, dass sich die Gesamtsituation schon stark verändert hat und freue mich sehr für euch…

Und ich werde gleich mal zum Thema PDA losrecherchieren… Das klingt nach etwas, was auch bei uns passen könnte…

Ich lass den Text jetzt trotzdem mal da, weil er ist ja eh fertig…

Meine Tochter (16) ist auch so/gewesen. Es ist deutlich besser geworden, aber durchaus noch Thema.
Das sind ganz viele Dinge, die da mit reingespielt haben, dass es sich verändert konnte…

Zum einen haben mein Mann und ich uns mit dem Thema „gewaltfreie Kommunikation“ auseinander gesetzt um in Konfliktsituationen nicht immer wieder in alte Verhaltensmuster (#adultismus) zu fallen.

Zudem gab es Situationen, in denen ich darauf bestanden habe, dass diese ausdiskuttiert werden, weil sie massiv grenzüberschreitend gegenüber anderen Familienmitgliedern war. Und ich habe Gespräche konsequent beendet, wenn sie sich wie Kalle Arsch verhalten hat. Aber auch dann, wenn ich gemerkt habe, dass ICH gerade nicht mehr kann und selbst unfair werde. Nur eben ohne, dass damit das Thema vom Tisch war.
Wenn sie irgendwas mit uns besprechen wollte (was über Alltag und Schule hinaus ging) dann eben erst, wenn das Thema, welches uns wichtig war, vorher besprochen (nicht zwangsläufig endgültig gelöst) wurde.
Dabei habe ich zum Teil das Gespräch aufgenommen um zumindest die Debatten darüber, wer was bzw wie gesagt hat (und die sie dazu benutzt hat, um dem eigentlichen Thema aus dem Weg zu gehen), abkürzen zu können.
Dadurch konnte sie zumindest nicht mehr verleugnen, wie sie sich verhält, und gleichzeitig kamen wir darüber ins Gespräch, was der jeweils andere eigentlich verstanden hat und was man eigentlich meinte.

Letztlich ging es bei diesen Gesprächen viel um das Thema Schuld und vor allem Scham, aber auch Hilflosigkeit gegenüber ihren eigenen Impulsen und ihrer Vergesslichkeit.
Mit dem, was sie mir erzählt hat, habe ich dann noch mal anders auf die Situationen geguckt und versucht diese differenzierter zu betrachten.

Eine Thema welches zum Konflikt „nicht aufräumen führte“ ist, z. B. dass sie auf Stress/Angst mit übermäßigem Essen reagiert. Das führte zum einen dazu, dass Aufräumen nach einem Essanfall nicht ging, weil sie anschließend sofort in die Verdrängung gerutscht ist, aber das bedeutete auch, dass dies ein Symptom und nicht das eigentliche Problem ist. Zum anderen ist dadurch aber auch klar, dass ich das Aufessen von Süßigkeiten/Eis nicht zusätzlich zu einem „Eigentumsdelikt“ mache und mit noch mehr Schuld und Scham auflade, da dies sonst lediglich dazu geführt hätte, dass sie es wieder heimlich macht. Wir haben uns zusammen hingesetzt und darüber geredet, wie wir die Konflikte bei diesem Thema verringern, sprich die Situation für sie vereinfachen können.

Eine andere Gruppe von Situationen kam dadurch zustande, dass mein Mann derjenige bei uns ist, der den Großteil des Aufräumens übernimmt und er es halt oft persönlich genommen hat, wenn dann wieder was rum lag.
Dies führte dann über kurz oder lang dazu, dass er wirklich wegen allem ein Fass aufgemacht hat.
Als ich meinte, dass er bei ihr einen anderen Maßstab anlegt, als bei sich selbst, aber auch bei unserem jüngeren Kind und mir, meinte er, dass es ihr ja auch im Gegensatz zu den anderen gut geht. Ich habe die Augenbraue hochgezogen und ihn gefragt, ob das sein ernst sei… Mit dem anderen Blickwinkel auf sie (der bitter! nötig war) ist er insgesamt wieder wohlwollender auf sie zugegangen und hat sie wieder mehr umsorgt, was sich direkt in ihrem Verhalten gespiegelt hat. Gleichzeitig hat er angefangen seine Bedürfnisse und seine Grenzen (der Energie) mehr zu kommunizieren und zudem haben die beiden angefangen Aufgaben zu tauschen.

Ein unheimlich wichtiger Punkt ist aber, dass wir angefangen haben mit Humor zu reagieren… Also nicht auslachen, sondern gemeinsam lachen… Das mache ich mit meinem Mann schon immer so, aber sie brauchte erst die oben genannten Veränderungen, dass ihr dieser Zugang möglich wurde.

Vielleicht ein Beispiel… Etwas was mich wahnsinnig gemacht hat, war, dass jede Erinnerung an noch zu Erledigendes dazu führte, dass sie es erst recht nicht gemacht hat, weil „ich wollte ja gerade, aber jetzt hast du genervt, deshalb mache ich es jetzt nicht mehr!“
Dieses „jetzt nicht mehr“ kenne ich von mir selbst auch und wir Erwachsenen - vor allem mein Mann - haben definitiv auch erstmal lernen müssen, ihr in unserer Tagesplanung mehr Mitspracherecht zu geben, aber es blieb ein ständiges Thema, weil es keinen richtigen Zeitpunkt bei ihr gab und in Verbindung mit ihrer Vergesslichkeit wurde das zum echten Streitpunkt.
Und irgendwann gab es eine Situation, in der sie etwas von meinem Essen abhaben wollte. Ich war gerade am sprechen und meinte: „Warte, gleich…“, zu ihr und hab’s übers Reden wieder vergessen. Irgendwann sagte sie dann, dass ich ihr doch noch was abgeben wollte und ich sah sie grinsend an und mir rutschte ein „Jetzt nicht mehr!“ raus… Mein Mann hat sich fast verschluckt vor Lachen und sie hat wirklich hart versucht, entrüstet zu gucken, aber das hat das Eis gebrochen…
Seitdem ist es ein running gag in unserer Familie (und ein ungeschriebenes gesetzt, dies niemals gehässig zu nutzen)…

2 „Gefällt mir“

Liebe Wolkenbraut,

hab vielen Dank für deinen persönlichen Text! Ein Austausch wie dieser ist es, der mich gern hier im Forum sein lässt.

Ich finde es toll, dass ihr für euch schon einen Weg gefunden habt mit diesen herausfordernden Situationen umzugehen. Ich kann mir gut vorstellen, wie anstrengend das gewesen sein muss und mitunter auch noch ist.

Du hast absolut recht, gewaltfreie Kommunikation ist sehr wichtig. Und auch der wohlwollende Blick auf das Gegenüber. Die Dynamik zwischen Tochter und Vater kann ich gut nachvollziehen. Umso schöner ist es zu lesen, dass er hier einlenken konnte.

Spannend finde ich deinen Weg, Gespräche aufzuzeichnen. Ich hatte diesen Gedanken auch schon, empfand es aber als… ich weiß nicht… übergriffig? Es wirkt halt im ersten Moment wie so ein „Siehst du, hab ich es dir doch gesagt!“ Also irgendwie negativ. Obwohl sich wohl jeder von uns schon mal einen Knopf zum Zurückspulen und nochmal anschauen gewünscht hat.

Ich habe mich im Laufe der Jahre immer wieder verunsichern lassen von Leuten die mir gesagt haben, ich solle dem Kind mehr Grenzen aufzeigen und härter durchgreifen. Aber letztlich hat das alles nur schlimmer gemacht und ich wusste auch, dass das passiert. Nur nicht, warum. Denn die Ursache des Verhaltens lag eben nicht in einer puren Ignoranz und Egoismus, sondern in genau dem, was du auch beschreibst. Unsicherheit, Hilflosigkeit, Unverständnis, Angst, Schuld und Scham. Und eben in einem anders funktionierenden Gehirn. Kürzlich habe ich wieder von jemandem den Zebra-Vergleich gehört. Also dass sich der Betroffene immer anders und falsch fühlt bis er erkennt, dass er ein ganz normales Zebra in einer Herde Pferde ist. Nun sind wir in unserer Familie alle irgendwie Zebras, aber alle anders. Schon blöd, weil dann erstmal keiner eine passende Herde hat ^^

An dem Punkt mit dem Humor sind wir schon manchmal, aber es kommt auf die Situation an. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Aber ich denke das liegt auch daran, dass wir uns noch nicht so richtig verstehen. Also sie mit ihrem mutmaßlich AuDHD Gehirn und ich mit meinem ADHS Gehirn. Aber es wird besser.

Vielleicht findest du tatsächlich in den Beschreibungen der PDA Betroffenen weitere Erklärungen und dadurch nochmal neue Impulse. Ich wünsche euch als Familie weiterhin alles Gute für euren Weg!

5 „Gefällt mir“

Hallo Hobbyhobber,

vielen lieben Dank für deine Worte…

Mir ist gestern bei der Recherche bewusst geworden, dass ich tatsächlich schon mal vor einer Weile über das Thema gestolpert bin, aber dort sehr schnell aufgehört hatte weiterzulesen, weil sich der Blog Eintrag ausschließlich auf das tatsächliche Vermeiden von Anforderungen bezog und all die anderen Aspekte völlig außen vorgelassen hatte.

Als ich mir gestern die oben verlinkte Seite durchgelesen habe, bin ich dann erstmal in Tränen ausgebrochen, weil ich eine 1-zu-1-Beschreibung meiner selbst wiedergefunden habe.
Ich habe spätdiagnostizierte ADS und habe schon seit einer ganzen Weile den Verdacht, dass ich ebenfalls auf dem Spektrum bin, aber dieser innere Kampf gegen jegliche Routine (inklusive, dass ich Tabletten, die ich dringend nehmen sollte, nicht nehme - nicht weil ich sie vergesse, sondern weil ich manchmal einfach nicht „kann“)…

Und ja, ich sehe davon ganz viel auch bei meinen Kindern, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise… Allerdings muss ich mich jetzt erst mal in Ruhe hinsetzen und wirklich für jedes Kind einzeln gucken, denn gestern ist erst einmal alles auf mich eingestürzt.
Und ich muss dazu sagen, dass die beiden auch gerade in der ADHS Diagnostik sind. Trotzdem ist bei beiden Kindern etwas, was darüber hinaus geht. Bei meinem Sohn habe ich ASS schon sehr lange im Verdacht - Problem dabei ist, dass er auch schon mit seinen frisch sieben Jahren so gut maskieren kann, dass sein eigentliches Ich in der Diagnostik überhaupt nicht zum Vorschein kommt. Lediglich wir Eltern und seine Lehrerin kennen diese andere Seite von ihm. Und ich werde gefühlt einfach nicht ernst genommen… Was sie nicht sehen, existiert für sie scheinbar nicht…

Und die Große? Sie hat, glaube ich, seit der kleinkindlichen Autonomiephase nie wieder außerhalb der eigenen vier Wände, die Kontrolle verloren… Und seit Beginn der Pubertät frisst sie alles in sich rein und nur wenn sie unter all der Last zusammenbricht, gibt es lediglich ganz kurze Zeitfenster, in denen sie ihr Innerstes zeigt und davon erzählt, wie belastend sie ihren Alltag wahrnimmt.
Und wenn ich zurück schaue, dann ist das 1 zu 1 das, was ich in meiner eigenen Jugend gemacht habe… Damals war schon soviel Selbsthass in mir, dass jedwede Kritik an mir dazu geführt hat, dass ich diese Person von mir gestoßen habe… Damals habe ich die Diagnose Borderline bekommen, aber auch wenn ich damals jedes Symptom bejahen konnte war da soviel mehr als „nur das“. Und irgendwann habe ich die Diagnosekriterien für Borderline nicht mehr erfüllt, aber der Rest blieb… Mit der ADS-Diagnose habe ich viele Antworten gefunden, aber unter der Medikation kam dann immer mehr zum Vorschein, was ich vorher einfach nicht greifen konnte… Vieles sprach für ASS aber die absolute Aversion gegen Routine und „self-care“, die weit über jegliche Logik hinausgeht und auch meinen Psychologen immer wieder erstaunt hat. Er hat mal gesagt, dass er in unseren Gesprächen eine Katze vor Augen hat, die sich mit jeder Phaser ihres Körpers dagegen wehrt gebadet zu werden. Kaum hat er eine Pfote vom Badewannenrand gelöst, steckt diese im Duschvorhang oder eben in seinem Arm. Gleichzeitig kommt eben jene Katze aber jede Woche wieder und bittet verzweifelt um Hilfe beim Baden…

Und dann schaue ich meine Tochter an und sehe das Leid ganz tief in ihr… Mal schauen wie lange es dauert, bis das Bewusstsein für PDA in Deutschland ankommt…

Puh… Wall of text… aber irgendwo müssen diese Gedanken einfach gerade hin… Dabei will ich damit wirklich nicht deinen threat kapern…

2 „Gefällt mir“

Oh man… beim Lesen deiner Zeilen werde ich gerade ganz emotional und am Liebsten würde ich dich jetzt einfach nur in den Arm nehmen. Ein Trost unter Betroffenen…

Es ist für mich absolut ok, dass du dir das hier von der Seele schreibst. Mir geht es doch nicht anders. Ich schreibe hier Texte in die Welt hinaus, adressiert an völlig Fremde, aber irgendwie auch verbundene Menschen.

Ich habe ja auch gerade die Erfahrung machen müssen, dass wir von sogenannten Fachkräften nicht ernst genommen werden. Aber es gibt auch die Anderen. Bisher hatte ich nur telefonisch Kontakt zu diesen Menschen, aber Termine stehen an. Ich habe so wahnsinnig viel telefoniert und Mails geschrieben… und irgendwann merkt man, wem man sich anvertrauen kann und wer Verständnis für die Situation hat.
Lass wirklich erstmal sacken und geh die Sache ruhig an. Ich wünsche dir von Herzen, dass du jetzt die Antworten findest, nach denen du so lange gesucht hast.

3 „Gefällt mir“

Oh Ihr Lieben, mir fehlt gerade die Zeit, um viel zu formulieren, aber ich bin da bei Euch! Ich finde das Gefühl einer sicheren Bindung und grundsätzlich wertschätzender Umgang, sind die Grundlage für alles andere. Und diese platten Reden von „natürlichen Konsequenzen“ (die sich oft auch nicht anders als Strafe anfühlen), „klare Grenzen“ setzen, „Ordnung, Struktur“ , das sind alles Billigweisheiten, die man in jedem Ratgeber für Erziehung findet. Es ist so, als würde man immer wieder darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, nach dem Essen die Zähne zu putzen…
Musste mir gerade letzte Woche wieder so einen Schrott vom Kinderarzt anhören :see_no_evil:.

Den Begriff „Schuld“ haben wir übrigens aus unserem Familienwortschatz gestrichen… Verantwortung ist was
anderes
:heart:

Und @Wolkenbraut … könnte es sein, dass Deine Tochter im Vergleich zu Dir einen vermutlich entscheidenden Vorteil hat? Nämlich eine Mutter, die hochsensibilisiert die innere Welt der Tochter verstehen kann? Das ist ihr Anker.

Fühl Dich umarmt!

3 „Gefällt mir“

Danke dir. Das kriege ich ständig zu hören und zweifele deswegen an mir, dass ich was falsch mache.

2 „Gefällt mir“

Auf gar keinen Fall! Ich empfehle zu dem Thema ganz klar das Buch „Liebe und Eigenständigkeit“ von Alfie Kohn.
Ich habe so viele Jahre immer wieder mit mir gerungen, ob ich auf mein Bauchgefühl (und die Reaktionen meines Kindes) hören soll oder halt doch all die Dinge nur konsequent umsetzen müsste, die mir geraten werden, und in dem Buch habe ich dann endlich die Worte und vor allem die wissenschaftliche Bestätigung für das gefunden, was ich tief in meinem Inneren schon immer gespürt habe.

Es gibt nämlich Studien zu allen möglichen Erziehungstipps und Ansichten und die machen ganz klar, dass viele der gängigen Methoden entgegengesetzt zum Ziel (nämlich das eigene Kind zu einem selbstbewussten, selbstständigen, glücklichen Menschen werden zu lassen) stehen und das nicht nur logische Konsequenzen (im Gegensatz zu den natürlichen) Strafen darstellen, sondern auch das gesamte Feld der „Belohnungssysteme“ darunter fallen, weil ‚eine Belohnung nicht zu bekommen‘ nichts anderes als eine Strafe ist.

Zudem geht das Buch auf das ganze Thema intrinsische vs. extrinsiche Motivation ein und warum tatsächliches Verstehen reinen Gehorsam immer schlagen wird - selbst dann, wenn es manchmal noch eine ganze Weile dauert, bis sich zum Verstehen ein endgültiges Begreifen gesellt.

Nachdem ich dieses Buch gelesen habe, können mir die anderen einfach den Buckel runterrrutschen. Vorher gab es immer wieder Zeiten in denen ich mich verunsichern habe lassen und versucht habe, irgendwas von dem Quatsch einzuführen, weshalb ich letztlich total inkonsequent und für mein Kind unvorhersehbar war…

1 „Gefällt mir“