Rejection Sensitivity bei Jugendlicher, Eltern brauchen Hilfe bei Umgang damit

Hallo,

es ist Ostersonntag und in unserer Haus gab es schon vor dem Mittagessen mal wieder Stress.
Mal wieder eine Kleinigkeit, die sich aufgeplustert hat. Aus unserer Sicht kann unsere Tochter nicht mir „Fehlern“ umgehen. Sie bekommt einen Hinweis, was sie hätte anders machen können und sofort heißt es, wir würden nur ihre Fehler sehen, wir sollten den schönen Tag nicht mit „sowas“ verderben und überhaupt kann sie sowieso für nichts etwas. Wir hätten die Sache falsch angesprochen und überhaupt und generell sind wir das Problem. Pech gehabt, wenn wir mit ihrem Verhalten ein Problem haben.

OK, nun mag man sagen, sie ist in der Pubertät. Aber gefühlt ist unsere Tochter schon immer in der Pubertät. Weist man sie auf etwas hin, das gerade gestört hat, gefährlich oder eben einfach nicht ganz richtig war, reagiert sie schon immer in 99 Prozent der Fälle mit überzogen emotionalen Ausbrüchen. Sie hätte das nicht gewusst, jemand anderes hätte dafür die Verantwortung, sie könne das jetzt nicht hören und müsse jetzt gehen.

Beispiele:
Papa sagt, er habe am Morgen die Reste von der nächtlichen Hungerattacke weggeräumt und es wäre schön, wenn sie das selber zur Spüle stellen könne. Muss nicht mal abgespült werden, nur zur Seite geräumt. „Ich war gar nicht die letzte, die da was gegessen hat. Wo liegt das Problem, wenn du die zwei Bettchen weggeräumt hast? Immer hast du was zu meckern. Ich mache immer alles falsch!“

Ich bitte sie, im Bad das Licht auszuschalten, wenn sie drin war. „Ich lasse das Licht nicht an.“

Wir bitten Sie, keine Lebensmittelverpackungen liegen zu lassen, weil die Katzen da ran gehen. „Kann ich doch nichts dafür, dass die Katzen sich das immer holen! Kann doch mal passieren, dass jemand was liegen lässt. Die Katze soll das nicht machen, macht sie aber.“

Ich bitte darum, nicht ungefragt meine Kosmetik zu benutzen und leer zu machen. „Was soll ich machen? Meine Creme ist nunmal leer und ich brauche das für meine Haut. Willst du etwa, dass ich scheiße aussehe?“

Sie übt am Instrument und ich soll dabei sein. Ich höre mir die Übung an und gebe den Hinweis, eine Stelle nochmal langsamer zu spielen und zu wiederholen. „Das geht nunmal nicht so zu spielen, ich kann das so nicht, das Stück ist blöd. Ich übe jetzt nicht mehr und überhaupt wollte ich dieses Instrument nie spielen!“

Sie isst den Familienvorrat Süßigkeiten heimlich in ihrem Zimmer leer und wenn ich dann darum bitte, in den Laden zu gehen und was nachzukaufen, dauert es Stunden bis sie sich widerwillig auf den Weg macht und was ich da bitte so ein Fass aufmache. Sie hatte halt Appetit und sie hätte dann schon irgendwann was nachgekauft. Hätte sie nicht, sie war sauer, dass es bemerkt wurde.

So geht das in einem Fort. Alles für sich genommen Kleinigkeiten. Davon gibt es aber jede Woche haufenweise und oft immer die gleichen. Wir wissen nicht mehr, was wir da noch machen sollen. Natürlich wird sie gelobt und positive Verhaltensweisen werden erwähnt. Es ist überhaupt nicht so, dass wir dauernd meckern. Vieles erwähnen wir gar nicht und atmen einfach drüber hinweg. Diese hohe Sensibilität bei Hinweisen gab es auch schon in der Grundschule. Sobald die Lehrerin einen Hinweis hatte, bekam unsere Tochter Bauchschmerzen und wir mussten sie von der Schule abholen. Das ist auch heute noch so. Jeder noch so kleine Hinweis, jede Bitte wird sofort umgedreht in „Ihr seht nur meine Fehler, obwohl ich weder etwas falsch gemacht habe noch etwas dafür kann, dass ich so reagieren musste. Ihr habt mich dazu gebracht. Was hätte ich denn anderes machen sollen?! Ihr versteht mich nicht.“

Ich verstehe sie oft sehr gut. Ich kenne das auch. Nur hatte ich das viel weniger ausgeprägt als sie und geriet nie so heftig in Konflikte. Auch wenn ich es doof fand, ich konnte eben doch irgendwann sehen, dass ich etwas hätte anders machen können und habe das dann auch irgendwann geschafft. Unsere Tochter kann das nicht. Sie kann unsere Bedürfnisse nicht wahrnehmen und entsprechend darauf reagieren. Es läuft nur dann alles gut, wenn sie machen kann was und wie sie will. Ja, sie ist enorm selbstständig und forderte diese Selbstständigkeit auch immer ein. Und ja, wir sind stolz darauf, dass sie so vieles kann. Aber die Kehrseite ist eben, dass man nichts kritisieren darf. Weder wir noch Lehrer oder Mitschüler. Sie fühlt sich sofort abgelehnt. In der Schule zeigt sie das natürlich nie mit oppositionellem Verhalten. Dort will sie ja gefallen. Das entlädt sich dann zu Hause.

Noch hat sie keine Diagnosen. Sie ist aktuell in der Tagesklinik und wir warten auf Ergebnisse. Ich kann mir einige Verdachtsdiagnosen vorstellen, aber wir wissen eben noch nichts.

Die Frage ist, wie geht man mit einem Kind um, das immer sofort in Angriffs- oder Fluchthaltung geht, sobald die eigenen Bedürfnisse mit denen der Mitmenschen kollidieren? Wenn der Fokus immer sofort auf „Ich mache für euch immer alles falsch“ liegt? Wenn Lob gar nicht ankommt?
Es tut mir unglaublich weh mein Kind so zu sehen. Ich wünsche uns einen unkomplizierten Umgang und da gehört es halt auch mal dazu, eigene Fehler einzugestehen oder zumindest zu sehen, warum sich das Gegenüber gerade durch meine Handlung blöd fühlt. Ich möchte nicht, dass sich mein Kind abgelehnt fühlt oder das Gefühl hat, immer nur als Problem wahrgenommen zu werden. Sie macht sich enorm Druck, auch in der Schule. Sie beschreibt, dass sie nie sie selber ist und sich immer jedes Wort überlegt um nicht abgelehnt oder negativ bewertet zu werden.

Nur, wie kann man dann trotzdem um Dinge bitten, Hinweise geben? Manche Leute sagen, wir wären zu locker in der Erziehung, aber das stimmt so auch nicht. Es gibt zum Beispiel feste Regeln für Medienkonsum und auch Einschränkungen. Es gibt Grenzen. Bei ihr führt mehr Druck auch zu extrem viel Gegendruck. Wir erklären lieber mal was als einfach nur Strafen zu verhängen. Der große Sohn kommt damit zum Beispiel super klar. Aber die Tochter ist da echt eine Herausforderung. Schon immer gewesen.

Ich bin wirklich ratlos und verzweifelt. Mein Kind soll sich angenommen und verstanden fühlen. Was ich aber dabei nicht aufgeben möchte, ist gegenseitiger Respekt und das Anerkennen der persönlichen Grenzen und Bedürfnisse aller Haushaltsmitglieder.

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Hallo,

ich kenne es von meinem Sohn. Gefühlt ist alles falsch, egal wie man es macht.
Ich lese mal mit.

Auf die Gefahr hin, dass ich gleich gesteinigt werde
Wir sind eine Patchwork Familie und wohnen mit unseren zwei Töchtern zusammen, seitdem sie elf und 13 waren
Mein Freund und ich sind beide selbst ziemlich chaotisch, ich ja nun auch seit einem guten halben Jahr mit ADHS diagnostiziert und in unseren Einstellungen generell sehr liberal
Das Verhalten deiner Tochter, dass du da beschreibst, kenne ich grundsätzlich sehr gut
Ich hab es mir da einfach gemacht und habe für mich beschlossen, diesbezüglich einfach keine Baustelle aufzumachen.
Also so Dinge wie Süßigkeiten leer essen, Müll hinterlassen, Zimmer nicht aufräumen, wir nehmen das mehr oder weniger achselzuckend hin und machen höchstens Witze draus.

Natürlich muss ich das jeder für sich selbst entscheiden, aber mir persönlich war das gute und vertrauensvolle Verhältnis zu meiner Tochter und auch zu meiner Bonus Tochter wichtiger als regeln

Und es hat eine Weile gedauert, aber inzwischen sind sie von selbst drauf gekommen, und sind diesbezüglich Verantwortungsbewusster und reifer geworden
Man könnte dagegen halten, dass sie so nicht lernen, die Grenzen anderer Menschen zu wahren aber das ist so nicht richtig.
Die Eltern sind etwas ganz anderes, und unsere Mädels wissen sehr gut, dass sie sich manche Dinge bei uns herausnehmen können, aber bei anderen nicht.

Ich habe dieses Verhalten auch nie als respektlos mir gegenüber interpretiert. Respekt zeigt sich meiner Meinung nach anders.
Und natürlich steckt dahinter auch eine bestimmte Grundeinstellung auf unserer beziehungsweise auf meiner Seite
Ich glaube zum Beispiel auch nicht an das, was viele, vorwiegend noch die ältere Generation unter Erziehung versteht.
Kinder lernen am Modell und starre Regeln und Verbote bauen nur unnötig Hürden
Man muss sie nehmen, wie sie sind, da abholen, wo sie sind dabei begleiten und unterstützen, ihren eigenen Weg zu finden

Mein Leitspruch ist immer: strenge Eltern erziehen Kinder, nur zu guten Lügner
Ist natürlich etwas überspitzt formuliert, gibt aber gut wieder, was ich meine

Edit: ich bin zu faul zum tippen und verwende die Spracherkennung. Die ist in der Kommasetzung ziemlich kreativ, aber ich korrigiere jetzt nicht alles.

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Ich verstehe, was du meinst. Es würde mich interessieren, wie ihr es macht, wenn z.B. Verpackung liegen gelassen wird. Räumst du selber weg, oder sagst du was, oder gibt es einen Tag, wo alle zusammen rangehen und aufräumen?

Ich räume oft selber weg, irgendwann nervt es dann aber.
Heute hat es geklappt, dass wir alle zusammen innerhalb von einigen Minuten das Chaos beseitigt haben. Sowas klappt aber selten.

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Ich räum das dann einfach weg

Das war bei mir aber auch ein Lernprozess
Ist nicht so, dass ich mich da nicht auch manchmal drüber ärgern würde oder daran gezweifelt hätte, ob das so richtig ist
Inzwischen zeigt sich aber, dass es am Ende schon okay ist
Ich hinterfrage mich da, aber auch sehr häufig selbst:

Was genau ist es, was mich da ärgert?
Ist es wirklich das bisschen zusätzliche Arbeit, dass bei genauerem hinsehen nicht wirklich ins Gewicht fällt?
Oder steckt da vielleicht meine eigene Rejection Sensitivität dahinter?
Fühle ich mich hier vielleicht gerade nicht respektiert, nicht gesehen oder abgelehnt?

Ist es wirklich so wichtig, dass ich hier meine Definition von Ordnung durchsetze?
Das betrifft ja auch meinen Partner, der da generell weniger hohe Ansprüche hat als ich
Banales Beispiel Küche aufräumen
Wenn ich die Küche aufräume, beinhaltet das für mich auch freie und saubere Arbeitsflächen.
Mein Partner scheint das nicht zu bemerken, dass da noch Flecken und Krümel auf der Arbeitsplatte sind.
Rege ich mich jetzt drüber auf oder wische ich einfach kurz hinterher Um meinen eigenen Anspruch zu erfüllen?

Ich wäge immer wieder ab, was mir am Ende wirklich wichtig ist
Und was die Kinder angeht, so versuche ich mich an meiner eigene Kindheit und Jugend zurück zu erinnern
Auch ich hatte immer das Gefühl, alles falsch zu machen, weil grundsätzlich nur (zumindest in meiner Sichtweise) auf Defizite hingewiesen wurde
Lob und Unterstützung gab es bei mir praktisch überhaupt nicht. Aber gut, das ist eine andere Geschichte, meine Kindheit und Jugend waren ziemlich Scheiße und sind sicher nicht repräsentativ.

Was bleibt ist ein großes Mitgefühl für die Kinder, die sich in einer sehr viel komplexeren Welt zurechtfinden müssen, als ich das damals musste .
Ich möchte da nicht noch zusätzlich Druck ausüben, sondern lieber einen sicheren Hafen bieten, in dem sie mal nicht funktionieren müssen

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Liebe @Minzli steinigen werde ich Dich für Deine eigene Meinung nicht, auch wenn meine eigene Meinung eine andere ist.
Meine Meinung ist, dass wenn Kinder nicht von klein auf Regeln lernen, genauso das einhalten von Grenzen, dem Respekt vor den Grenzen anderer die man nicht einfach niedertrampeln darf nur weil man meint man könnte stets nur nach seinem eigenen „Lust Prinzip“ mit anderen verfahren, der zieht kleine Narzissten heran die unter Umständen nie lernen werden das man unabhängig von seinem Alter oder Geschlecht oder was auch immer gegenüber seinen Mitmenschen eine Verantwortung trägt.
Und zum Beispiel, jemand wo seinen Müll zuhause andere für sich weg räumen lässt, als sei man ein Prinz:essin und andere nur die Bediensteten die einem sein Chaos hinterher räumen dürfen, der:die wird diese Erwartungshaltung auch anderen gegenüber haben, und dadurch sind Konflikte im zukünftigen Leben, ausserhalb der Familie Gemeinschaft wo dem Prin:essin nicht „alles erlaubt ist“, dann natürlich logischerweise vorprogrammiert.
Man tut seinen Kindern also keinen Gefallen wenn man sie alles machen lässt, nur weil man selbst vielleicht nicht gelernt hat was man ihnen eigentlich beibringen „können sollte“. :heart:

Das ist sicher richtig, vorausgesetzt, das betreffende Kind nimmt das überhaupt so wahr.
Und das bezweifle ich sehr stark
Die haben da einen ganz anderen Blick, gerade in der Pubertät leben die in einer sehr begrenzten Blase und alles, was sich außerhalb dieser Blase befindet, existiert für sie einfach nicht

Wie gesagt, mein Kind weiß sehr wohl, dass es da draußen anders läuft, und verhält sich in ihrem Freundeskreis Witzigerweise völlig anders
Da ist sie nämlich diejenige, die organisiert, für andere mitdenkt und andere unterstützt.

Was unsere beiden Mädchen übrigens für sich selbst erkannt haben:
Sie räumen gegenseitig ihre Zimmer auf!

Fand ich sehr witzig, als sie mir das erzählt haben und ihre Erkenntnis geschildert, dass das ja viel mehr Spaß macht
Und das finde ich toll und das ist das, was ich mir auch gewünscht habe: dass sie eben ihren eigenen Weg finden!

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Liebe @Minzli , mir stellt sich die Frage, ob Du es nicht einfach so machst wie Du es machst um Dich selbst dabei besser zu fühlen.
Denn wenn Du selbst nicht fähig dazu bist Regeln einzuhalten oder Ordnung und zu halten, wie willst Du das dann anderen beibringen?, und das ist wahrscheinlich in Wahrheit des Pudels Kern.
Kein Vorwurf an Dich und nicht böse gemeint, aber im Prinzip ist ja letztendlich eben das dass eigentliche Problem, und dann muss man ja schon fast sagen das es okay ist wenn man seine Kinder „einfach machen lässt“, weil man ihnen ja dann garnichts anderes beibringen kann.

Das kann ich jetzt nicht ganz nachvollziehen, aber um mich geht’s hier ja auch nicht

Die Ursprungs Frage war ja, wie man ein Kind hier in der Situation unterstützen kann
Mein Ansatz dazu ist, einfach den Druck rauszunehmen (für Eltern UND Kinder) Und meine Erfahrung zu schildern, dass das nicht bedeuten muss, ins völlige Chaos zu stürzen und lebensuntüchtige Menschen heran zu ziehen

Ich bin der Überzeugung, dass viele Wege zum Ziel führen und man den für sich passenden herausfinden muss. Jede Art von dogmatischen Glaubenssätzen ist hier nach meiner Erfahrung kontraproduktiv.

Die Welt ist wahnsinnig komplex und es stürzen permanent, sehr viele Ansprüche auf Ellen ein
Da bleibt nichts anderes übrig, als Prioritäten zu setzen

Ich war halt auch sehr lang allein erziehend mit Vollzeitjob und ohne irgendeine Unterstützung
Die paar Stunden, die mein Kind und ich abends und am Wochenende zusammen verbracht haben, wollte ich immer Lieber als neudeutsch Quality time verbringen, als mit Hausarbeit und Diskussionen um Ordnung und Regeln
Als Vollzeit Hausfrau und Mutter hat man da sicherlich andere Ansprüche Und auch mehr Zeit, das umzusetzen
Ich will hier nur deutlich machen, dass man sich das Leben auch leichter machen kann, ohne fürchterliche Konsequenzen befürchten zu müssen

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P.s. Liebe @Minzli Du schreibst das die alten Generationen mit ihrer Erziehung zu Regeln Lügner erzogen hätten, wie meinst Du das?.
Und bist Du keine ältere Generation?, denn Du scheinst mir genau dieses Abbild der guten alten „Hausfrau“ zu sein die den gesamten Haushalt „alleine“ schmeisst, heisst anderen ihren Dreck weg räumt und Dich darüber noch nicht mal beklagst.

Der Satz, auf den du dich da beziehst, war ja überspitzt formuliert.

„Sehr strenge Eltern erziehen Kinder nur zu guten Lügnern“

Damit meine ich, dass wirklich sehr strikte Erziehung, die auf starren Regeln und verboten fußt, und keine Auseinandersetzung darüber zulässt, häufig nur dazu führt, dass die betroffenen Kinder diese Regeln eben heimlich brechen.

Manchmal auch einfach nur aus reiner Rebellion heraus
Sogar unsere Kinder haben uns neulich mal erzählt, dass sie sich manchmal abends aus dem Hausgeschlichen haben, um sich noch mit Freunden zu treffen
Dabei hätten wir es ihnen wahrscheinlich gar nicht verboten, wenn sie uns gefragt hätten
:joy:

Ich schätze, so funktioniert das eben einfach
Ist ja vermutlich auch gut so, sonst hätte sich die Menschheit ja nie weiter entwickelt wenn alle Kinder alles immer so gemacht hätten, wie ihre Eltern das von Ihnen erwartet haben
Vermutlich würden wir dann heute noch auf den Bäumen sitzen, weil unsere Primaten Vorfahren ihren Kindern ja bestimmt auch immer gepredigt haben, dass sie bloß nicht runter klettern sollen :joy:

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Ich stimme zu, dass man sich manchmal seine Kämpfe aussuchen muss. Das machen wir auch so.
Wenn ich mir mein Kind außerhalb der Familie so ansehe oder jetzt hier alle positiven Eigenschaften auflisten würde, könnte man meinen, die Probleme seien ja nichtig und zu vernachlässigen.

Nun ist es aber so, dass wir als Familie tatsächlich manchmal an unsere Grenzen stoßen, weil die Tochter eben ihre Bedürfnisse über die aller Anderen stellt und dann, wenn sie darauf angesprochen wird, eben keinerlei Verständnis zeigt. Im Gegenteil. Man muss sich dann dafür entschuldigen, dass man sich dank ihrer Grenzüberschreitung blöd gefühlt hat und verstehen, dass sie ja gar nichts dafür konnte. Und damit soll dann der Sache genüge getan sein. Das kann doch nicht die Lösung sein?

Natürlich räume ich was weg, wenn jemand was vergessen hat. Natürlich mache ich kein Fass auf, wenn jemand einen Termin verschusselt hat und ich ihn schnell fahren muss. Oder wenn wir zu spät zu einem Termin kommen, weil halt jemand ein schlechtes Zeitgefühl hat. Ich gehe auch einfach nochmal einkaufen, wenn eben 4 Leute gerade alle sehr gerne Eis essen und es nach 24 Stunden leer ist. Hab ich gar kein Problem mit.

Ich habe aber ein Problem, wenn jemand heimlich die Sachen der Anderen nimmt und sauer wird, wenn das dann auffliegt. Oder wenn ich nach 3 Tagen darum bitte, mal den Flur aufzuräumen (wo alles liegt, was beim Zimmer aufräumen nicht mehr den Weg nach drinnen finden soll), weil der Papa mit MS schlecht das Gleichgewicht halten kann. Und wenn ich dann zu hören bekomme, dass man das eben mal vergessen hat und ja auch schon vorhatte das zu machen und dann dauert das nochmal 3 Tage und es geht erst, weil ich das Handy einkassieren muss. Hier geht es mal ganz klar um Sicherheit und Gesundheit. Und wenn ich darum bitte, nachts nicht mehr in der Küche rumzuklappern hat das auch einen Grund.
Auch, wenn mir jemand meine für den nächsten Tag rausgelegten Klamotten wegnimmt stört mich das, weil ich das ja nicht ohne Grund rausgelegt habe. Ich werde auch sauer, wenn man mir mein Essen für die Arbeit in der Nacht wegisst, weil ich Untergewicht habe und mir vor der Arbeit nicht mal eben was kaufen kann.

Ich sage schon nur dann etwas, wenn ich meinen Unmut auch begründen kann. Immer nur dann, wenn ihre Handlungen für jemand anderes ein unnötiges Problem verursachen. Und dann kann ich ja auch erklären, wo das Problem liegt und warum das jetzt jemanden stört.

Und ja, da erwarte ich zumindest Verständnis und vielleicht eine Entschuldigung, ein Abstellen des Verhaltens oder zumindest eine Art der Entschädigung. Irgendwas. Aber kein “Ist dein Problem.”

Ich hab auch gefragt, warum sie das immer wieder macht. Sie sitzt dann vor mir, weint und sagt, sie wisse das auch nicht. Es passiert halt irgendwie. Sie hat keine bösen Absichten, macht aber das, wonach ihr gerade ist und dann fühlt sie sich blöd, wenn wir sie darauf ansprechen. Sie kann ja nichts dafür, wie sie sagt. Und dann fühlt es sich für sie absolut ungerechtfertigt an, wenn wir was zu meckern haben.

Letztlich ist es ja auch so, dass sie auch außerhalb der Familie nicht mit Fehlern umgehen kann. Sie selbst lässt Hobbys sausen aus Angst nicht gut genug zu sein. Sie macht sich in der Schule enormen Druck: sie ist Klassenbeste und Klassensprecher. Sie muss sozusagen ihren Rollen entsprechen und kommt da ums verrecken nicht raus. Und sie leidet darunter.

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Ah ok, dann wird mir das noch etwas klarer.

Ja, natürlich, alles hat seine Grenzen, bei uns natürlich auch

Du hattest geschrieben, sie ist aktuell in der Tagesklinik?
Ist das konkret, um eine Diagnose zu bekommen oder gab es dafür einen anderen Grund?
Ging das von ihr aus, von euch als Eltern oder von einem Psychologen?

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Oh je, das klingt wirklich nach viel Druck
So ein bisschen war meine Tochter früher auch

Wenn sie sich selbst schon ständig Druck macht, dann ist natürlich jeder Druck von anderen zu viel für sie, auch wenn das Anliegen gerechtfertigt ist

Und ihr Vater hat MS?
Weiß sie das und auch, was das bedeutet?
Könnte es sein, dass sie damit vielleicht nicht umgehen kann?

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Hallo @Hobbyhopper,

ich vermute, dass ich Dich einigermaßen gut verstehen kann. Meine Tochter ist jetzt 21 und die Pubertät, aber auch die Jahre „von Beginn an“ waren in keiner Weise ein gemütlicher Spaziergang. Unkompliziert war ein nicht vorhandenes Wort in Bezug auf unser Familienleben.

Hier gab es bei der Tochter erst die „Diagnose“ Hochbegabung (12Jahre) und mit ca. 18 Jahren die Diagnose AD(H)S. Eine hohe Sensitivität/Sensibilität kommt meiner Einschätzung nach auch noch dazu, aber diese Begriffe sind ja immer von Konzepten und nicht von wissenschaftlicher Beweisbarkeit und dadurch greifbarer Testung geleitet.

Vielleicht ist es nötig, erst einmal die Tests und deren Ergebnisse abzuwarten?

Im Rückblick würde ich sagen, dass diese Kombination- und das fehlende Wissen von uns allen darüber- was diese Kombination für das tägliche Leben bedeutet, uns allen das Leben schwer gemacht.
Aber das muss ja nicht auch bei Euch so sein und manchmal meint man, also ich in diesem Falle, Muster zu erkennen, die auf die Entfernung hin letztlich nicht feststellbar sein können.

Welche Diagnosen vermutest Du ?

Meine Tochter hat auf jede Zurechtweisung mit Verleugnung reagiert, Scham war ein großes Thema, wie viel später klar wurde. Dass offensichtlich zu erledigende Dinge tatsächlich einfach vergessen werden, scheint unvorstellbar für Menschen die nicht von ADHS betroffen sind.
Oder auch dann unvorstellbar, wenn man selbst noch nicht diagnostiziert wurde, aber ähnlich handelt… und sich nicht gut reflektieren kann, weil ein wichtiger Baustein zum Wissen über das eigene Ich fehlt… Und Impulsivität bei Handlungen kann auch ein großes Thema sein. =„Es passiert halt irgendwie“ sagt Deine Tochter unter Tränen.

Der Druck, von dem Du schreibst: Genau so hat meine Tochter sich bei ihrem letzten Besuch wieder einmal über die Schulzeit geäußert.
Und mit Lob braucht man ihr auch erst gar nicht zu kommen, da die Ansprüche an die eigene Person bzw. daran, was wie, wann und in welcher Qualität zu leisten wäre durch die Kombi HB und ADHS weit oberhalb einer Norm (was immer diese sein soll) liegen.

Vielleicht ein Beispiel: Ich hatte meiner Tochter eine Karte zum Ende des 1. Semesters an der Uni geschrieben mit der Frage: Ist Dir eigentlich klar, was Du in diesem Semester alles hinbekommen hast?
Als ich bei ihrem Besuch zuhause nachfragte, ob sie etwas mit der Karte anfangen konnte war ihre Antwort: „Ach die, die habe ich gleich zur Seite gelegt.“

Vielleicht streichst Du meinen Monolog besser… war gar nicht Deine Frage.

Wir haben fast immer hinterher geräumt, so wie ich es als Kind schon von meiner Mutter kannte, die hinter mir herräumte (mein unerkanntes ADHS). Jeder Erziehungsversuch war zwecklos, ich konnte einfach nicht aufräumen, bzw. Ordnung halten. Meine erste eigene Wohnung glich immer dem Zustand nach einem Bombeneinschlag. Als unerwarteter Besuch kam, wollte ich die Tür nicht öffnen, die Peinlichkeit ist kaum zu beschreiben. Noch heute mühsame Arbeit.

Eventuell habe ich dran vorbeigeschrieben und zu sehr von eigenen Erfahrungen auf andere Erfahrungen geschlossen.

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Sie ist in der Tagesklinik, weil sie Panikattacken bekam.
Sie hat schon vor gut einem Jahr mal gemeint, dass sie gerne mal zu einem Psychologen gehen würde, um mal einen Check-up zu machen. Laut ihr sollte das sowieso zur allgemeinen Gesundheitsfürsorge gehören. Sehe ich auch so.
Jedenfalls hat sie dann von Panikattacken erzählt, die auf traumatische Erlebnisse in der letzten Schule zurückzuführen sind.
Sie hat dann Termine in der PIA bekommen und nach etwa 4 Sitzungen mit der dortigen Psychologin wurde uns empfohlen, sie in der Tagesklinik behandeln zu lassen.

Ich selbst hatte sie vor der PIA mal den Testbogen hier auf der Seite ausfüllen lassen und sie hat mir da wahnsinnig viel erzählt. Viele Fragen haben einen regelrechten Redeschwall ausgelöst und sie hat einen recht hohen Score bekommen. Allerdings auch Depression in den Raum gestellt und das hat wohl die Psychologin der PIA auch im Verdacht. Meine beste Freundin sagt, mein Kind könnte hochbegabt sein und die Psychologin meines Sohnes hat vor 8 Jahren mal gemeint, wir sollten sie doch mal auf Autismus testen lassen.
Jeder, der das Kind kennt, sieht, dass IRGENDWAS nicht im Lot ist, aber was es genau ist wissen wir nicht. Ich weiß nur, dass sie mit einer Art Problem auf die Welt gekommen ist. Wir kennen sie nur so (besonders was die von mir in den Raum gestellte RS betrifft). Bisher kamen wir damit zurecht und haben viel Rücksicht genommen, aber man merkt einfach, dass es für sie und für uns immer schwerer wird.

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Hallo @Hobbyhopper , vielleicht liegt das Problem ja darin das Du immer wieder nachgegeben hast, heisst Deine Tochter wahrscheinlich schon in ihrem Kleinkind Alter sämtliche Grenzen ausgelotet hat und dann auch überschritten hat, und Du vermutlich dann um des lieben Frieden willens zu schnell nachgegeben hast.
Natürlich ist das im Moment eine reine Vermutung von mir, allerdings wäre so eine Eltern Kind Konstellation relativ nahe liegend, da man solche Situationen doch ziemlich häufig beobachtet.
In meiner Herkunftsfamilie war das ja immer das „mittlere Kind“ von uns welches ständig seine Grenzen massiv überschritten hatte, und von Seiten der Mutter her trotzdem nie so schlimm bestraft wurde wie sein älterer Bruder.
Selbst heute noch lässt unsere Mutter diesem Bruder im Prinzip jeden Blödsinn durchgehen.
Und er hat es verdammt gut gelernt wie man andere immer so manipuliert als seien sie an all seinem Unglück in seinem Leben schuld, nur er selber nicht.
Das alles geht soweit das sie ihm sogar finanziell immer einen „Zustupf“ gegeben hat, und zwar recht beachtlich, und das obwohl sie sich selbst das Geld dafür am Maul abgespart hat, aber ihm ist das egal, denn er ist heute ein skrupelloser Narzisst.

Vielen Dank, ich denke nicht, dass du an der Frage vorbei geschrieben hast.

Es würde mich gar nicht überraschen, wenn bei meiner Tochter auch so eine Diagnosenkombi vorliegen würde. Auch, wenn der erste Test in der PIA keine Auffälligkeiten bei der Konzentration gezeigt hat… Aber ich hab den Verdacht, dass eine eventuelle Depression auch erstmal vieles überlagert. Ich glaube, es gibt eine Wechselwirkung verschiedenster Symptomatiken und da muss man erstmal Fäden folgen und Knoten entwirren.

Wissen, ja Wissen wäre wirklich hilfreich für uns alle.

Wir wollen unsere Tochter wirklich nicht überfordern und Dinge verlangen, die für sie unmöglich sind.

Den Verdacht hatten wir auch schon. Dann bin ich Situationen durchgegangen wo das hinkommt, aber finde auch welche, wo das nicht passt.

Sie macht halt sonst auch keinen Unsinn wo man erzieherisch tätig werden müsste. Sie bleibt nach der Schule nicht länger weg, hat keine fragwürdigen Freundschaften, macht nichts kaputt und in der Schule läuft es auf den ersten Blick bestens.

Sie ist eben “nur” rücksichtslos. Und was soll man da erzieherisch machen? Welche Grenzen soll ich da nachziehen? Schloss a die Küchentür, damit sie nachts nicht mehr rein kann? Sicher nicht. Das empfinde ich als furchtbare Erziehungsmethode und auch für alle anderen unpraktisch.
Safe für meine Kosmetik halte ich auch für überzogen. Schiebe ich alle Sachen vom Flur wieder in ihr Zimmer hab ich zwar einen freien Flur, dafür aber beim nächsten Mal das Selbe wieder.

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Vielleicht denkt sie im Moment einfach nicht weiter. Wenn sie abends / nachts ein Film schaut oder xy macht und Appetit bekommt. Vielleicht ist sie dann so vertieft, dass sie nicht dran denkt, Verpackung wegzuräumen.