Selbstkritik-Krisen nach Treffen mit Freunden

Heyja, ich wage mich nun zum ersten Mal in ein Forum, ich hoffe ich bin jetzt nicht in einem falschen Thread gelandet oder sonst was - falls doch, großes sorry.

Ich bin mitten im Studium und wurde vor rund einem halben Jahr mit ADS diagnostiziert. Mir hilft die Diagnose enorm, ich nehme auch Medikamente und es geht mir so viel besser, weil irgendwie alle Probleme jetzt einen ‚Grund‘ haben. Nur eine Sache werde ich nicht so recht los und ich weiß auch gar nicht, ob das wirklich in den ADS-Kontext passt oder gar nicht dazu gehört, ach keine Ahnung.

Folgendes Problem: Häufig wenn ich etwas mit Freunden mache, bin ich total „überdreht“, ich bin dann sehr laut und rede sehr viel und eben auch viel über mich. Das ist an sich gar nicht das Problem, ich entschuldige mich meist nach dem Treffen und habe auch schon viel mit meinen Freunden darüber geredet, sie haben damit gar kein Problem/mögen das auch an mir, aber irgendwie kommt das einfach nicht bei mir an… Nach jedem Treffen fällt mir -sobald ich alleine bin- auf, wie unangenehm ich gewesen sein muss, wie laut ich war und ich durchlebe wie eine Mini-Krise von ein paar Stunden, in denen ich mich total selbst zerfleische und mich und meinen Charakter einfach nicht mag. Mich macht das echt fertig, weil es mir danach manchmal so mies geht, dass ich mich gar nicht mehr treffen mag, weil ich nicht die Krise danach will.

Ich weiß ja, dass das rational nicht viel Sinn macht, dass meine Freunde ja wissen worauf sie sich einlassen, aber ich wäre irgendwie einfach so gerne anders…„angenehmer“ in meinen Augen. Irgendwie überfordert mich das total…
Kennt das jemand? Hat jemand eine Idee, wie man am besten durch sowas durch-steuert?

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Hallo @tinytinx!
Ich kenne das, was du beschreibst so gut! Allerdings haben bei mir die Medikamente da ziemlich geholfen. Weil ich dadurch in der Situation deutlich besser steuern kann, wie aufgedreht ich bin und vor allem, wie viel ich von mir erzähle. Du sagst ja, dass du Medikamente nimmst, darf ich fragen, welche? Weil ich persönlich hier bei mir einen krassen Unterschied zwischen MPH und Elvanse feststellen konnte. Und hast du bisher gar keine Auswirkung der Medis auf diesen Bereich gemerkt?

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Hallo @tinytinx ,

Dazu ein fettes JA. Das ist ein typisches ADHS-Phänomen. Viele kennen das. Ich nicht, bei mir ist es das Gegenteil. Ich krieg in solchen Gruppen den Mund nicht auf, und ärgere mich hinterher darüber, dass es so ist. Auch das ist typisch.
Es ist richtig gut, dass du es für dich so erkennst. Und dass, deine Freunde es akzeptieren, ist großartig. Oft ist es so, dass man es bei sich gar nicht merkt, die Freunde sind genervt und wenden sich ab. Oder sie machen sich lustig, was im Extrem zu Mobbing führen kann. Auch das kennen leider viele. Dieses Verhalten bewusst zu steuern ist schwierig, denn es hat mit der gestörten Impulssteuerung zu tun.

Ist dir dein Verhalten bewusst geworden, seitdem du die Medikamente nimmst? Falls ja, zeigt es, dass sie gut wirken. Es kann auch noch einige Zeit dauern, bis sie auch bei der Impulsivität einen Erfolg zeigen. Was du konkret probieren könntest, wäre, dass du mit einem Freund vereinbarst, dass er dir ein Signal schickt, wenn die Pferde mit dir durchgehen. Da könntet ihr was ausmachen, dass dir zeigt: Jetzt halt mal den Ball flach! Man könnte auch verhaltenstherapeutisch daran arbeiten, dazu wäre ein Therapeut gut, der sich mit ADHS auskennt.

Wichtig ist, erstmal zu akzeptieren, dass es zur ADHS dazugehört.

Egal! Solange du drunter leidest, ist es real. Und auch eine Anpassung der Dosierung deiner Medikation könnte dein Verhalten begünstigen. Oder eine andere Stimulanz könnte helfen. So oder so: Gib dir Zeit, probiere aus und sei nachsichtig mit dir. Nimm dir ein Beispiel an deinen Freunden! Da geht noch was. :slightly_smiling_face:

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Medikinet und Duloxetin seit mehreren Monaten… Mhm, schwierig, ich merke viele positive Effekte, die Konzentrationsfähigkeit in Vorlesungen, die mir nicht liegen; das extreme Festsuchten an Dingen wie Spider-Solitaire und alles ist deutlich geringer und vor allem, dass ich nicht mehr so extrem prokrastiniere. Emotional fühle ich mich deutlich stabiler, weniger „hin und her geworfen“, Ich denke die Impulsivität hat sich schon leicht gebessert, aber irgendwie fällt es mir schwer das so klar festzustellen, weil es so extrem tagesformabhängig ist… Aber in diesen sozialen Situationen… gerade wenn es mit Freunden ist, mit denen ich mich recht wohl fühle, ist es als würden alle guten Effekte über den Haufen geworfen und „old me“ ist zurück…
Hab allerdings auch gerade im Forum gelesen, dass man beim Eindosieren definitiv auf Koffein verzichten soll, das habe ich leider gar nicht beachtet, hatte meinen Arzt gefragt, aber er meinte das sollte kein Problem sein (bitte ihn nicht haten, ich vertraue ihm eigentlich trotzdem sehr)… Vielleicht hab ich jetzt doch beim Einstellen Mist gebaut? sollte ich da verbesserungen merken? ohje…

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Kenn ich. Herzlich willkommen im Forum! :adxs_knuddel:

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Lass den Kaffee einfach weg und mach weiter. Und freue dich über das bisher erreichte. Es gibt hier auch eine Eindosierungshilfe:
https://adhs-forum.adxs.org/t/ein-dosierungshilfetabelle/7270

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Es ist so… heftig gerade zu merken, wie sehr eure Antworten jetzt schon helfen, dass ich mich irgendwie…aufgehoben fühle, oha! Mein gesamtes Umfeld ist super aufgeschlossen, aber komplett ADS-fremd und ich hab irgendwie erst heute realisiert, wie sehr ich das brauche, mich mit Menschen austauschen zu können, die es halt kennen. Offensichtlich Sinn des Forums… Sorry, das nur am Rande… kleiner Gefühlsausbruch

Ich habe das schon lange vor Medikamenten gemerkt. In der Jugend gab es einige Situationen, wo mir Menschen und vor allem nahe stehende Freunde mitgeteilt haben (oder es mich haben spüren lassen), dass ich gerade zu anstrengend bin - also bin ich schon seit gut 10 Jahren darauft gepolt, das zu merken und mache mich dementsprechend auch seitdem fertig, es immer erst nach dem Treffen so richtig zu merken. Ich merke es auch währenddessen so halb, aber da kann ich mich dann eben selbst nicht aufhalten. Es fühlt sich dann so richtig an und so „ich“ jetzt einfach loszuplappern… Ich denke, ich habe gerade irgendwie Schwierigkeiten Grenzen zu ziehen zwischen meiner Persönlichkeit und Symptomen…

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Hi,
auch von mir ein herzliches Willkommen!
Ja, kenn das definitiv auch, erst recht unter Freunden/in gelösterer Stimmung und auch mit den jahrzehntelangen Erfahrungen, dass man sich doch bitte mal kleiner machen solle.
Auch das Spider-Solitaire weckte gerade Erinnerungen. :smile:

Experimentier damit, erfahr dich, lern dich weiter kennen!
Je mehr man unter Leuten ist, die wirklich ne sehr ähnliche Wellenlänge haben, desto weniger werden evtl die Schuldgefühle und desto größer dafür die (Selbst-)Akzeptanz. Wäre so meine Idee.

Und ja, man kann dabei auch dennoch nahe Leute um sich haben, die man mag und wo man nach diesem sich Fallenlassen dennoch Schuldgefühle haben kann. Lebenslanges Lernen.
Wo das genau herkommt, könnte man noch erfragen und erarbeiten (also die Schuldgefühle, nicht das Fallenlassen), würde dann aber sehr persönlich sein und nicht diesem Rahmen hier entsprechen.

Alles Gute dir!

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Ganz großes Dankeschön an euch alle! Allein das einordnen können hat extrem geholfen, die Tipps sowieso! Dann wohl auf zur nächsten Mission: Selbstliebe! xD

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Hi @tinytinx willkommen auch von mir!

Auch ich labere die Leute immer wieder heftig zu…

Aber stell Dir erstmal ne Familie vor am Esstisch, und es laufen vier Unterhaltungen gleichzeitig ab … !!!

Bei uns täglich zu beobachten :eyes: :roll_eyes::sweat_smile:

Hej,

willkommen im Forum.
Lies doch mal hier nach:

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heyo tiny, kann mich da sehr gut in dich reinfühlen. Bei mir gibt es das Problem auch vor allem seitdem die Diagnose besteht. Es scheint einfach eine psychische Wechselwirkung zu geben zwischen der Angst nicht angenommen zu werden, der Tatsache das man jetzt eine Begründung hat warum man denn immer so ‚schwierig‘ war und der ADxS-typischen Impulsivität. Vergiss jedoch nicht , dass du noch am Anfang deines Weges stehst, andere Menschen auch Probleme haben und es okay ist , dass die Dinge manchmal aus dem Ruder laufen. Also im Grunde einfach nur ‚pathologisier‘ diesen Spleen nicht. Das geht in Richtung negativer Hyperfokus. Ich hab das alles selber schon durch und im Grunde ist das wie wenn du beim Karten spielen immer gleich alle Karten auf den Tisch legst und den Leuten dann sagst betrüg mich nicht. Einerseits ein guter Weg um die falschen Freunde rauszufiltern andererseits aber auch ein sehr forderndes und grade für dich sehr anstrengendes Verhalten bei dem man schnell ins Abseits driften kann.

Mir kommt halt auch vor es wird hier viel zu wenig über die Therapiemöglichkeiten geredet und immer gleich nach der Dosierung deiner Medikamente gefragt. Deswegen jetzt mal die Frage: Hast du es schonmal mit Meditationen/ Hypnosen zum Thema Selbstliebe/ inneres_Kind probiert?

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Das stimmt völlig.

Einerseits gibt es insgesamt viel zu wenig Therapeuten.

Auch gibt es, wie Dr. Martin Winkler neulich in einem online Webinar anmerkte, leider bisher kein Manual/Leitfaden für Therapeuten für ADHS.

Deshalb empfiehlt er eher Coaching. Aber auch, weil Coaching bei ADHS insgesamt auf jeden Fall auch hilfreich und nötig ist, unabhängig von oder vor/nach/während einer Therapie.

Coaching wiederum ist wohl generell Selbstzahlerleistung.

Und jetzt weißt du, weshalb wir hier so wenig dazu schreiben (können).

Dieser so genannte multimodale Ansatz, der überall propagiert wird, ist schön und gut, aber die praktischen Erfahrungen zeigen, dass die Medikation auf jeden Fall vor der Therapie sinnvoll ist, weil sie einen überhaupt erst therapiefähig macht.

Nicht jeder, der Medikamente nimmt, muss aber auch noch eine Therapie haben. Es reicht häufig, zu medikamentieren, damit einige Sachen funktionieren. Nicht jeder ist so stark betroffen, dass er eine Therapie braucht.

Therapie muss nicht Voraussetzung für Medikation sein.

:exclamation: Solange es überhaupt keine ADHS spezifische Therapie gibt, macht Therapie einfach auch nur bedingt Sinn.

Eine Therapie, die einem eine Ordnung aufzwingen will, die man aber ohne Medikamente nicht umsetzen kann oder auch mit Medikamenten nicht, wird nicht zur Stabilisierung der Persönlichkeit oder zum Aufbau eines Selbstwertes führen.

Eher das Gegenteil kann die Folge sein, dass man denkt, man wäre eben selber schuld und völlig zu überhaupt nichts zu gebrauchen.

danke für deine Antwort! stimmt schon, ich stecke noch immer sehr in dem Ansatz drin, dass irgendwie etwas „falsch“ mit mir sein muss, zumindest solange ich bei solchen dingen noch nicht den zusammenhang zu ADxS gefunden hatte :smiley:
Ich bin an sich sehr für therapie, ich war aber bereits mehrere Jahre in Therapie und ich fnde es sehr schwer, dass damals das anscheinend doch recht ausgeprägt ADS bei mir nicht erkannt wurde, ja nicht mal considered wurde… Das bringt mich jetzt zu dem Punkt, dass ich überzeugt bin, dass die Therapie auch sehr auf ADxS ausgelegt sein muss oder sich die Person sehr gut damt auskennt und das eben entsprechend berücksichtigen kann, weil die Therapie sonst einfach nicht an den richtigen Punkten „greift“. Natürlich ist das jetzt nur erfahrungsbasiert…

Hast du denn mit sowas Erfahrungen gesammelt? Magst du davon berichten?

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Also ich kenne aus dem Qigong so Dinge wie „Inneres Lächeln“ und so…

Wenn man ein bisschen Anleitung bekomnt und vielleicht eine Gruppe hat, sodass man auch ein bisschen länger übt, kann das für jedermann hilfreich sein.

Ich habe auch geführte Meditationen von Rüdiger Dahlke hilfreich gefunden.

Die Inhalte der Bücher … weiß ich nicht… das spricht mich nicht an, aber die Meditationen sind unabhängig davon nutzbar.

Und ich habe hier schon ganz viel zur App Insight Timer geschrieben, tausendfache Empfehlung, auch Ulbres Hinweis auf binaurale Musik ist super… einfach mal hier in die Suchfunktion eingeben.

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Naja wenn ich von Therapie schreibe meine ich grundsätzlich schon die Formen von Therapie die hier hilfreich sind.

kognitiv-behaviorale Therapie wird recht oft empfohlen bei ADxS.

Genau, aber scheinbar gibt’s nix Erwähnenswertes…

Oder doch, eigentlich schon… aber es fließt eher so hintenrum und nebenbei ein.

Schau mal in „Merlins Lern- und Zauberthread“ rein und… also es gibt einige Threads, die erkennen lassen, dass jemand aus einer Therapie was mitgenommen hat.

Aber ganz viel sind auch Hinweise auf gute Videos und Bücher.

Hilfreich ist vielleicht allgemein hier für das Forum, im Drei-Balken-Menü „Allgemein“ aufzurufen - da siehst du, was zuletzt geschrieben wurde…

Ja bin grad selber mittendrin, meine Therapeutin hat mir viel Zeit gelassen mich erstmal grundsätzlich auszulassen („Kennenlernphase“) über meinen bisherigen Werdegang und dann aufgrund meines Hyperfokus auf das Thema gleich mal gesagt, das Sie vordergründig nicht meine ADxS Problematik behandeln wird , sondern meine ganzen Triggerpunkte. Ich war zuerst wütend und enttäuscht, hab mir aber auch gedacht nachdem ich mir jetzt schon den ganzen Stress angetan habe einen geförderten Platz zu kriegen werd ich es einfach mal versuchen. Die Meditationen sind teilweise ehrlich sehr esoterisch und haben in mir sehr viel Gegenwehr erzeugt. Ich hatte dann einen ordentlichen einseitigen Streit mit meiner Therapeutin das ich mit diesem Humbug nichts anfangen kann. Nachdem Sie mir dann aber klargemacht hat warum ich da so abweisend reagiere (ehrlich sie hat nur das Wort „Weichei“ erwähnt und ich habe es sofort auf mich bezogen und dann sind halt all die alten Situationen emotional gleich mit hochgespült. ) und ausraste. Hat Sie mir dann sogar angeboten die Therapie abzubrechen wenn ich mag. Sie hat mir also immer noch die Wahl gelassen. Selbstverantwortung war auch so ein Thema in der Therapie. Nun ja schlussendlich habe ich noch ein bisschen rumgesucht und dann aber auch nichts besseres im Bereich der geführten Meditationen gefunden als sie mir schon rausgesucht hat. Ich habe dann 1 Woche lang jeden morgen diese eine Meditation gemacht. Es hilft wenn du dich drauf einlässt schon sehr. Danach hab ich mich gefühlt als wären die letzten 15 Jahre meines Lebens nicht passiert. Jetzt sind wir direkt zu Hypnose gesprungen , da die geführten Meditationen für meine recht starke Vorstellungskraft doch eher etwas einengend sind. Ist auf jedenfall gewaltig was es mit einem macht. Grad in Bezug auf fehlgeschlagene Erziehungsversuche vonseiten der Eltern und Familie (Schläge, Mobbing, Gaslighting) oder auch die generelle Aufhebung meiner Coping Strategie Nummer Eins : Dissoziation. Natürlich nehme ich auch meine Tabletten. Ich möchte auch nicht die Medikation in ein schlechtes Licht rücken. Wollt nur ansagen , dass es sehr wohl Therapien gibt die keine spezifische Kenntnis von ADxS erfordern und trotzdem helfen können. Besonders weil die Gegenhandlung zur Dissoziation und auch zum Hyperfokus auf das Thema angenommen werden von den anderen erstmal Annahme deiner Selbst ist. Bei mir direkt halt: Gefühle fühlen und nicht wegdrücken. Das beruhigt dann auch den inneren Selbstkritiker.

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Yes!!

Danke, dass Du so gut beschrieben hast, welche Widerstände du hattest und das es sich dann aber gelohnt hat, es trotzdem noch weiter zu versuchen.

Wenn Du noch Lust hast, im Insight Timer gibt es so extrem unterschiedliche Sachen.

Binaural unterlegte Musik oder Geräusche sind grade so meines…

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