Jetzt aber mal von vorn:
@DerAndroidler
Danke für deine lieben Worte. Und auch für den Tipp mit dem Bupropion.
Mit Teleclinic habe ich bisher bei „harmlosen“ Dingen (zB Antibiotika für die Haut oder Schmerztabletten) ganz gute Erfahrungen gemacht - als ich in einer depressiven rezidiven Episode 2016 (Trennung vom Ex) auf das altbekannte Venlafaxin zurückgreifen wollte, hat man sich da sehr schwer getan. Nachdem ich dann dem Tele-Arzt das Rezept mit der viel Widerwillen aus den Rippen geleiert habe, stellte sich der Apotheker quer. Aber das war auch noch die Zeit, wo diese Online-Arztservices nicht so verbreitet waren und die Akzeptanz nicht so da war. Vermutlich wärs inzwischen kein Problem mehr. Ich hatte sogar witzigerweise die gleiche Idee wie du (auch Bupropion), verwerfe es aber immer wieder - weil ich nicht weiß, ob sich das nachteilig auswirkt auf meine Blutwerte und mein EKG im März. Ich möchte ja vor Ort beweisen, dass ich körperlich „fit genug“ für Amphetamine bin - und weil ich trainingsbedingt eh schon ne Herzkammerhypertrophie habe, will ich nicht, dass mich so etwas Banales am ende vielleicht die Medikation kostet, wenn da am Ende die Nieren/Leber/Herzwerte knapp über irgendeiner Schwelle sind…
Ich versuche mir gerade zu sagen: Auf den einen Monat kommts nicht mehr drauf an.
Du und @Jytski habt es beide angesprochen - im Prinzip „schadet“ es dem Therapeuten nicht, meine KV-Karte einzulesen und diese 50min abzukassieren - auch wenn sie im Vorhinein wissen, dass sie mich vertrösten werden. In manchen Fällen mögen diese Sitzungen trotzdem nicht umsonst gelaufen sein, weil so ein Patient, der wirklich das ALLER ALLER ERSTE MAL beim Psychotherapeuten vorspricht, in der Regel nicht weiß, wie so etwas läuft. Da erst mal den Ablauf erklärt zu bekommen, eine vorläufige Verdachtsdiagnostik mit auf den Weg zu geben und grob zu evaluieren, was es THEORETISCH an Maßnahmen bräuchte, um psychisch zu genesen - das sind schon alles sinnvoll investierte 50 min. Wenn man aber von dieser Sorte schon so viele Gespräche hatte, ist es nur zermürbend.
Noch zermürbender war allerdings, dass mich die Mehrheit der Therapeuten nicht in einem ambulanten Setting gesehen haben. Die einen sagten, sie würden die Verantwortung für einen grenzwertig-suizidalen-Fall nicht übernehmen wollen, selbst wenn sie Plätze gehabt hätten. Die anderen sagten, dass sie einfach nicht glauben, dass ich das nötige Maß an Unterstützung bekäme, weil einfach 50min in der Woche überhaupt nicht ausreichen würden um mich irgendwie aufzufangen. Der Grundtenor (mit einer Ausnahme) war: Klarer Fall für stationär - oder höchstens noch Tagesklinik.
Auf eine Tagesklinik hätte ich mich sogar eingelassen, falls es möglich gewesen wäre, statt 8:00 bis 15:00- vielleicht an manchen Tagen schon um 13:00 zu gehen (wo meine Hundesitterin nämlich leider kein Homeoffice hat). Aber erstens hätte ich nicht die Dreistigkeit so etwas zu fragen, und zweitens denke ich nicht, dass man sich darauf einlassen würde… Es hätte den Vorteil gehabt, dass ich schneller medikamentös eingestellt gewesen wäre und eine bessere „rundum Betreuung hätt“, nämlich täglich 6-8 Stunden und nicht wöchentlich 50min. Sehe ich auch ein.
@Kathy
Der Sozialpsychiatrische Dienst wurde mir auch empfohlen und schriftlich festgehalten, damit ich mit meiner Hausärztin gemeinsam einen Antrag dafür stellen kann. Ich bin am Dienstag sowieso bei ihr, wegen der ganzen Untersuchungen (EKG und Blutbild) von denen ich hoffe, dass sie das kommentarlos macht, damit ich beim Psychiater direkt mit der Medikation loslegen kann. Hoffentlich ärgert sich niemand über mich hinterm PC-Bildschirm. Aber ich fühle mich einfach noch nicht an diesem Punkt, wo ich fremde Menschen in meine Wohnung lasse, damit diese mir im Haushalt helfen, oder überhaupt helfen. Das ist das letzte bisschen Autonomie, aus dem ich meinen Selbstwert ziehe. Ich habe mich das neulich auch denken hören:
„wenn ich wirklich irgendwann so weit bin, dass ich ein Pflegefall bin - dann ist es genau der richtige Zeitpunkt um es hier gut sein zu lassen.“
Zu meinem Bürokram: In unseren Kollegenkreisen gibt es leider nur zwei Personen, die wirklich „Angestellte“ haben, die sich um Buchhaltung kümmern. Und das sind die armen Ehemänner, die sich da schlecht rausziehen können. Ich hatte auch gefragt, ob ich mir die „ausleihen“ kann für ein bestimmtes Stundenhonorar pro Woche - aber das war ausgeschlossen. Es haben sich schon sehr viele von uns die Zähne ausgebissen an Anwärtern, die erst mal wahnsinnig viel Geduld, und Energie in der Anlernphase kosten (die Lernkurve ist steil, Gebärdensprachdolmetscher werden anders besteuert als Kleinunternehmer, sind aber durch einen anderen Paragraphen Ist-befreit und haben auch kuriose Abrechnungsmodalitäten, da gibts viele Sonderregeln zu beachten) - nur damit diese sich nach der Probezeit wieder verpieseln. Eine selbstständige Kollegin, die phasenweise Mitarbeiter (zur Entlastung - hahaha) eingestellt hatte, hat das Handtuch geschmissen und es folgendermaßen beschrieben: „als hätte man einen Kindergarten zusätzlich zu seinem Job zu betreuen“.
@Jytski
Ich denke mal, dass ich mit LEXOFFICE und eiserner Disziplin die Buchhaltung in den Griff bekomme - weil ich ja „nur“ mich selbst verwalte… Ich möchte mir zumindest diese Chance einräumen, das würde meinem Selbstbild auch helfen wenn ich das aus eigener Kraft könnte. Wenn jemand mir eine bereits angelernte, und nicht ich-haue-nach-der-probezeit-ab-Person empfehlen würde, wäre ich aber nicht abgeneigt das outzusourcen, weil wie du sagst „man kann ja nicht alles können“ (will ich auch gar nicht :D)
@Tamaracha
Da kommen wir auch schon zu meinem wunden Punkt. Um Hilfe bitten.
Du hast absolut recht, ich empfinde menschen auch als sympathischer, wenn sie nicht vorgeben perfekt zu sein - und ich fühle mich auch geschmeichelt, wenn sie mich um Hilfe bitten. Vielleicht bilde ich mir zu viel drauf ein, aber es ist ne Mischung aus:
- wow, wir scheinen echt eine bessere/stärkere Beziehung zueinander zu haben als ich dachte, wenn du dich so traust auf mich zuzugehen (hätte ich niemals gemacht)
- wow, und du scheinst mich auch als hilfsbereite Person einzuschätzen, sonst würdest du nicht fragen. Auch ein schönes implizites Kompliment, wenn man so darüber nachdenkt.
- oh echt? Das traust du mir zu? Dass ich deine Abschlussarbeit redigiere? Und das gut mache? Krass, ich hätte mich selbst nicht ausgesucht.
Bisher habe ich Hilfe in Situationen erhalten, in denen ich nicht darum aktiv gebeten habe (zB dass ich mal einen schweren Laufstall zu fuß von einer privaten Verkäuferin nach Hause tragen wollte, und mir auf den letzten 1,5km ein netter Scooter-Fahrer angeboten hat, es für mich mitzunehmen und vor meiner Tür abzustellen. Das war schon wirklich außergewöhnlich lieb.
Die Male, wo ich aktiv um Hilfe gebeten habe (undzwar bei Freunden - wo es mir besonders schwer fällt), gab es leider in 99,9% der Fälle eine Art „passive Hilfsverweigerung“. Ein Kumpel von mir, der zB sogar häufiger mal etwas geäußert hat in Richtung „ach ich schulde dir ja noch Geld, weil du mir XY ausgegeben hast/ ich schulde dir noch einen Gefallen, weil du XY für mich gemacht hast“ hat sich stolze 6 Monate darum gedrückt, mit mir die Matratze von meiner Schwester abzuholen, die im gleichen Stadtteil wie ich gewohnt hat. Ich habe ihn mehrfach teils direkt, teils indirekt daran erinnert, dass das langsam dringlich wird - er hat sich nicht gerührt. Irgendwann musste ich dann für 40€ ein Möbeltaxi nehmen, weil meine Schwester dann auch Druck gemacht hat, dass die Matratze sonst vom Sperrmüll abgeholt wird. Es gab von seiner Seite aus davor auch schon so ein Paar Drückeberger-Manöver, daher war die Matzatzenaktion für mich der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat.
Eine andere Freundin von mir, auf dessen Hund ich mehrfach aufgepasst habe während sie nach Corona wieder im Büro arbeiten musste, hatte sich auch zu „ewiger Dankbarkeit“ verschrien, und so lose in den Raum gestellt, sie könne meinen Hund ebenfalls mal nehmen. Als ich dann wegen grässlichen Beinschmerzen an einer Ketaminstudie in München teilgenommen habe für zwei Wochen, galt ihr Angebot seltsamerweise nicht. Ich habe meinen Hund dann für satte 45€ Tagessatz bei meinem problematischen Hundetrainier gelassen, der schon am zweiten tag anfing, mir start alkoholisiert, irgendwelche perversen Sprachnachrichten zu schicken. Ich habe das völlig fassungslos an meine Freundin weitergeleitet, mit der Bitte meinen Hund da rauszuholen. Es hat sich dann nach einer Woche so gesteigert, dass ich meinen Aufenthalt in München unterbrechen musste, um ihn selbst zu holen und meinen Trainer anzuzeigen, nachdem er mir mehrere nachrichten geschrieben hat, in welche Körperöffnungen er mich gerne penetrieren würde, wenn wir uns in Hamburg bei der Abholung wiedersehen. Das war so enttäuschend, dass ich in einer solchen Notsituation keine Hilfe bekommen habe, dass ich das auch nicht verziehen habe. Wir sind heute keine Freunde mehr.
Wenn ich noch mehr solcher Beispiele aufzählen würde, wären hier sicherlich einige gelangweilt.
Es ist nicht einfach nur so, dass ich keine Kontrolle abgeben kann / Hilfe annehmen kann. Es ist viel mehr so, dass das bloße BITTEN darum und die Zurückweisung so demütigend für mich sind, dass ich dann lieber dafür zahle und weiß, dass ich dann nicht nachlaufen und betteln muss. Natürlich ist es dann ein anderes Gefühl. Es ist dann keine Hilfe mehr, sondern eine Dienstleistung. Und niemandem dieser Leute liegt etwas an mir. Aber das ist sowieso etwas, was ich auch bei Freunden inzwischen stark infrage stelle.
@tamaracha, du hast ja gefragt, was so meine Glaubenssätze sind, und ich musste ich bei den probatorischen Sitzungen eine ähnliche Frage in einem Fragebogen beantworten.
„Alle Menschen sind böse/ haben niedere Absichten mit mir.“
Diesen Satz fühle ich zB nicht - und er klingt für mich nach Paranoia und Verfolgungswahn.
Es reicht aber, dass man den Satz minimal modifiziert:
„Niemand ist mehr so richtig „gut“ auf der Welt. Und keiner meint es so WIRKLICH gut mit mir“. Und schon räsoniert es sehr mit mir.
Ich bevorzuge es auch, keine Kommentare zu meiner Person zu bekommen, weil es mich in erster Linie verunsichert.
Sagt jemand etwas gemeines über mich, nehme ich es mir sehr zu herzen.
Sagt jemand etwas „eigentlich nettes“ über mich (zB ‚du hast zugenommen, steht dir!‘) und ich interpretiere es anders - bin ich auch sehr down.
Und wenn jemand etwas WIRKLICH (!) nettes sagt wie „das hast du wirklich gut gemacht/ich mag deine Haare/ich hab mich gefreut dich zu sehen“, schiebe ich auch eine Hirnparty und frage mich, ob ich das vielleicht missverstanden habe, oder ob die Person mich auf den Arm nehmen will. Es ist so oder so irgendwie immer „irritierend“ im ersten Moment - und höchstens im zweiten Moment angenehm - aber selten klappt das.
@Alle
Ich hatte nicht auf dem Schirm, dass man auf Ergotherapie auch Monate wartet. Wünscht mir Glück, dass es nicht so ist. Ich Naivchen dachte nämlich, das sei mit Physiotherapie vergleichbar von den Kapazitäten…
Auch in der Physiotherapie (wenn ich mal eine gedolmetscht habe), habe ich diesen Glaubenssatz an mir bemerkt, wo ich innerlich bei meinen Klienten denke „ja ja, heulst rum mit deinen Schmerzen, machst aber die Übungen daheim nicht. Und jetzt legst du dich auch in einer Selbstverständlichkeit hin, um bitte wieder massiert zu werden. Ist ja so schön bequem. Und billiger mit der gesetzlichen Zuzahlung, als zur Thai Massage zu gehen. Zu geizig für Wellness, aber zu faul für den Sport - und schön alle 3 Monate quartalsweise die Massage von der KK schnorren, die ich mitfinanziere. Liebe ich.“
Daher dann auch wieder meine Erwartung an mich selbst, dass ich etwas „draus machen“ muss, wenn sich schon jemand mit mir auseinandersetzt.
Aber ich mache mir wieder zu viele Gedanken um ungelegte Eier. Erstmal, wie @Kathy sagt - überhaupt einen Termin ergattern. Wenn das eh erst in 1-2 Monaten ist, bin ich bisdahin bestenfalls schon auf Medikamenten und kann gucken, welche Probleme trotz Stimulanzien noch übrig geblieben sind. Eventuell lösen sich die lästigen Haushaltssachen in Wohlgefallen auf und ich habe dann eher das Spannungsabbau/Impulskontroll-Thema und da wäre dann ein anderer Ansatz vielleicht klüger… oder wenn ich direkt im Laufe der Woche irgendwo unterkomme, dann erkläre ich dort, dass ich gerade „Schadensbegrenzung“ für meine Psyche betreiben will und sehr ergebnisoffen bin - vielleicht freuen die sich dort auch, wenn man ihnen mehr therapeutische Freiheit lässt…