Für mich ist es fast unerträglich wenn ich ein Paket erwarte. Jederzeit könnte es klingeln während eines grösseren Zeitfensters.
Bei jedem Autogeräusch, Türknallen springe ich hoch. Ich überprüfe mehrmals den Briefkasten, schaue aus allen Fenster, ob ich von weitem ein Postauto sehe und aktualisiere ständig die Paketnachverfolgung auf dem PC und Handy. Selbst wenn ich etwas langweiliges erwarte wie Druckerpatronen.
Aber diese Ungeduld die mit Langweile gefüllt ist und dann wenn es klingelt muss man ja auch noch zur Türe gehen…ausser ich bin sehr beschäftigt und am Hyperfokussieren, dann ist das natürlich vergessen.
Ein Zeitgefühl habe ich wohl nur in der Minute „kurz vor Knapp“ Hab es noch so eben zu Post geschafft als die Jalousien hinter mir runtergingen.
Das Päckchen natürlich auch erst kurz vor knapp gepackt
Vielleicht sollte ich immer in der „letzen Minute kurz vor knapp“ denken und handeln, dann müsste alles ratz fatz fertig werden ohne dass ich mir einen Plan machen müsste .
aber ich frage mich wirklich so manches mal warum ich auf die Sekunde genau was schaffen kann, denn wie oft schon bin ich in letzter Sekunde noch in den Zug gesprungen .
Ich habe das leider eher umgekehrt zum Themeneröffner, also im Sinne davon, dass ich alles zeitlich unterschätze und auch keine Ahnung davon habe wie lange (meist viel länger als gedacht) ich für Dinge brauche.
Habe da sogar eine Woche lang bei allem die Stoppuhr laufen lassen, um mir auf die Spur zu kommen.
Gefühlt brauche ich 15 Minuten, um mich fertig zu machen um rauszugehen, real brauche ich 45 Minuten.
Gefühlt brauche ich 2 Minuten, um das Bett zu machen, real eher 5-10 Minuten (je nachdem wie viel Krempel drauf liegt.
Ist für mich ein echt langer Lernprozess und das relativ spät im Leben.
Ich finde super, wie methodisch Du da vorgehst. So über sich Buch zu führen, ist eine Riesenüberwindung, aber zeigt Dir bestimmt viel.
Nur dieser Nachklapp „und das relativ spät im Leben“ kann nach meiner Erfahrung schnell so nerven wie ein fieser, klugscheißernder Weggefährte. Ich würde den nicht weiter mitnehmen. Der soll sich irgendeiner Nörgler-Reisegruppe anschließen.
Wenn es blöd läuft, weckt der sonst noch so diffuse Loyalitätsgefühle: „Wenn ich das jetzt (noch) lerne und es irgendwann vielleicht gar nicht mehr so schwer ist, falle ich damit nicht meinem bisherigen Ich in den Rücken? Zeigt das dann nicht, dass es gar nicht so schwer war und ich es nur falsch angegangen bin?“.
Was mir dabei inzwischen (manchmal ein bisschen) hilft: Vor 2 Jahren habe ich etwas gelernt, an dem ich mir 20 Jahre die Zähne ausgebissen habe. Wenn ich es heute mache, bin ich mir schwerpunktmäßig dankbar. Und die 20 Jahre Scheitern werfe ich mir nicht mehr vor. Die machen die Freude über das Gelingen im Gegenteil nur größer, bis heute. Auch wenn es mein ganz individueller Erfolg ist und andere dafür nicht 20 Jahre brauchten. Das kann ich ja nicht ändern. Und die freuen sich dafür auch nicht jedesmal so über eine scheinbare Alltagsfähigkeit.
Ich setze daher darauf, dass das bei den anderen individuellen Nüssen, die ich noch zu knacken habe, auch so sein wird.
Wenn Du mit 75 oder so zurückschaust: Hättest Du es dann nicht lieber mit Mitte 40 gelernt? Falls es dann überhaupt noch ein Thema ist: Wärst Du dann nicht superstolz auf Dich, dass Du nicht aufgegeben hast? In der Rückschau wird es gut sein.
Ein bisschen ist es doch, wie beim Baumfällen oder vielleicht auch Steinekloppen: Man kann eigentlich nie sehen, wie weit die bisherigen Anläufe schon geführt haben. Der nächste Schlag kann schon der entscheidende sein.
Zeitgefühl habe ich so gut wie garnicht, deshalb steht oder hängt auch in jedem Zimmer eine Uhr oder trage ich nach wie vor eine Armbanduhr. Trotzdem fällt es mir schwer eine konkrete Zeitangabe zu machen, heisst wenn mich jemand fragt wie lange ich von A nach B brauchen werde fällt meine Antwort darauf total unverhältnismässig aus, so das derdie Fragesteller in in den meisten Fällen sagt „was?, sooo lange, also ich brauche dafür eine halbe Stunde!“, oder „was?, so schnell, das ist völlig unmöglich, dafür brauchst Du Minimum 1 Stunde!“.
Aus diesem Grund habe ich es mir angewöhnt lieber eine halbe Stunde zu früh zu sein, als eine halbe Stunde zu spät, da ich in der Schulzeit fast täglich zu spät kam, auch in der Lehrzeit kam ich regelmässig zu spät, was natürlich unangenehme Folgen mit sich brachte. Diese Erfahrungen haben sich natürlich regelrecht ins Gedächtnis"eingebrannt", denn wer will schon der*die „faule Schlafmütze“ für den Rest seines Lebens sein?, und in der Jugend wird einem das mit viel Glück vielleicht noch verziehen, später nicht mehr, da ist sowas ein Kündigungsgrund.
Also trainiert man sich ein fast schon zwanghaftes „Kontrollverhalten“ an, dazu gehört bei mir das zu früh sein, das nachkontrollieren ob die Türe verschlossen ist, das ziehen von Elektrokabeln um sicher zu sein das das Gerät auch „wirklich“ abgestellt ist, die Schalter der Kochplatten oder des Backofens 2 bis 3 mal zu kontrollieren, oder jemand anderen aus dem gemeinsamen Haushalt darum zu bitten.
Auch bin ich ein Ordnungsfanatiker, alles muss seinen Platz haben, ansonsten bekomme ich fast schon eine Panikattacke, besonders schlimm weil meine grösste Schwierigkeit darin besteht mein „Büro“ zu organisieren, das ist meine grösste und für mich schwierigste „Baustelle“ zuhause. Und dann natürlich aufgrund meines mangelnden Zeitgefühls, die Organisation oder besser gesagt das Zeitmanagement des „Alltags“ , einer Arbeitswoche und so weiter, der Tag wird zur Nacht und umgekehrt, oder Stunden am Handy oder vor dem Fernseher verbringen um dann feststellen zu müssen das ja schon wieder Nachmittag oder Abend ist, und ich nichts geschafft habe, sinnlos meine Zeit verplempert habe.
Oder mein blödes Aufschiebeverhalten, jedesmal zu denken „Ach komm, ich mach’s morgen“ und dann „Oh Mann, es ist ja schon wieder Freitag!, und ich habe das immer noch nicht gemacht?!“, darauf hin übelst schlechtes Gewissen, darauf hin die grosse Krise, totale Depressionen, die ewige Abwärtsspirale, es gibt kein Entkommen. Naja so in etwa läuft das bei mir seit ich denken kann, und dann brauche ich immer jemanden der mir den Sprichwörtlichen Tritt in den A**** gibt damit ich wieder in die Spur komme und überhaupt noch was mache.
Wenn mir aber jemand sagt „komm jetzt mach mal!“ dann bin ich schnell gereizt und gekränkt, weil mir die Person ja dann immer mein eigenes Versagen vor Augen führt. Auch wenn ich weiss, das die Person das nicht macht, sondern es mit mir gut meint, kann ich es nicht verhindern, das ich sehr gereizt reagiere, obwohl ich dankbar bin, und die Person die mir den Tritt in den A**** gibt „versteht“ dann nicht, das meine Aggression sich in Wahrheit ja gegen mich selbst richtet, weil ICH „wiedermal“ versagt habe.
Und so entstehen dann diese Missverständnisse die das Zusammenleben so schwierig machen. Und in meinem Alter, die Diagnose erst mit 50 bekommen, die Medis auch, da hat sich im Verhalten schon so viel festgesetzt, das ist sozusagen „Schwerstarbeit“ sich da noch aus dem „Korsett des Lebens“ , das man sich sowohl selbst angeeignet hat, als auch eine logische Konsequenz ist auf das Gefühl des „nicht verstanden“ werdens, immer „anzuecken“ , entstanden ist.
Ja das kommt mir bekannt vor besonders das mit dem Betten beziehen.
Gefühlt dauert es bestimmt 30 min.
Und ich weiss auch nie wann ich sie das letzte Mal bezogen habe :oops:
Schlimm finde ich aber auch den Kühlschrank auszuwischen das dauert gefühlt 1 Stunde .
Oder einen Schrank aufzuräumen.
Seit ich aber diese Achtsamkeitsübungen mache habe ich das Gefühl das ich schneller werde
Liebe @AbrissBirne
kannst du wenn du etwas schreibst wohl mit deiner AbrissBirne ein paar Abrisse …äh Abschnitte :mrgreen:
in deinen Text hauen bzw. bauen.
Dann lesen sich deine interessanten Texte einfach viel besser . :winken
Total spannender Beitrag, @AbrissBirne. Ich glaube, ich habe viel daraus gelernt.
Hier genauso. Große Uhr im Raum hilft schon. Ich habe gerade auch wieder einen tagsüber stündlich piepsenden Alarm. Mit der Uhr passierte es mir zu oft, dass es halb 4 und dann plötzlich 20 nach 8 war. Auch gut, um dann was zu trinken zB.
Ich denke auch immer mal wieder darüber nach, ob sich mal so ein „x dauert y Minuten“-Mini-Datenbank lohnt. Das unterliegt sicher total vielen Einschränkungen, aber beispielsweise „Eine Waschmaschine hängt man in x Minuten auf…“ / „Einmal abspülen…“: Dazu könnten wir ja vielleicht Durchschnittswerte ermitteln. Vielleicht versuchsweise ja sogar mal hier im Thread, wenn Ihr denkt, das könnte Euch auch helfen.
Daran wird mir gerade wieder klar: Wenn mich zB ein Lehrer konstruktiv kritisiert hat, an dessen Wertschätzung mir was lag, kam das oft bei mir an. In anderen Fällen hat es Trotz geweckt und [ich habe dann mit meiner Reaktion] die Dinge eher weiter in die Grütze geritten.
Wenn man z.B. die Kritiker in so einer Situation total unsympathisch findet oder aber auch wenn man zB durch andere Umstände ein bisschen in der Lage ist, sich dem nicht anzupassen (zB solche „Vertrotteltes Genie“-Rollen mit zeitweise Narrenfreiheit) oder auch nur, dass man eine Weile durch selbst geschaffene Rücklagen „unabhängig“ ist, dann schleift sich sowas evtl. noch ungünstiger fest, und der selbst angehäufte Treibsand, aus dem man sich letzten Endes schaufeln muss, ist viel tiefer.
Schön, dass dieser Thread wieder hochgeholt wurde: Ich habe auch gerade meinen eigenen Beitrag unten gelesen und - da ich prokrastinationsfolgenbedingt gerade sehr mal wieder ungnädig mit mir bin - fühlte ich mich von meinem Vergangenheits-Ich getröstet: Vielleicht lernen wir xy doch noch und mit 75 ist es dann aus der Ferne wieder alles ok-er. Ist vielleicht einfach ein verkehrter Glaubenssatz, dass man in der Zukunft immer schlauer ist als heute. Manchmal wusste man vielleicht vorgestern mehr als gerade…
Auch sehr spannend, dass die Beigaben zum ADxS-„Geschenk“ über Wohl und Wehe entscheiden.
Wer gemäßigt zwanghaft ist, kompensiert so vielleicht super. Und ob das ebenfalls wieder überhandnimmt und sich verselbständigt, hängt dann ebenfalls von dem Spektrum der Beigaben da ab.
Wer gemäßig begabt ist, ebenso… Alles eine Frage des Spektrums.
Oh, ja. ich teste gerade (mal wieder… allerdings) aus, womit man schneller aus der Abwärtsspirale auftaucht: mit einem gemäßigt im Krisenmodus bleiben, sich gerade so mies fühlen und sich noch so über sich selbst ärgern, dass es nicht mehr paralysiert und dann kleine Schritte wieder den Berg hoch - oder das Alternativmodell: Selbstakzeptanz und -vergebung und ohne den Rucksack neu starten.
Ja… Und ich finde, daraus kann man auch mitnehmen, wie man möglichst nicht kritisieren sollte, weil man aus eigener Erfahrung weiß, dass es so auf keinen Fall angenommen werden kann. Das gilt m.E. für Selbstkritik und für die anderer.
Und anderseits will man ja jeweils trotzdem den Ernst der Lage rüberbringen und nicht durch Weichspüler verwässern.
Ich kann mich gerade eigentlich nur an einen einzigen Prof. erinnern, der mit hochgezogenen Augenbrauen vermitteln konnte „Das war jetzt aber gerade totaler Mist. Und es kann sogar sein, dass Sie Ihr Arbeitsverhalten grundlegend ändern müssen, damit das nicht nochmal passiert. Aber ich weiß, dass Sie das können. Und deshalb sollten Sie es auch tun.“
Jedenfalls habe ich genau das in dieses Hochziehen reingelesen. In Augenrollen von anderen Personen hingegen habe ich auch schon ganz anderes reingelesen… Vielleicht war da in beiden Fällen nichts, nur meine Interpretation.
Ja. Schwerstarbeit. Aber es gibt eben auch Flecken, da wird man verstanden. Oder Phasen, in denen man sich selbst besser versteht. Und setzt vielleicht nach und nach seine Rücksäcke mal ab. Und kann ein paar Schritte gehen Richtung anderer Perspektive. Die z.B., dass es sich immer wieder und immer noch lohnt, die Herausforderungen anzunehmen. Was ist auch die Alternative?
Was ich mich schon lange frage bekommt hier neue Nahrung.
Auch bei NIchtbetroffenen ist das Zeitgefühl nicht mit der realen Zeit deckungsgleich. Angenehme Dinge gehen schneller, unangenehme ziehen sich.
Bei AD(H)S-Betroffenen scheint diese Inkongruenz nur stärker ausgeprägt.
Ich frage mich schon lange, ob die Wahrnehmung, soooo viiiieles nicht geschafft zu haben, nicht auch ein Stück weit von der Realität entkoppelt ist.
Ja, richtig, AD(H)S führt zu Prokrastination und zum Verschleppen uninteressanter (unangenehmer oder langweiliger) Aufgaben.
Aber ist das Maß der Wahrnehmung, wie viel verschleppt und nicht geschafft wurde, wirklich realistisch ?
Schafft ein AD(H)Sler wirklich genau so viel mehr nicht als Nichtbetroffene, wie ein AD(H)Sler mehr das Gefühl hat, nicht (genug) geschafft zu haben?
Ich habe den Verdacht, dass die AD(H)S-typische erhöhte Prokrastination uninteressanter Dinge das eine ist, dass aber außerdem auch noch eine erhöhte bzw. überhöhte Wahrnehmung der eigenen Prokrastination hinzutritt.
Dabei würde ich gerne unterscheiden:´
Es mag manche Betroffene geben, die so viel und so heftig prokrastinieren, dass diese Diskussion nicht zu führen ist - ab einem bestimmten Maß sind die Folgen so arg, dass eine Relativierung nicht mehr nachvollziehbar scheint. Auch wenn ich auch hier glaube, dass das subjektive Empfinden noch stärker ist als die Realität, aber wenn einem das Leben um die Ohren fliegt, ist die Diskussion müßig. Diese Kandidaten würde ich daher gerne mal außen vor lassen.
Ich kenne aber nun auch viele AD(H)S-Betroffene, die von außen betrachtet ihr Leben sehr wohl und sehr gut auf die Reihe kriegen. Bei denen ich mich frage: wow, wie schaffen die das alles ? Das sind Menschen, die mehr leisten als Ottonormalnichtbetroffener. Ja, mit Chaos, ja, mit Auseinandersetzungen mit Dritten, ja, mit Leid. Aber ganz objektiv schaffen diese Menschen eine ganze Menge. Und trotzdem haben sie das deutliche Gefühl der Schuld, nicht genug auf die Reihe bekommen zu haben, nicht genug geschafft zu haben, dies und das und jenes diese Woche doch wieder nicht hinbekommen zu haben.
Und da frage ich mich: wie ist das denn bei Nichtbetroffenen ?
Ist bei denen Freitags wirklich alle geregelt ? haben die jede Woche jede Rechnung bezahlt, jeden Einkauf gemacht, jede Wäsche gewaschen, alle Fenster geputzt ?
Und die Antwort ist (für mich - Eure Meinung interessiert mich sehr): definitiv nicht.
Aber sie haben, nach meinem Empfinden, nicht diese Schmerzwahrnehmung dabei, nicht diesen Leidensdruck.
Und ich frage mich eben, ob das so was ähnliches sein könnte wie die bei AD(H)S definitiv stärkere Zeitwahrnehmungsverzerrung.
Fühle mich zwar dem Team „außen vor“ zugehörig, aber möglicherweise erwächst das eine auch aus dem anderen: So ähnlich wie bei Fremdvorwürfen zB anfänglich grundlose Eifersucht gern irgendwann mal einen Grund bekommt, denn die Vorwürfe sind ja ohnehin da. Dann ändert der Grund auch nichts mehr am Elend.
Möglicherweise macht man sich durch die - anfangs grundlosen - Selbstvorwürfe irgendwann so kaputt, dass sie dann eine Grundlage bekommen. Wenn man also eigentlich selbstwirksam ist, aber sich die entsprechende Erfahrung dauerhaft abklemmt, geht zwar vielleicht erst nur subjektiv nichts mehr, aber die Realität zieht dann irgendwann nach.
Und/oder die Zeitblindheit führt zur Aufladung von so viel Arbeit, dass sie auch für Nicht-Prokrastinateure nicht schaffbar wäre. Und die daraus resultierenden Vorwürfe von innen und außen gepaart mit Rejection Sensitivity werfen das Teufelskreis-Riesenrad an.
Nur: Ich glaube, Betroffene sind da viel zu verstrickt, um das eine vom anderen zu unterscheiden und Dir bei der Prüfung der These weiterhelfen zu können. „Außen vor“ fühlen sich nämlich beide Gruppen, die subjektiv und die - endlich - auch objektiv Außen-vor-Seienden.
Strukturell vergleichbar (m.E.) habe ich auch manchmal den Verdacht, dass sich wahre Perfektionisten (nachfolgend: WP) nie selbst als solche bezeichnen würden. Deren Perfektionsbegriff ist eigentlich wohl so hoch, dass WPs wissen, Perfektion in diesem Sinne ist nie erreichbar. Und die WPs halten sich schon für zu unwürdig, ihr eigenes schluffiges Streben damit ansatzweise in Verbindung zu bringen und das Konzept der Perfektion damit zu verwässern. Und solche WPs nehmen Amateurperfektionisten kaum ernst, die sich selbst als Perfektionisten identifizieren und sich „selbst für ihre härtesten Kritiker“ halten. Denn härtere Kritiker als die WPs sind diese Amateure sicher nicht. Die Parallelität des Problems: Debatten über Perfektionismus würde man dann auch nicht mit Leuten führen können, die eigentlich an der Quelle sitzen. Die wären in ihren eigenen Film nämlich auch zu verstrickt. (Diese These ist natürlich noch nicht perfekt ausgereift.)
genial und auf den Punkt :totlach
aber wie löst Du das auf: „Perfektion in diesem Sinne ist nie erreichbar“ - aber WPs erwarten genau diesen von sich?
Indem sie Perfektionismus anstreben, gehen sie ja davon aus, dass sie generell das Potential haben, diesen zu erreichen.
Sonst würden sie ihn ja nicht anzustreben - es sei denn, sie hätten einen ausgeprägten Hang zum Masochismus.
Ist es nicht so, dass man dieses Potential das eine oder andere Mal an sich gespürt haben, also die hohe Latte schon mal übersprungen haben - also an dem Punkt vielleicht eher einen leicht narzisstischen Zug haben oder tatsächlich sehr begabt sind - oder beides?
Oder ist es ein Reflex an Anforderungen von außen - entweder aus Böswilligkeit, oder weil andere ihnen dieses Potential zusprechen? Und wenn ja, warum?
oder alles zusammen?
Ich bin da eher für die Narzissmus-Erklärung (wie immer: „Auslenkung“, nicht Pathologie).
Und da kommt die Erziehung ins Spiel: ZB Wenn die Elten sich selbst für genial halten und damit die Frucht ihrer Lenden auch genial sein muss… .
Heißt: Als Kind dieser überaus außergewöhnlichen (!! - Selbst- und Fremdbild indeed) Menschen MUSS WP genial sein.
Da trifft dann das eine aufs andere: WP stellt fest, ich könnte genial sein (Über-Ich, Innerer Kritiker, zweistimmig) ich kann dem nicht entsprechen (ADHS-Erfahrung - Minderwertigkeitskomplex + Erfahrung) - aber das elterliche (und damit leicht narzisstische) Über-Ich, integriert als innerer Kritiker, grätscht pausenlos dazwischen.
Meine Psych erklärte mir, dass Prokrastination auch daher käme, wenn bestimmte innere Anteile sich gegenseitig neutralisieren und lahmlegen.
Widerspruch zu Sartre: Für die Hölle brauchen wir keine Anderen!
Nach der WP-Hypothese streben sie zwar nach etwas, aber das ist für sie eher so ein Minimalstandard, der bei genauerer Betrachtung sicher immer noch genug Fussel hätte… „Perfektionisten, das sind immer andere“. Als WP will man ja nur eine (fixe) Idee im Kopf umsetzen, aber das kann ja wirklich nicht zu viel verlangt sein. „Perfekt“ wäre das ohnehin noch lange nicht. Allenfalls fiele ein bisschen Resonanz oder Kongruenz mit der eigenen Vorstellung als kurzzeitiger Gefühlsbeifang ab.
Eigentlich hängt die Latte so hoch, dass man aufrecht drunter durchgehen kann. Da bin ich ganz Deiner Meinung: Die haben da schon die gleichermaßen ausgelenkten Ahnen hingehängt. Hochsprung haben die daran selbst zwar auch nie ausgeführt, aber von den Nachkommen, die es immer besser hatten, kann man das ja wohl erwarten.
Der WP-Perfektionist erkennt sich selbst nicht als solcher. In dem Punkt ist er vielleicht das andere Extrem zum überidentifizierten Prokrastinateur. Extreme berühren sich ja gern mal am Horizont. Aber was verstehe ich davon. Vielleicht waren das nur so unperfekte Gedanken in einer prokrastinierten Nacht, off-topic in jedem Fall. Zeit, zum Zeitgefühl zurückzukommen.
Bei mir ist es im Bezug was ich zum Tag/Woche geschafft habe definitiv eine falsche Wahrnhehmung. Das macht sich bei mir endlich spürbar deutlich seit dem ich den Tagesplaner im Rückblick schreibe.
Die falsche Wahrnehmung hängt natürlich damit zusammen, dass ich Aufgabendauer und Zeit nicht erfassen kann. Steht da .z.B. nur Wäsche und Putzen sind das für mich einfach zwei ToDos von 5 Minuten. Erst seit dem ich diese Dinge dann kleinschrittig aufschreibe erfasse ich besser die zeitliche Dimension.
Z.B: statt Putzen dann jeden Raum kleinschrittig auflisten
Dementsprechend wird mein Tagesplaner voller und es fühlt sich dann auch wirklich nach mehr bzw. dem Zeitaufwand an.
bei mir ist z.B ein geputzter Raum = ToDo erledigt . dazu gehörte nie auch die Putzsachen wegzuräumen. Die bleiben an Ort und Stelle mit „puh endlich fertig“ im Weg stehen und nervten mich und ich war überfordert die noch eben wegzuräumen. seit dem es bei mir als ToDo noch dazugehört , ist es besser geworden.
Wenn ein ADHSler und ein Nicht-ADHSler nach außen hin gleich viel schaffen , hat der ADHSler meist mehr Energie verbraten und zugleich noch all die anderen ToDos und das was er nicht geschafft hat im Kopf. Dazu kommen dann in der Regel noch alte Glaubenssätze dazu die auf einem rumhacken nicht genug getan zu haben.
Ich erlebe viele „Nicht-ADHSler“ die halt eben einfach ihr Tages-und Wochengeschäfft ableisten und dann auch damit zufrieden sind. Die natürlich auch eine ToDoliste vor sich her schieben aber mit einem realistischen Blick für eines nach dem anderen und der Reihe nach.
Es sind ja auch viel die Projekte und Ideen und all dieses „man müsste mal“, „man könnte ja mal“, die einem im Kopf rumschwirren und uns unerledigtes vorgaukeln.
Wenn ein Koch kocht, dann kocht er mit Struktur und Abläufen und hinter ist die Küche wieder sauber, denn es gehört zum Ablauf dazu.
Wenn ich koche entsteht Chaos , diese überfordert mich in den Abläufen und ich Ärger mich selbst weil ich es mir komplizierte mache.
Dann klecker ich noch,
dann schmiere ich herum ,
dann habe ich noch eine neue Ideen
Dann schaue ich noch eben was zum Rezept online nach und vergoogle mich.
Das eine steht hier , das andere steht dort
Die Arbeitsfläche mit allem voll
Und das aufräumen hinterher oder ein zwei Tage später gefühlt ein Riesenaufwand.
Ich hatte zum Geburtstag den Kollegen Häppchen und kleine Spießer ausgegeben.
Alle haben sich total gefreut, dass es mal was anderes wie Süßigkeiten gab.
Ganz viel waren voll dankbar dass ich so viel Zeit investiert hatte und dachten ich sei zwei Stunden eher aufgestanden.
ich hatte es zwar Abends vorher gemacht , aber war davon ausgegangen das es so ½ h dauert . Die Kollegen hatten irgendwie sofort den Aufwand im Blick.
Ich nicht , dementsprechend wurde es nach Mitternacht und alles was ich an dem Abned noch machen wollte blieb liegen.
Ich glaube viele wären dann mit dem richtig eingeschätzten Zeitaufwand um z.B. 20:00 Uhr angefangen . Hätten dann von 22:00-23:00 den Rest erledigt und dann rechtzeitig ins Bett.
Ich habe von 20:00-23:00 noch dieses jenes und welches gemacht , weil ich ja nur von 1/2h ausging und dann war es nach 1:00 Uhr als ich im Bett lag.
Angenommen ich würde 5 Tage lange jeden Abend genau so machen und immer nur von ½h ausgehen und es dauert eben 2h. Macht auf 5 Tage 7 1/2 Stunden wo ich all das andere was noch ansteht nicht erledigen konnte inc. 5 Tage bis 23:00 prokrastiniert dann nach 2h zu spät ins Bett und man fühlt sich sich zu doof für Planung und mal eben ein paar Häppchen machen. Küche spiegelt einem jeden Morgen auch noch das Chaos
Ein andere plant einfach diese 2 Stunden tägliche ein wo es für ihn nichts anders zu erledigen gibt , fängt pünktlich an, macht die Küche fertig und kommt pünktlich ins Bett und wird morgens von sauberer Küche begrüßt.
Und glaubt mir, ich war gar weil es schon so spät war in Versuchung gekommen einfach morgens ½ ehr aufzustehen und es dann zu machen. Ich hätte im Bett gelegen und mit mir gemeckert warum ich es nicht eben mit 1/2h abends erledigt habe und über das Chaos dann morgens wollen wir lieber nicht nachdenken. :lol:
Ich glaube der Unterschied zwischen ADHSler und nicht ADHSler ist dieser ungesunde Coctail von
-Kein Zeitgefühl
-Prokrastinieren und wirklich Zeit verlieren
-Eine höhere Anhäufung von aufgeschobenen
-Zeitaufwand von erledigtem nicht erfassen können
-Im Tagesrückblick getanes nicht erfassen können
-Banale Tätigkeiten die man ohne Gefühl von Folter nicht ableisten kann
-Nicht Priorisieren zu können und man immer wieder überwältigt ist von dem was ansteht und man sich mit Prokrastination schützen will , was wiederum den Teufelskreislauf von aufgeschobenem und sich wieder schützen wollen erhöht .
-Der Ideeninput der eine überhäuft und jede Idee wie ein ToDo wirken lässt.
-Die hohe Auffassungsgabe die einem erfassen lässt wie man was noch optimaler und Idealer machen könnte, was einem wieder als etwas nicht schaffen können erscheint.
-Der Kritiker am Werk der einen nie zufrieden sein lässt oder einen manchmal gleich ganz lähmt und unerledigtes wieder anhäufen lässt um dann noch mehr kritisieren lässt.
Gehe ich meiner Kreativität nach bleiben vieles liegen. mache ich den andern Kram bleibt das Kreative in all meinen Intersessen liegen. Komme ich da nicht weiter habe ich wieder „unerledigtes“ vor Augen.
Aber wie schon an anderer Stelle geschrieben , selbst wenn ich jemanden für Haushalt und Papierkram hätte, dann gäbe es glaube ich Raum für neue Ideen und neuen unerledigten Dingen die mich quälen würden.
Und irgendwie bekommen die nicht ADHSler aus meiner Sicht Haushalt und co ungequälter einfach hin und auch den Lohnsteuerjahresausgleich jedes Jahr wenn auch kurz vor knapp und genervt wenigstens erledigt.
Nun ja und welche Nicht-ADHSler liegt noch im Bett und hat eben weil er ADHS hat ein Forum in dem er grade seine Zeit verliert und sich damit prokrastiniert.
Das ist der Punkt.
Ich habe da immer das Bild von Magersucht vor dem inneren Auge - da wird für jeden erkennbar, dass die Wahrnehmung der Betroffenen nicht stimmt.
Ob man in diesem Zusammenhang wirklich von Perfektionismus im üblichen Sinn sprechen kann halte ich persönlich ehr für unwahrscheinlich. Zum Beispiel sehe ich mich selbst als alles andere an, als eine Perfektionistin, sondern eben als eine Chaotin. Mein Wunsch nach Ordnung entspricht lediglich dem Sinn und Zweck nicht im Chaos zu ertrinken, und in meinem Fall erstreckt sich diese Ordnung die ich „brauche“ auch nur auf mich selbst, meine verzweifelten Versuche mich selbst zu strukturieren. Wie andere „ihr“ Leben organisieren ist mir bis zu einem gewissen Grad sogar fast egal, ich habe schliesslich genug damit zu tun mich um meine eigenen Probleme zu kümmern. Ausserdem wiederstebt es mir tief in meinem inneren, über andere zu urteilen, oder von anderen etwas zu „erwarten“ was ich selbst kaum erfüllen kann. Aber der Narzisstin z.B. erwartet ja praktisch von seinem Partnerin oder Kindern, das diese Personen ihm ein Spiegelbild seines perfekten Selbst spiegeln sollen, denn derdie Narzisstin hält sich ja selbst für fast schon Gott gleich. Was aber im Falle von Adhs Betroffenen glaube ich nicht der Fall ist, sondern es ja nur darum geht Ordnung in das eigene Chaos zu bringen, also zumindest für mich selbst gesprochen sehe ich da überhaupt keinen Zusammenhang zu Narzissmis. Auch sehe ich in meinem Fall kein verlangen danach, oder gar eine Befriedigung darin, mich selbst zu bemitleiden und diesen „Schmerz“ zu „geniessen“, in meinem Fall totaler Blödsinn. Ich glaube das ja genau das das Problem ist das hier wieder falsch verstanden wird, oder schnell von aussen etwas in die Dinge rein projeziert wird was garnicht so ist. Der eigentliche Grund liegt ja wahrscheinlich im neurologischen Bereich und eigentlich garnicht im psychischen. Wie auch immer, ich muss mich jetzt mal wieder darauf konzentrieren Ordnung in mein Chaos zu bringen .
Ich habe mal aus einer Serie einen Dialog mitgenommen, den ich mir in schwierigen Zeiten vorsorglich immer als Visualisierungsstütze auf ein Post-It schreibe.
[i]„Was ist der größte Fehler, den man in einer Krise machen kann?“
„Nicht zu wissen, dass man in einer Krise ist.“[/i]
Die Störungsbildeinsicht hilft aus meiner Sicht genau an der Stelle weiter. Man kriegt vielleicht irgendwann einen Tick früher mit „Meine Reaktion hier gerade könnte auch Rejection Sensitvity sein, lieber nochmal überlegen.“ oder „Warum triggert mich das hier gerade so?“ Und dann hat man immerhin schon mal einen Zeh zwischen Reiz und Reaktion. Ist ein Anfang.
Manchmal hilft das auch nicht, klar. Man erlebt sich zB aufschiebend und findet den Einstieg nicht, aber kriegt die Kurve trotzdem nicht, trotz aller Checklisten und Rezepte und Tools, die wir hier schon zusammengetragen haben.
Kann natürlich auch ins andere Extrem einer Überidentifikation und zu viel Selbst-Hinterfragen abgleiten. Auch das hatten wir ja schon. Manchmal ist es vielleicht keine RS und das Gegenüber ist wirklich blöd. Da helfen dann 10 Extra-Schleifen Selbstzweifel im Ergebnis nicht, vielleicht eher im Gegenteil.
Ich habe trotzdem inzwischen den größten Respekt vor „blinden Flecken“ im Sinne von Problemen, in denen ich drinstecke wie in einem 37 Grad warmen Planschbecken. Und das wird wohl insb. bei Themen ein Risiko sein, die sich auf einem Spektrum von „leicht überschießender Auslenkung“ bis zu „ernsthaft problematisch“ abspielen.
Gerade, wenn man sich ADS-bedingt einen Ruf als hochsensibel oder Mimose oder beleidigte Teewurst erarbeitet hat, trägt das vielleicht auch dazu bei, dass ein wohlwollendes Umfeld so etwas gar nicht mehr an einen heranträgt.
Damit hängt, glaube ich, zusammen, dass ich selbst bei großen Aufgaben immer noch das Gefühl habe, das könne oder müsse sogar „in einer Sitzung“ oder aus einem Guss erledigt werden.
Und weil die Größe der Aufgabe in einem Rutsch erschlägt, ist es einerseits kein Wunder, aufzuschieben… Andererseits kommt das Panikmonster dann - wenn überhaupt - eben viel zu spät vorbei, solange noch „eine Sitzung“ zwischen jetzt=immer und die Deadline passt. An seiner Stelle wäre ich auch verwirrt, wann wir verabredet sind.
Die Medikation trägt in dem Bereich allenfalls dazu bei, einen Mini-Schritt zurücktreten zu können und das Problem zu sehen. Automatisch abgestellt worden ist da leider nichts. Evtl. sind eben die schlechten Gewohnheiten noch nicht beseitigt und durch bessere ersetzt… Die Hoffnung kann ich jetzt und hier aber nicht begraben, denn jetzt wäre ja für immer…