Extremes Prokrastinieren und Blockade, Angst um Job

Hallo liebes Forum,

ich bin gerade ziemlich ratlos, wie ich aus meiner aktuellen Situation herauskommen soll, und wollte einfach mal meine Geschichte mit euch teilen. Vielleicht hilft das Niederschreiben ja schon ein bisschen, und vielleicht habt ihr ja ähnliche Erfahrungen gemacht und könnt mir ein paar Tipps geben.

Ich bin seit etwa einem Jahr mit ADHS diagnostiziert und nehme unter der Woche 2x 20mg Medikinet. Ich bin selbstständig und eigentlich mag ich meinen Job sehr, weil er mir flexibles Arbeiten und theoretisch eine gute Work-Life-Balance ermöglicht. Eine meiner Hauptaufgaben ist das Schreiben von Berichten – etwas, das ich grundsätzlich gut kann, was mich aber immer wieder vor große Herausforderungen stellt.

Mein Hauptproblem ist massives Prokrastinieren. Ich schiebe die Arbeit so lange vor mir her, dass ich die Berichte am Ende in kürzester Zeit fertigstellen muss. Früher habe ich das noch irgendwie hinbekommen: Ich habe mich in intensiven Arbeitsphasen regelrecht hineingezwungen, die Berichte fertigzustellen. Die Qualität war zwar oft „quick & dirty“ und ich war selten zufrieden damit, aber es hat irgendwie funktioniert.

Mit der Zeit habe ich Deadlines immer weiter nach hinten geschoben, bis ich wirklich im allerletzten Moment etwas Abgabefähiges liefern konnte. Inzwischen ist es aber so, dass der Druck und der Berg an unerledigter Arbeit so groß sind, dass ich überhaupt nicht mehr in diese produktiven Phasen komme. Stattdessen prokrastiniere ich weiter und erfinde immer neue Ausreden, um Deadlines noch weiter zu verschieben, ohne wirklich Fortschritte zu machen. Der Druck wächst dadurch immer weiter, und die Angst vor den negativen Konsequenzen lähmt mich zunehmend.

Ich schätze mich eigentlich glücklich, so einen privilegierten Job zu haben, aber mittlerweile habe ich große Angst, mir durch mein Verhalten alles zu verbauen. Der permanente Stress, der dadurch entsteht, begleitet mich jetzt schon seit Jahren – mit besseren und schlechteren Phasen. Im Moment habe ich wieder das Gefühl, alles zu ruinieren, was ich mir aufgebaut habe.

Ich habe mir jetzt online bezahlte Unterstützung für meine Arbeit gesucht, was sicher ein guter Schritt ist. Aber selbst die Anleitung für die Person und das Bereitstellen der wichtigsten Daten/Berichte schiebe ich schon wieder vor mir her. Auch die Nutzung von ChatGPT hilft mir normalerweise bei der Bearbeitung von Berichten. Im Moment bin ich aber einfach extrem blockiert.

Zusätzlich suche ich aktuell nach einer Verhaltenstherapie, aber das wird wohl dauern, bis ich einen passenden Platz finde.

Kennt jemand von euch solche Situationen? Habt ihr Tipps, wie man diesen Kreislauf durchbrechen kann? Ich freue mich über jeden Gedanken oder jede Idee.

Vielen Dank schon mal, dass ihr euch die Zeit nehmt, meinen Beitrag zu lesen.

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Gut fand ich diese Analyse von Frauke Niehues: wie ein angeleitetes Selbstgespräch, was gerade Auslöser sein könnte: https://youtu.be/9MkCFelSTf4?t=1517

Es gibt übrigens inzwischen auch mehr „Anti-Prokrastinations-Coaches“ als man denkt. Vielleicht lohnt sich die direkte Suche danach, wenn VT zu lange Fristen hat.

Tim Urban hat viel Tröstliches für alle geschrieben, denen früher immer das Panikmonster half, aber die sich mit den Jahren nicht mehr darauf verlassen können, z.B.: How to Beat Procrastination — Wait But Why

und hier sein Ted-Talk: https://www.youtube.com/watch?v=arj7oStGLkU

Wir haben sonst noch den Werkzeugkoffer-Thread im Angebot mit bisher 34 Tools:

Kannst auch eine Nummer von 1 bis 34 aussuchen und mit dem Tool starten. Das ist das Koffer-Orakel. Hab so eine Ahnung, die Nr. 3 könnte was für Dich sein.

Und es gibt einen extensiven Prokrastinations-Thread, mit dem man aber im Zweifel zu gut prokrastinieren kann:

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Evtl hilft dir ein früherer Post von mir weiter. Tagesplaner ADHS Belohnungssystem - #8 von JohMazi

Ich habe mir jetzt online bezahlte Unterstützung für meine Arbeit gesucht, was sicher ein guter Schritt ist. Aber selbst die Anleitung für die Person und das Bereitstellen der wichtigsten Daten/Berichte schiebe ich schon wieder vor mir her. Auch die Nutzung von ChatGPT hilft mir normalerweise bei der Bearbeitung von Berichten. Im Moment bin ich aber einfach extrem blockiert.

Das ist ein großer Knackpunkt: Wenn du selbst die Abläufe nicht klar hast, dann funktioniert dein System weder bei dir noch für eine Übergabe an andere nicht.
Es gibt ein sehr gutes Buch von Jochen Sommer „Der 4-Tage-Firmenscan So decken Sie die größten Fehler in Ihrem Unternehmen auf und stellen sie ab“. Ist nicht ADxS kompatibel geschrieben und man muss an seinem Unternehmenssystem arbeiten, nicht im Unternehmen.

Gleich mal für später abgespeichert :adxs_daumen:

Denn ich saß da so an einem Fragebogen und kam über Umwege plötzlich ins Forum (weiß auch nicht wie das passiert ist)… und während ich dieses Video verfolgte, da wurde mir bewusst, dass ich ja eigentlich an einem Fragebogen arbeite.

Tzääää, ist das nicht verrückt? :adxs_kp:

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Schon ok, eigentlich. Aber Zukunft-Sneedle hat uns gestern schon gebeten, Dich an den Fragebogen zu erinnern. Sonst bleibt es an ihm hängen. Er kam extra per Zeitreise im DeLorean an. Ein wehender Eichhörnchen-Puschelschwanz an der Antenne und so. Muss also wichtig sein. Macht ja auch sonst keiner.

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Dem Zukunfts-Sneedle sage ich:

„Ich mache moin weiter - versprochen!“


Ich hatte es in Tiimo als Task stehen und den einfach mal per KI-Assistent die Aufgabe in kleine Teilaufgaben runterbrechen lassen.

Na gut. Ich bin zwar nicht nach seinem Plan vorgegangen, aber die kleineren Schritte zu sehen, das hat in diesem Fall ausnahmsweise gereicht, um anzufangen (gepaart mit Zeitdruck, da Abgabefrist diese Woche).

Einmal im Flow und mit LoFi Musik im Hintergrund ging es dann gut voran.

In der Vergangenheit zu wühlen und Jahreszahlen zu recherchieren laugt aber die Synapsen aus :adxs_gutenacht: - Onkel Barkley, Hallowell & Co. sagen, ich soll Pause machen und es für heute gut sein lassen. Deal :fist_right: :fist_left:


Notizen an Zukunftswuschel:

  • Schaue dir das mit dem Timeboxing nochmal an
  • Vergiss das gespeicherte Mensa Video oben nicht
  • Nutze jetzt, wo du seit kurzem ein Abo hast, öfter mal Tiimo und den KI-Assistenten
  • Finde Strategien, um diese Strategien dann auch dauerhaft zu nutzen (hihihi)
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Klingt für mich so, als solltest du vielleicht auch schauen, ob es nicht nur dein ADHS ist. Ein Teil der Sachen die du schreibst gehen so Richtung Burn-out.
Du nimmst ja bereits Medis, also ist die Lösung eventuell woanders oder im umstellen der Medis (wenn mehr Stress=Dosis erhöhen)?
Du scheinst dir auch sehr viel Druck zu machen „klar zu kommen“, was dich vllt zusätzlich mehr hemmt überhaupt mit etwas zu beginnen? (Lösung Meditation oder etwas anderes, dass dich entspannt?)
Drücke dir jedenfalls die Daumen, dass du deinen Weg findest.

Danke euch für die vielen Tipps. Ich beschäftige mich schon länger mit der Problematik und kenne dadurch bereits ein paar der Anregungen, andere sind aber neu für mich und passen eventuell ganz gut für mich, um sie als Routinen in mein Leben einzubauen.

Petrolblau beschreibt meine konkrete jetzige Situation meiner Meinung nach ganz gut. Sehe auch, dass ich da zumindest stark burn-out gefährdet bin und deswegen ist es auch so wichtig, dass ich mir Instrumente und Strukturen aneigne, um nicht immer wieder in diese Phasen zu geraten. Ich habe das Gefühl, dass ich mit der Zeit vom Prokrastinierer, der unter Druck die Arbeit fertigbekommt zu einem geworden bin, bei dem die Angst vorm Versagen immer mehr Raum eingenommen hat, was sich dann in diesen Blockaden äußert. Es ist sehr schwer für mich, mir keinen Druck zu machen. Zumal der Druck auch explizit von den Arbeitgebern aufgebaut und ausgeübt wird. Was aber leider nicht hilfreich ist. Und aus meiner Sicht ist die Alternative zum sofortigen Abarbeiten, das Scheitern, was ich ja unbedingt vermeiden will. Daher fällt es mir schwer da Druck rauszubekommen. Ich werde versuchen Meditation wieder vermehrt in meine Routine einzubauen. Vielleicht hilft das ja. Und auch sonst versuchen eher mit einem anderen Mindset ranzugehen. Erstmal hinsetzen und daran arbeiten, wenn auch langsam. Anstatt ständig zu vermeiden. Die Panik und der Druck sind nur leider schwer in den Hintergrund zu schieben.

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noch zu Dosis erhöhen. Ich hatte bereits bei der Justierung mal 30mg ausprobiert. Dabei habe ich aber eher einen sehr stark verlangsamenden Effekt auf mich gespürt.

Mir hilft es in solchen Situationen sehr, wenn ich nicht alleine damit bin. Wenn ich die Aufgabe nicht alleine bewältigen muss. Wenn jemand dabei ist. Ich manche Arbeitsschritte auch besprechen kann.

Was mir noch eingefallen ist; du schreibst ja, dass du dir schon einen Helfer für die Arbeit organisiert hast. Statt Aufgaben zu übergeben, kannst du den nicht einfach remote zuschalten und ihm erklären was du machst während du es machst und er guckt einfach zu und lernt davon? Dann ist es vllt einfacher, als nur über weiterleiten zu delegieren? (Vllt tut ihr das auch schon so und mein Kommentar is überflüssig :sweat_smile:) Gruß

Hallo @Matti1 willkommen im Forum der Neurodiversen!

Als Tip würde ich dir erstmal (ja ich weiß, ein alter Klassiker) die besagte Aufgabe in kleine Häppchen einzuteilen und zwischendurch etwas anderes machst, damit du dich nicht permanent diesem Druck „Mensch ich muss jetzt aber“ aussetzt.
Damit das klappt, solltest du schon frühzeitig wissen, bis wann ein bericht fertig sein muss. Das markierst du dann in einem Kalender, welcher dich benachrichtigen kann.
Dann schätzt du ab, wie lange du normalerweise für einen bericht brauchst teilst diese Zeit dann durch die Anzahl der Werktage bis zur Deadline und so lange schreibst du dann pro Tag an dem jeweiligen Bericht. Dann erstellst du im besagten Kalender für jeden Werktag (geht ja meist recht gut mit Copy-Paste) zu Uhrzeit X einen Termin „Berichte schreiben“ samt Benachrichtigung, damit du wirklich diese halbe Stunde an dem/n Bericht/en schreibst.
Wenn du das ein paar mal gemacht hast, kommst du bald in die Gewohnheit, jeden Tag für nur eine kurze Zeit die Berichte zu schreiben.
Hat auch den Vorteil, dass die Qualität besser wird, denn wenn man sich nicht mehr konzentrieren kann, leidet logischerweise auch die Qualität.

Ich hoffe das hilft dir ein wenig :slight_smile:

Bernd

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Das hilft mir auch sehr. Und hätte auch entsprechende Personen. In diesem Fall hätte ich das im Prozess besser mitdenken sollen. Jetzt am Ende ist es schwierig eine Person zu organisieren, die Zeit hat.

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Danke für den Input. In diesem Fall wird die Person meine Stichpunkte oder Textpassagen in einen zusammenhängenden Text umwandeln. Die Zeit ist mittlerweile einfach so knapp, dass ich das nicht mehr selbst erledigen kann.

Danke für den Hinweis. Das werde ich bei den nächsten Arbeiten auch so versuchen. Für den jetzigen Bericht ist diese Herangehensweise leider nicht mehr möglich.

Mit ChatGPT hast dus schon versucht, oder?

Ja, das nutze ich bereits und hilft auch ganz gut im Prozess.

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Bisher hab ich zwar etwas daran gearbeitet. Aber noch nicht wirklich viel geschafft. Lenke mich immer wieder mit anderen Dingen ab, weil ich quasi schon zwanghaft den schlechten Gefühlen ausweichen möchte. Jetzt hab ich Angst, wenn ich morgen den Bericht nicht abgeben kann.

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Würde dir sowas hier helfen?

https://adhs-forum.adxs.org/t/buddy-partner-gesucht-zur-gegenseitigen-motivation-nur-schriftlich-im-forum/16139?u=sneedledeedoo

Oder doch jemand am anderen Ende der Leitung, der aus neutraler Position dabei hilft.

Das sind allerdings Tipps, mit denen ich mich selber schwertue :adxs_grins:

Theoretisch und logisch kann ich das Verhalten und die inneren Hürden wunderbar nachvollziehen und mir erklären, aber all das Wissen darum hilft mir leider nicht automatisch dabei, auch ins Tun zu kommen :adxs_crazy:

Reeeein zufällig gehts mir gerade auch genauso wie dir :upside_down_face:

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Ich glaube ja daran, dass Du noch einen Bericht abgeben kannst. Vielleicht nicht den Bericht, den Du als Zielversion im Kopf hast, aber einen Bericht.

Vielleicht sogar einen kürzeren, der eher gelesen wird als die perfekte Langfassung.

Es gibt hier im Forum einen geheimen Pfad des Heiligen Yoshi. Den teilen wir immer nur in Notfällen, wenn wir sehr fest an jemanden glauben.

Hat schon häufig funktioniert in aussichtslos scheinenden Fällen. Klingt komisch, ist aber so.

Du kannst auch direkt bei Schritt 2 anfangen. Schritt 1 - die Vergebung - haben wir praktischerweise hier schon kollektiv für Dich erledigt.

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